Einleitung
In diesem KKK-Band werden die Probleme des Zirkulationsprozesses des Kapitals behandelt, die Karl Marx im zweiten Band des „Kapitals“ untersucht. Es geht dabei um den Zirkulationsprozeß des industriellen Kapitals, das, wie Karl Marx schreibt, „die einzige Daseinsweise des Kapitals ist, worin nicht nur Aneignung von Mehrwert, resp. Mehrprodukt, sondern zugleich dessen Schöpfung Funktion des Kapitals ist.“1
Das industrielle Kapital als sich verwertender Wert existiert nur in der Bewegung, indem es ständig nach der Produktion und Aneignung von Mehrwert aufs neue in den Produktions- und Verwertungsprozeß gegeben wird. Karl Marx verwendete daher den Begriff der Zirkulation in doppeltem Sinne: einmal als Bewegungs- oder Zirkulationsprozeß des industriellen Kapitals zum Zwecke seiner Verwertung, zum anderen als Phase oder Stadium dieser Bewegung, in der sie Voraussetzung und Abschluß des in der Produktion sich vollziehenden Verwertungsprozesses ist. Der Gesamtprozeß der Bewegung des Kapitals erscheint als Kreislauf und in kontinuierlicher Wiederholung als Umschlag des Kapitals.
Bei der Analyse des Produktions- und Verwertungsprozesses im ersten Band des „Kapitals“ wurde die Zirkulation als Stadium des Kreislaufs des Kapitals nur erörtert, soweit sie für das Verständnis des Kapitalverhältnisses notwendig war.
Die Warenproduktion ist Einheit von Produktion und Zirkulation. In seinem Kreislauf und Umschlag durchläuft daher das Kapital ständig beide Sphären: die Produktion und die Zirkulation. Eines der wichtigsten Probleme der Einheit von Produktion und Zirkulation des Kapitals und dessen Verwertung ist die Kontinuität des Ablaufs seiner Bewegung, die ununterbrochene Folge von Produktion und Zirkulation. „Je nach dem verschiednen Grad der Geschwindigkeit, womit das Kapital seine Warenform abstößt und seine Geldform annimmt, oder je nach der Raschheit des Verkaufs, wird derselbe Kapitalwert in sehr ungleichem Grad als Produkt- und Wertbildner dienen und die Stufenleiter der Reproduktion sich ausdehnen oder verkürzen.“2 Der Zirkulationsprozeß enthält demzufolge Potenzen, Möglichkeiten, die auf die Höhe der Verwertung des Kapitals erheblichen Einfluß nehmen.
Ein weiteres Problem ist die Verflechtung der Einzelkapitale zum gesellschaftlichen Gesamtkapital. Das Einzelkapital kann überhaupt nur in der Bewegung und Verbindung mit den anderen Kapitalen existieren. Die Zirkulation als Voraussetzung und Abschluß der Verwertung des Kapitals verbindet zugleich die Bewegung der Einzelkapitale zum gesellschaftlichen Gesamtkapital. In der Verflechtung der Bewegung oder des Kreislaufs der Einzelkapitale zum gesellschaftlichen Gesamtkapital werden sowohl die Voraussetzungen als auch die Bedingungen für die Realisierung der Verwertung geschaffen. Hierbei entsteht ein drittes Problem. Die Einzelkapitale liefern sich untereinander die Produktionsmittel sowie die Konsumtionsmittel für die Arbeitskräfte und für den Kapitalisten. In dieser Verflechtung ist nicht nur der Wert der Produkte, sondern auch der Gebrauchswert wichtig, denn jeder Kapitalist braucht für sich und seine Lohnarbeiter ganz bestimmte Produktions- und Konsumtionsmittel, und er produziert selbst Waren bestimmter konkreter Art für bestimmte Käufer.
Ein viertes Problem ergibt sich daraus, daß sich die einzelnen Bestandteile des industriellen Kapitals im Kreislauf und Umschlag unterschiedlich verhalten und auf die Verwertung Einfluß nehmen. Der Wert des einen Bestandteils der Arbeitsmittel wird stückweise, über einen längeren Zeitraum, auf das neue Produkt übertragen, während der Wert des anderen, der Arbeitsgegenstände, unmittelbar übertragen wird. Es handelt sich hierbei um das fixe und zirkulierende Kapital, dessen unterschiedliche Umschlagszeit den Verwertungsgrad des Kapitals beeinflußt.
Die Marxsche Analyse des Zirkulationsprozesses des Kapitals und des von ihm umfaßten Kreislaufs und Umschlags des Kapitals beschäftigt sich also mit Problemen, die für die Verwertung des Kapitals von großer Bedeutung sind. Infolge des antagonistischen Charakters der kapitalistischen Produktionsweise und ihres Grundwiderspruchs vollzieht sich auch der Zirkulationsprozeß des Kapitals nur unter Widersprüchen und Konflikten.
Das Studium der Marxschen Lehre von den objektiven Bedingungen des Zirkulationsprozesses des Kapitals gibt den Schlüssel für das Verständnis von Erscheinungen des heutigen Kapitalismus, wie zum Beispiel einige staatsmonopolistische Maßnahmen zur Sicherung der Kontinuität der Produktion und Verwertung des Monopolkapitals. Es hilft zu erkennen, daß bürgerliche und sozialdemokratische Theorien, nach denen der anarchische Charakter der kapitalistischen Produktionsweise durch die Verbesserung der Zirkulation mit Hilfe staatlicher Eingriffe aufgehoben werden könnte, eine Illusion und Irreführung der Arbeiterklasse sind. Der anarchische Charakter der kapitalistischen Produktionsweise beruht wie die Ausbeutung auf dem kapitalistischen Charakter der Produktion und kann erst mit der Beseitigung des kapitalistischen Eigentums an den Produktionsmitteln, durch Verwandlung in gesellschaftliches, sozialistisches Eigentum, aufgehoben werden.