Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

2.2
Reine Zirkulationskosten

Die Zirkulation dient, wie Karl Marx schon bei der Analyse des Geldes als Zirkulationsmittel hervorhob, einerseits dem gesellschaftlichen Stoffwechsel, indem sie den Austausch der Gebrauchswerte vermittelt. Sie dient andererseits der Metamorphose der Waren, dem Formwechsel des Wertes.29 Der Formwechsel des Wertes besteht in den Zirkulationsakten Verkauf und Kauf, W – G, beziehungsweise Kauf und Verkauf, G – W. Beide Akte sind Handlungen zwischen Verkäufern und Käufern, die sich in der Zirkulationssphäre vollziehen und die Zeit in Anspruch nehmen.

Der Verkauf und Kauf der Waren erfordert die Verkaufs- und Kaufzeit, die unter kapitalistischen Bedingungen die Kapitalisten oder von ihnen beschäftigte Arbeiter und Angestellte aufwenden müssen. Angesichts des großen Umfangs, den die Warenproduktion und damit die Warenzirkulation angenommen hat, läßt sich der Kauf und Verkauf der Waren nicht mehr, wie das bei Bauern und Handwerkern im Mittelalter war, allein auf die Feiertage verlegen. Die darauf verwandte Zeit ist ein Abzug von der Arbeitszeit, denn wenn gehandelt wird, wird nicht produziert, demzufolge werden auch kein Gebrauchswert, kein Wert und Mehrwert erzeugt.

Der Umstand, daß der Kauf und Verkauf nicht von einfachen Warenproduzenten oder von industriellen Kapitalisten, sondern von Handelskapitalisten und deren Arbeitern und Angestellten getätigt wird, ändert nichts an der getroffenen Feststellung, daß Kauf- und Verkaufszeit ein Abzug von der Arbeitszeit in der Produktion ist. Der Vorteil, der aus der Arbeitsteilung zwischen industriellen und Handelskapitalisten für die Verwertung des Kapitals entspringt, besteht darin, daß dadurch die Kauf- und Verkaufszeit verkürzt wird. Dessenungeachtet bleibt der für den Kauf und Verkauf verursachte Arbeitsaufwand unproduktiv.30 „Er (der Handelsangestellte) arbeitet so gut wie ein andrer, aber der Inhalt seiner Arbeit schafft weder Wert noch Produkt. Er selbst gehört zu den faux frais der Produktion. Sein Nutzen besteht nicht darin, eine unproduktive Funktion in eine produktive zu verwandeln, oder unproduktive Arbeit in produktive. Es wäre ein Wunder, wenn dergleichen Verwandlung durch solche Übertragung der Funktion bewerkstelligt werden könnte. Sein Nutzen besteht vielmehr darin, daß ein geringrer Teil der Arbeitskraft und Arbeitszeit der Gesellschaft in dieser unproduktiven Funktion gebunden wird.“31

Die durch die Kauf- und Verkaufszeit verursachten Kosten müssen aus dem Mehrwert gedeckt werden. Sie sind gesellschaftlich gesehen ein Verlust. Die Handelstätigkeit bildet aber, wie wir später bei der Untersuchung des Handelskapitals sehen werden, eine Quelle für den Profit der Handelskapitalisten.32

Reine Zirkulationskosten entstehen auch durch die Buchführung. Die Notwendigkeit der Buchführung ergibt sich aus dem hohen Vergesellschaftungsgrad der kapitalistischen Produktion. Sie hat es, wie der Kauf und Verkauf der Waren, nur mit dem Wert der Waren und dessen Metamorphose zu tun. Während beim Kauf und Verkauf der Waren das Geld als Zirkulations- und Zahlungsmittel fungiert, wirkt es bei der Buchführung nur in der Funktion als ideelles Geld, als vorgestelltes Rechengeld, und spiegelt die Zirkulationsvorgänge in den Büchern wider.

Wie der Formwandel der Waren durch Verkauf und Kauf, so ist auch dessen Widerspiegelung in der Buchführung eine zwar gesellschaftlich notwendige, aber unproduktive Tätigkeit, und die dabei entstehenden Kosten an Arbeit und Material müssen im Kapitalismus aus dem Mehrwert gedeckt werden. Aber auch hier gilt, was schon von der Konzentration der Kauf- und Verkaufsfunktion gesagt wurde. Durch die Arbeitsteilung wird der für die Buchführung notwendige Arbeitsaufwand beträchtlich vermindert und dadurch der Umfang der produktiven Arbeit erweitert.

Die Buchführung ist aber nicht nur ein wichtiges Werkzeug zur Kontrolle der Rechnungs- und Verrechnungsoperationen, sondern zugleich ein bedeutsames Instrument der Kontrolle des gesamten Geschäftsablaufs, des Standes und der Entwicklung der Produktion, des finanziellen Status des Unternehmens, des Flusses oder der Stockung des Warenabsatzes. Sie wird auch, wie wir noch bei der Analyse des zinstragenden Kapitals und Bankkapitals sehen werden, besonders im monopolistischen Stadium des Kapitalismus ein Kontrollinstrument der Monopolbanken, das ihnen ermöglicht, mit Hilfe ihrer Kreditpolitik Industrie- und Handelsunternehmen unter ihren Einfluß zu bringen und zu beherrschen.33

Es besteht aber, wie Marx hervorhob, ein Unterschied zwischen der Buchführung, die sich ausschließlich mit der ideellen Widerspiegelung des Metamorphoseprozesses von Ware und Geld, Warenkapital und Geldkapital, beschäftigt, und den in der Buchführung sich ideell widerspiegelnden Prozessen der Produktion, die der Leitung des Produktionsablaufs dienen. „Es findet jedoch ein gewisser Unterschied statt zwischen den aus der Buchführung entspringenden Kosten, resp. unproduktiven Verausgabung von Arbeitszeit einerseits und denen der bloßen Kauf- und Verkaufszeit andrerseits. Die letztren entspringen nur aus der bestimmten gesellschaftlichen Form des Produktionsprozesses, daraus, daß er Produktionsprozeß von Ware ist. Die Buchführung als Kontrolle und ideelle Zusammenfassung des Prozesses wird um so notwendiger, je mehr der Prozeß auf gesellschaftlicher Stufenleiter vorgeht und den rein individuellen Charakter verliert; also notwendiger in der kapitalistischen Produktion als in der zersplitterten des Handwerks- und Bauernbetriebs, notwendiger bei gemeinschaftlicher Produktion als bei kapitalistischer. Die Kosten der Buchführung reduzieren sich aber mit der Konzentration der Produktion und je mehr sie sich in gesellschaftliche Buchführung verwandelt.“34

Rechnungsführung und Kontrolle lautete eine der Grundforderungen, die W. I. Lenin an die sozialistische Wirtschaftsführung stellte, und er stützt sich dabei auf die Marxschen Feststellungen.

Schließlich gehört zu den reinen Zirkulationskosten die Produktion des Geldes. Das Geld entstand, wie Karl Marx durch die Analyse der Ware und der Warenproduktion nachwies, gesetzmäßig mit der Warenzirkulation. Es ist das verselbständigte allgemeine Äquivalent, der verselbständigte Tauschwert der Waren. Es kam zu dieser gesellschaftlichen Funktion, weil es selbst eine Ware ist, produziert wurde und gesellschaftlich notwendige Arbeit als Wert verkörpert.

Das Geld kam ursprünglich als Gold und Silber aus der Produktion, ging als Ware in die Zirkulation und verblieb dort als Geld. Es dient ausschließlich der Zirkulation. Die für die Produktion des Geldmaterials verausgabte Arbeit vermehrt nicht den gesellschaftlichen Reichtum, sondern ihr Ergebnis muß der Zirkulation geopfert werden. „Diese als Geld fungierenden Waren gehn weder in die individuelle noch in die produktive Konsumtion ein. Es ist gesellschaftliche Arbeit, in einer Form fixiert, worin sie als bloße Zirkulationsmaschine dient. Außerdem, daß ein Teil des gesellschaftlichen Reichtums in diese unproduktive Form gebannt ist, erheischt der Verschleiß des Geldes beständigen Ersatz desselben oder Umwandlung von mehr gesellschaftlicher Arbeit – in Produktform – in mehr Gold und Silber. Diese Ersatzkosten sind bei kapitalistisch entwickelten Nationen bedeutend, weil überhaupt der in Form des Gelds gebannte Teil des Reichtums umfangreich ist. Gold und Silber, als Geldwaren, bilden für die Gesellschaft Zirkulationskosten, die nur aus der gesellschaftlichen Form der Produktion entspringen. Es sind faux frais der Warenproduktion überhaupt, die mit der Entwicklung der Warenproduktion, und besonders der kapitalistischen Produktion, wachsen. Es ist ein Teil des gesellschaftlichen Reichtums, der dem Zirkulationsprozeß geopfert werden muß.“35

Mit der Entwicklung des kapitalistischen Konkurrenzkampfes auf dem Markt stiegen die reinen Zirkulationskosten gewaltig an, vor allem die Ausgaben für Reklame. Nach Schätzungen machen in den USA die Zirkulationskosten 40 bis 50 Prozent jedes von den Konsumenten ausgegebenen Dollars aus. Allein für Reklame werden 3 bis 4 Prozent des Nationaleinkommens der USA ausgegeben.36