Profit, Durchschnittsprofit
und Produktionspreis

1.1.
Kostpreis und Profit

Es ist kein Zufall, daß an der Oberfläche der kapitalistischen Gesellschaft und im Bewußtsein der Kapitalisten und Arbeiter der Mehrwert nicht als Mehrwert, sondern als Profit, Zins, Grundrente oder Steuer erscheint. Die Tatsache, daß die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus und der Warenproduktion überhaupt und die mit ihnen verbundenen ökonomischen Kategorien wie Wert, Mehrwert, Wert der Arbeitskraft als etwas anderes erscheinen, als sie sind, hat gesellschaftliche Ursachen. Der Wert einer unter kapitalistischen Bedingungen produzierten Ware besteht aus drei Elementen: c – Wert des verbrauchten konstanten Kapitals, v – Wert des verausgabten und neuproduzierten Kapitals und m – Mehrwert. Der Warenwert ist also gleich

W = c + v + m

Die ersten beiden Bestandteile des Warenwertes bestehen aus dem vom Kapitalisten für die Produktionselemente verausgabten Kapital. Sie sind derjenige Teil des Warenwertes, den der Kapitalist bezahlt. Doch der Mehrwert ist das Produkt unbezahlter Arbeit und kostet ihn nichts.

Für den Kapitalisten erscheint die Summe des für den Kauf von Produktionsmitteln und Arbeitskräften ausgelegten Kapitals als Kostpreis der Ware (k). Der kapitalistische Kostpreis der Ware besteht, wie Marx feststellt, aus

k = c + v

Der Kostpreis der Ware ist aber nicht ihr wirklicher Preis beziehungsweise Wert, denn der Warenwert ist gleich c + v + m, das heißt, er besteht außer der vom Kapitalisten bezahlten toten und lebendigen Arbeit aus der unbezahlten Arbeit, dem Mehrwert. Der Kostpreis der Ware ist demnach kleiner als der Wert der Ware. „Die kapitalistische Kost der Ware mißt sich an der Ausgabe in Kapital, die wirkliche Kost der Ware an der Ausgabe in Arbeit. Der kapitalistische Kostpreis der Ware ist daher quantitativ verschieden von ihrem Wert oder ihrem wirklichen Kostpreis; er ist kleiner als der Warenwert, denn da W = k + m, ist k = W - m.“7

Demzufolge mißt der Kapitalist den Kostpreis der Ware an seinem Kapitalaufwand, während der Aufwand an unbezahlter Arbeit der Lohnarbeiter, deren Resultat sich der Kapitalist aneignet, nicht im Kostpreis erscheint.

Der kapitalistische Kostpreis verschleiert das Wesen der Ausbeutung, da in ihm der Unterschied zwischen dem konstanten und dem variablen Kapital ausgelöscht ist. Der Überschuß über den Kostpreis scheint beiden Wertbestandteilen des Kapitals zu entspringen. Die wirkliche Quelle des Mehrwerts, die Ausbeutung der Arbeit der Lohnarbeiter, ist verhüllt.

Für den Kapitalisten, der die Verwertung seines gesamten Kapitals im Auge hat, ist die Ausgabe seines Geldkapitals für konstantes und variables Kapital von gleichem Rang, denn die Produktion und damit die Verwertung seines Kapitals ist nur dann möglich, wenn beide Faktoren – Arbeitskraft und Produktionsmittel – zusammenwirken. Dadurch, daß im Kostpreis das konstante und das variable Kapital zusammengefaßt sind, ist nicht unmittelbar ersichtlich, daß Wert und Mehrwert nur durch die Arbeitskraft, das Fungieren des variablen Kapitals, erzeugt werden.8

Der Mehrwert tritt nicht nur als Überschuß über den Kostpreis der Waren in Erscheinung, sondern als Überschuß über das gesamte vorgeschossene Kapital. Das erscheint so, da das gesamte konstante und variable Kapital an der Produktion beteiligt ist, obwohl das fixe Kapital, die Gebäude, Anlagen und Maschinen, nur teilweise in den Verwertungsprozeß eingeht und sein Wert stückweise auf das Produkt übertragen wird.

Bei oberflächlicher Betrachtung ist also nicht auszumachen, aus welchem Teil des Kapitals der Mehrwert entspringt. Der Mehrwert, der als Resultat der Tätigkeit des gesamten vorgeschossenen Kapitals erscheint, ist der Profit. „Als solcher vorgestellter Abkömmling des vorgeschoßnen Gesamtkapitals erhält der Mehrwert die verwandelte Form des Profits. Eine Wertsumme ist daher Kapital, weil sie ausgelegt wird, um einen Profit zu erzeugen, oder der Profit kommt heraus, weil eine Wertsumme als Kapital angewandt wird. Nennen wir den Profit p, so verwandelt sich die Formel W = c + v + m = k + m in die Formel W = k + p oder Warenwert = Kostpreis + Profit.

Der Profit, wie wir ihn hier zunächst vor uns haben, ist also dasselbe, was der Mehrwert ist, nur in einer mystifizierten Form, die jedoch mit Notwendigkeit aus der kapitalistischen Produktionsweise herauswächst. Weil in der scheinbaren Bildung des Kostpreises kein Unterschied zwischen konstantem und variablem Kapital zu erkennen ist, muß der Ursprung der Wertveränderung, die während des Produktionsprozesses sich ereignet, von dem variablen Kapitalteil in das Gesamtkapital verlegt werden. Weil auf dem einen Pol der Preis der Arbeitskraft in der verwandelten Form von Arbeitslohn, erscheint auf dem Gegenpol der Mehrwert in der verwandelten Form von Profit.“9

Der Profit ist, wie Karl Marx sagt, eine mystifizierte Form des Mehrwerts. Er ist Mehrwert, dessen Herkunft verschleiert ist, da es den Anschein hat, daß er dem Gesamtkapital und nicht nur dem variablen Teil entspringt. Diese Verhüllung oder Mystifizierung des wahren Charakters des Mehrwerts und seiner Quellen wird noch dadurch verstärkt, daß der Verkaufspreis in der Regel vom Wert der Waren abweicht, da nur auf diese Weise die individuellen Werte sich zum gesellschaftlichen Wert ausgleichen und das Wertgesetz die Produktion regulieren kann.

Da der Profit als die verwandelte Form des Mehrwerts den Kapitalisten nichts kostet, kann er die Ware unter ihrem Wert, aber noch immer mit Profit verkaufen. Die Differenz zwischen dem Kostpreis und dem Wert der Ware erlaubt demnach einen beweglichen Verkaufspreis, wobei sich in der Vorstellung dar Kapitalisten und der bürgerlichen Ökonomen der wirkliche Zusammenhang verdreht. Die Preise, die einen Profit beinhalten, scheinen lediglich das Ergebnis der Geschicklichkeit der Kapitalisten beim Einkauf und Verkauf der Waren beziehungsweise bei der Organisierung des Produktionsprozesses zu sein.

In Wirklichkeit aber bildet die Differenz zwischen dem Kostpreis und dem Wert der Ware die ökonomische Grundlage für den Konkurrenzkampf der Kapitalisten und gibt die Erklärung dafür, warum es möglich ist, daß eine allgemeine Profitrate entstehen kann. „Das bisher von der politischen Ökonomie unbegriffne Grundgesetz der kapitalistischen Konkurrenz, das Gesetz, welches die allgemeine Profitrate und die durch sie bestimmten sog. Produktionspreise regelt, beruht, wie man später sehn wird, auf dieser Differenz zwischen Wert und Kostpreis der Ware und der daher entspringenden Möglichkeit, die Ware mit Profit unter ihrem Wert zu verkaufen.“10

Aus der durch den Konkurrenzkampf erzwungenen Abweichung der Verkaufspreise von ihrem Wert, die dadurch möglich ist, daß den Kapitalisten p , der Profit, nichts kostet, ergab sich auch die irrige Vorstellung der Kapitalisten und klassischer bürgerlicher Ökonomen, daß der Kostpreis der Waren der eigentliche innere Wert der Waren wäre. Der beim Verkauf der Waren erzielte Profit erscheint dann dem Kapitalisten als Überschuß des Verkaufspreises über den Wert, statt als Überschuß des Wertes über den Kostpreis. Nach dieser Vorstellung würde der Mehrwert nicht aus der Produktion, sondern aus dem Verkauf stammen.

Die Marxsche Lehre vom Kostpreis und von der Verwandlung des Mehrwerts in Profit enthüllte die Grundlagen des Mechanismus, durch den erstens die Quellen des Mehrwerts verschleiert und zweitens die Herausbildung einer allgemeinen Profitrate erklärbar ist.

Historisch existierte der Profit bereits vor der kapitalistischen Produktionsweise, bevor das Mehrprodukt die Form des Mehrwerts und die Ausbeutung kapitalistischen Charakter angenommen hatten. Die ökonomische Grundlage des Profits war in den vorkapitalistischen Produktionsweisen die einfache Warenproduktion und das auf ihr beruhende Handelskapital.

In den vorkapitalistischen Produktionsweisen konnte der Profit folglich nicht die verwandelte Form von Mehrwert sein. Er hatte einen anderen gesellschaftlichen Inhalt. Er war ursprünglich unbezahlte Arbeit, die sich das Handelskapital durch nichtäquivalenten Warenaustausch aneignete, indem es die von den Bauern, Handwerkern und von den Großgrundbesitzern produzierten Waren unter ihrem Wert einkaufte und an sie Waren über ihrem Wert verkaufte. In den vorkapitalistischen Produktionsweisen entstand der Profit des Handelskapitals insofern in der Zirkulation, als er als ein Teil des Wertes der von den Bauern und Handwerkern produzierten Waren von den Handelskapitalisten angeeignet wurde.

Dem Inhalt nach ist der Profit auch im Kapitalismus unbezahlte Arbeit, aber er entsteht nicht in der Zirkulation, sondern in der Produktion, das heißt ohne einen Verstoß gegen das Wertgesetz. Im industriellen Kapitalismus ist der Profit die verwandelte Form des Mehrwerts, die konkrete Form, in der der Mehrwert in Erscheinung tritt.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts versuchten die Vulgärökonomen, den Profit und seine Entstehung aus den natürlichen Eigenschaften des Kapitals zu erklären. Danach bringt die Arbeit den Arbeitslohn, das Kapital den Profit und der Boden die Rente. Arbeitslohn, Profit und Rente hätten demnach drei voneinander unabhängige, selbständige Quellen. Hier wird die Tatsache verdreht, daß das Kapital die Grundlage für die Aneignung des Profits, jedoch nicht dessen Quelle ist. Durch das personifizierte Kapital, den Kapitalisten, werden die Produktionsmittel und die Arbeitskräfte in der Produktion vereinigt und unter seiner Kontrolle von den Arbeitern der Mehrwert erzeugt, den sich der Kapitalist als Eigentümer der Produktionsmittel in Form von Profit aneignet.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts versuchte die Vulgärökonomie mit Hilfe der sogenannten Grenznutzentheorie die Quelle des Profits zu verschleiern. Der bekannteste Vertreter dieser „Theorie“, Eugen von Böhm-Bawerk, unternahm mit seinen Anhängern den Versuch, den Profit auf psychologische Faktoren zurückzuführen. Sie „erklären“ die Entstehung des Profits auf folgende Weise: Die Kapitalisten würden im Produktionsprozeß Produktionsmittel in Fertigprodukte verwandeln, und aus dieser Verwandlung „erwarten“ sie den Profit. Dieser wiederum ergebe sich daraus, daß die Produktionsmittel, die als „zukünftige Güter“ bezeichnet werden, niedriger geschätzt würden als Fertigprodukte, die „Gegenwartsgüter“ seien. Durch die Verwandlung von Zukunftsgütern in Gegenwartsgüter ergebe sich folglich zwischen ihnen eine Wertdifferenz. Diese Wertdifferenz stelle den Profit dar. Der Profit entstehe folglich nicht aus der Ausbeutung der Lohnarbeiter, sondern aus dem psychologischen Akt der „Erwartung“.

Abgesehen davon, daß auch Produktionsmittel vom Standpunkt des Produkts Fertigprodukte darstellen, ist auch das Dogma von der „unterschiedlichen Bewertung“ dieser Güter falsch. Die Wertgröße einer Ware wird einzig und allein bestimmt durch die zu ihrer Produktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Die Wertdifferenz zwischen den verschiedenen Waren ergibt sich folglich nur aus der für ihre Produktion unterschiedlichen gesellschaftlich notwendigen Arbeitszeit.

In der gegenwärtigen bürgerlichen Vulgärökonomie wird die Existenz des Profits keineswegs geleugnet. Derartige Auffassungen wären wohl auch zu primitiv, um glaubhaft zu sein. Die Erklärungen seiner Quelle sind vielgestaltig und entsprechen im wesentlichen den bereits erwähnten „Theorien“; zum Teil sind sie eine Zusammenfassung verschiedener Teile oder Aspekte dieser „Theorien“. Für alle Varianten ist jedoch charakteristisch, daß

1. die wahre Quelle des Profits und dessen Wesen, wie sie von Karl Marx aufgedeckt wurden, verschleiert, verfälscht oder verdreht werden;

2. der Profit nicht als das Ziel und das treibende Motiv der kapitalistischen Gesellschaft anerkannt, sondern behauptet wird, er sei nur das Mittel, um die Interessen der Gesellschaft zu gewährleisten und vor allem der Arbeiterklasse die Arbeitsplätze und damit das Einkommen zu sichern.

In Wirklichkeit dient bei der kapitalistischen Akkumulation der Profit, seine Verwandlung in Kapital, die unter dem Druck der Konkurrenz erfolgt, der Sicherung und Erweiterung des Ausbeutungsfeldes und der Herrschaft der Kapitalistenklasse.11