Afghanistan:
Krieg und Okkupation gehen weiter
Der als Begründer der Frankfurter Schule geltende Max Horkheimer sagte schon 1939: „Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, der sollte auch vom Faschismus schweigen.“ Heute müssen wir angesichts der den ganzen Erdball erfassenden explosiven Situation sagen: Wer vom Kapitalismus redet, darf vom Krieg nicht schweigen! Doch es wird geschwiegen. Daß die USA und die NATO gerade dabei sind, die Welt mit ihren Waffengängen in Brand zu setzen, findet kaum Erwähnung. Dagegen sind Meldungen über Terrorakte wie der am 13. November in Paris zum Dauerthema geworden, dem man enorm viel Sendezeit widmet.
Karikatur: Klaus Stuttmann
Doch fallen diese einfach vom Himmel? Niemand wird als Terrorist geboren. Man wird durch die gesellschaftlichen Verhältnisse dazu gemacht, bei denen die Stärkeren die Bomben, Panzer, Kampfjets und Drohnen besitzen. Die Waffe der Schwächeren ist das eigene Leben, das sie als Selbstmordattentäter einsetzen, oder das Risiko, von Sicherheitskräften der Stärkeren erschossen zu werden. Das nennt man in der Politikwissenschaft einen „asymmetrischen Krieg“. Wenn der Krieg die Lebensgrundlage von Menschen auf Dauer zerstört, wird Terror ein Reflex der Schwächeren.
Terroristen wie die von ihnen Getöteten oder Verwundeten sind, objektiv betrachtet, beide Opfer des Krieges – eines Krieges, der fast immer von außen kommt. Wer keine Terroristen will, muß die Verhältnisse ändern.
Nehmen wir Afghanistan. Auch das Geschehen in meinem Heimatland ist längst aus den Schlagzeilen der bürgerlichen Medien verschwunden. Dabei findet Krieg, obwohl „offiziell“ beendet, dort jeden Tag statt. Weitaus länger als der 2. Weltkrieg, hat er 14 Jahre lang Tod und Verderben gebracht. Bis zur Rückführung der NATO-Kampftruppen kostete er wöchentlich 1,5 Milliarden Dollar. Geldsummen in astronomischer Höhe flossen ununterbrochen auf die Konten Rüstung produzierender Konzerne der kriegführenden Staaten. Darüber hinaus war dieses Land ein exklusives Experimentierfeld für die Erprobung neuester Waffentypen:
- US-Drohnen – ursprünglich als Aufklärungsdrohnen konstruiert – wurden im Krieg gegen Afghanistan zu Kampfdrohnen weiterentwickelt.
- Der in Afghanistan zum Einsatz gelangte deutsche gepanzerte „Fuchs“ brachte Extraprofit, da er „angepaßt“ werden mußte, weil die Innentemperatur aufgrund der dortigen Bedingungen auf 80 Grad Celsius stieg, so daß sich kein Soldat darin aufhalten konnte.
- Auch ein französischer Kampfjet – ein Nachfolgetyp von „Mirage“ – wurde in Afghanistan getestet.
Wie wir jeden Tag erleben, verlassen immer mehr Menschen auch unser Land.
Warum ist das so?
Es sind die Aggressionen der imperialistischen Staaten in Afghanistan, Libyen, Irak, Syrien und anderen Ländern, vor denen die Menschen fliehen.
Es ist der von den USA und den Westmächten betriebene ökonomische Krieg, der Millionen dazu treibt, ihre Heimat zu verlassen: Riesige Schiffe reicher kapitalistischer Länder fischen vor den Küsten Afrikas alles weg. Altkleider-Exporte aus den Industrieländern zerstören die einheimische Textilindustrie wie in Tansania, wo im Vorjahr rund 80 000 Arbeitsplätze verlorengingen. Subventionierte Agrarprodukte aus der EU und den USA vernichten bäuerliche Existenzen an der Peripherie der Welt.
Es sind die politischen Interventionen der USA und von NATO-Mächten in Staaten, die ihnen botmäßig gemacht werden sollen, was zur Folge hat, daß Menschen fliehen, wenn faschistoide Diktatoren an die Macht gebracht oder am Ruder gehalten werden.
Ein entscheidender Grund für die Tragödien, die sich rund um den Erdball ereignen, ist eng mit dem Sieg der Konterrevolution 1989/90 in den europäischen sozialistischen Staaten verbunden. Mit deren Ende ist auch die bipolare Ordnung, die zwischen dem kapitalistischen und dem sozialistischen System bestand, zusammengebrochen. Heute wird deutlicher denn je, welche strategische Bedeutung die sozialistischen Staaten für das Gleichgewicht der Kräfte auf der Welt hatten. Allein die Tatsache ihrer Existenz war ein ausschlaggebender Faktor für eine 40 Jahre anhaltende Friedensperiode in Europa. Jetzt schicken sich die USA – als vermeintlich einzig übriggebliebene Supermacht – an, ihren Weltmachtanspruch mit aller Brutalität durchzusetzen, nachdem sie die Länder des euro-asiatischen Kontinents zu ihrer Interessensphäre erklärt haben. „Eine zweite Macht neben uns dulden wir nicht!“, schrieb Zbigniew Brzezinski, ehemaliger Sicherheitsberater des US-Präsidenten Jimmy Carter, in seinem Buch „Die einzige Weltmacht: Amerikas Strategie der Vorherrschaft“ (1997).
Als die Neo-Konservativen um George W. Bush, Dick Cheney, Paul Wolfowitz und Donald Rumsfeld in den USA ans Ruder gelangten, erweiterten sie die „Strategie“ Brzezinskis und nannten sie „Greater Middle East“ (GME), was nichts anderes bedeutet, als die gesamte Region von Nordafrika bis Bangladesch unter die Kontrolle der USA zu bringen. Man wartete auf einen Anlaß, der mit dem 11. September 2001 geschaffen wurde. Er hat den USA den Vorwand für die auf dem Fuße folgende Aggression in Afghanistan geliefert. Mit dem Einmarsch der US-Streitkräfte in unser Land begann eine neue Runde im Pokerspiel zur Aufteilung der Welt.
Diesmal jedoch waren die vom deutschen Kapital geforderten Konzepte für ein Großdeutschland der Zukunft längst ausgearbeitet. Bereits im März 1993 erklärte der damalige Außenminister Klaus Kinkel: „Nach außen gilt es etwas zu vollbringen, woran wir zweimal zuvor gescheitert sind.“ Roman Herzog, früherer Bundespräsident, forderte in seiner Berliner Rede am 26. April 1997: „Die Weltmärkte werden neu verteilt, ebenso die Chancen auf Wohlstand im 21. Jahrhundert. Wir müssen jetzt eine Aufholjagd starten.“
Krieg, Intervention, Einmischung waren die Mittel. Erinnert sei an die Beteiligung Deutschlands am NATO-Krieg gegen Jugoslawien 1999, an die Erklärung Gerhard Schröders zur „uneingeschränkten Solidarität“ mit den USA nach den Ereignissen des 11. September 2001 sowie an die auf massiven Druck der Schröder-Fischer-Regierung erfolgte Erklärung des „Bündnisfalles“ nach Artikel 5 des NATO-Vertrages. Damit war der Weg frei für den Einmarsch der Bundeswehr in Afghanistan, wo sie heute noch mit rund 700 Soldaten stationiert ist. Nun plant die Bundesregierung, deren Mandat nicht nur zu verlängern, sondern Deutschlands militärisches „Engagement“ dort wieder massiv zu verstärken.
Demgegenüber lautet unsere Forderung: Bedingungslose Beendigung der NATO-Kriege überall! Ablösung der NATO-Einheiten am Hindukusch durch Einheiten aus islamischen und blockfreien Staaten, Einberufung einer Ratsversammlung in Afghanistan, auf der neue politische Strukturen für dieses Land geschaffen werden müssen!
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