RotFuchs 194 – März 2014

Wie der faschistische Werkschutz
die „Judenvernichtung“ betrieb

Antisemitisches Mordinstrument

Stephan Jegielka

Der Werkschutz, das betriebliche Terrororgan in der Zeit zwischen 1933 und 1945 in Deutschland und den besetzten Gebieten, war an der „Judenvernichtung“ des faschistischen Staates führend beteiligt. Er übernahm in den Betrieben geheimpolizeiliche, polizeiliche, militärische und ökonomische Aufgaben und agierte ganz im Sinne Heinrich Himmlers als eine Art innere Wehrmacht. Dafür wurde er ab 1933 sukzessive in den deutschen Betrieben aufgebaut. Unter dem Begriff Werkschutz wurden Funktionen des Hauptabwehr- bzw. Konzernabwehrbeauftragten in Großbetrieben wie der I. G. Farben, der Daimler Benz AG, der Junkers AG und der Krupp AG, die Abwehrbeauftragten, die ihm unterstellten oder in Personalunion verbundenen Werkschutzleiter und die hauptamtlichen und nebenamtlichen Werkschutzmänner zusammengefaßt. Die Stärke dieses Repressionsorgans nahm bis 1945 rapide zu. Allein aus dem Bereich der Staatspolizeistelle Darmstadt wurden 1944 rund 2000 Werkschutzangehörige gemeldet.

Seine über den Betrieb hinausgehende staatliche Funktion zeigte sich nicht nur in der Durchführung von Morden und Massenhinrichtungen jüdischer Häftlinge, z. B. auf dem Werksgelände der HASAG. Der Werkschutz war auch an groß angelegten Ausrottungsaktionen des Reichssicherheitshauptamtes (RSHA) in den „Ostgebieten“ beteiligt. Es kam sogar zu seiner organisatorischen Einbettung in die Einsatzgruppen im faschistisch besetzten Teil der Sowjetunion, wo er in Gestalt seiner Abwehrbeauftragten sichtbar agierte. Spätestens 1939 war es Reinhard Heydrich, dem Chef der Sicherheitspolizei gelungen, diese und damit den Werkschutz als „Hilfsorgan“ strukturell an die Gestapo und den SD zu binden.

Das drängendste Problem des faschistischen Staates blieb bis zum Ende die Versorgung der Industrie und der Militärmaschinerie mit Öl. Um die „Gesamtinteressen Großdeutschlands“ auf diesem Gebiet „zu befriedigen“, wurde die deutsche Ölwirtschaft in einem staatsmonopolistischen Unternehmen zentralisiert. Diese Kontinentale Öl AG sollte gemäß der Weisung Görings zwar „unter staatlicher Leitung stehen, jedoch im übrigen von der Privatwirtschaft geführt werden“. Die Dresdner Bank war mit einem Drittel an der Monopolgesellschaft beteiligt. Die ständige Federführung lag jedoch bei der Deutschen Bank. Die Kontinentale Öl AG expandierte rasch in Richtung Osten. Das Wirtschaftsministerium übertrug ihr die Ausbeutungsrechte für die reichen sowjetischen Erdölfelder. 1941 erhielt sie die Anweisung, spezielle Betriebe unter der Holding für die Plünderung verschiedener Ölregionen in den besetzten Gebieten aufzubauen, so für die baltischen Staaten.

Das einmütige Handeln von Staat und Wirtschaft zeigte sich auch im Einsatz des Werkschutzes in der Judenvernichtung außerhalb der betrieblichen Einrichtungen. Dafür wurde ein Werkschutzausbildungslager in Moderowka unweit von Krakau errichtet. Im Sommer 1942 fanden in diesem Distrikt zwei „Aussiedlungsaktionen“ der Gestapo statt. Der Außenstelle Jaslo des Kommandeurs der Krakauer Sicherheitspolizei wurden hierzu die Werkschutzmänner des Ausbildungslagers Moderowka unterstellt.

Nach dem Krieg ermittelte die DDR-Staatsanwaltschaft gegen ehemalige Werkschutzangehörige der Kontinentale Öl AG wegen von ihnen begangener Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Einer der Beschuldigten war Oberwachführer Herbert Schneider, Kompaniechef und Ausbilder im Lager Moderowka.

Die HASAG – einer der größten Munitionsproduzenten Europas – war eng mit der Dresdner Bank, die auch als „SS-Bank“ bezeichnet wurde, verflochten. Hohe und gut dotierte Positionen in der Verwaltung besetzte man auf Betreiben des Generaldirektors Budin und Himmlers mit ausgemusterten SS-Generälen. Auch im Werkschutz wurde früh auf die Kooperation mit der SS und dem SD gesetzt. 1938 stellte Budin den SS-Untersturmführer Axel Schlicht als Werkschutzleiter des Leipziger HASAG-Hauptwerkes ein. Im November 1939 schrieb Budin an SS-Hauptsturmführer Schallermeyer im persönlichen Stab Himmlers, es sei „dringend notwendig“, bei der Fabrik in Kamienna, die durch die HASAG und den berüchtigten Wehrwirtschaftsführer Röchling in Gang gebracht worden war, zwei Gestapo-Leute einzusetzen. Dort schufteten bislang 1000 polnische Zwangsarbeiter. Der Werkschutz sollte personell durch SS-Männer gestellt werden.

Im November 1939 schrieb Budin an den persönlichen Stab Himmlers, es wäre ihm „lieb, wenn Sie veranlassen würden, daß sofort 30 SS-Männer … freigemacht werden, um in Kamienna als unsere Werkschutzbeamten in der früheren polnisch-staatlichen Munitionsfabrik … eingesetzt zu werden“. Nachdem die polnischen Zwangsarbeiter ins „Reich“ deportiert worden waren, setzte die HASAG Juden zur Arbeit ein. Insgesamt überließ man ihr 25 000 „Arbeitsjuden“, von denen mehr als die Hälfte umkam. In Skarzysko-Kammiena hatte die HASAG drei Werke, in denen jeweils ein „Judenlager“ mit einem Lagerkommandanten aus der SS eingerichtet wurde. Für die Bewachung der Häftlinge war der 180 Mann umfassende Werkschutz zuständig. Die Frauen und Männer mußten täglich zwölf Stunden in der Granatenproduktion arbeiten. Besonders das Werk C galt als „Todesfabrik“. Jeden Tag starben dort 25 bis 60 Menschen. Die Arbeiter wurden von Meistern, Vorarbeitern und vor allem dem Werkschutz terrorisiert.

Die Brutalität und Mordlust brach sich in Ohrfeigen, Stockschlägen, der Mißhandlung mit Gummischläuchen, Stahlrohren, Riemen oder Brechstangen Bahn. 1943 erhängte der Werkschutz sechs Menschen auf dem Betriebshof. Er führte regelmäßige Selektionen durch. Im Anschluß brachte er die Arbeitsunfähigen und Kranken auf dem betriebseigenen Schießplatz um. Eine letzte große Selektion fand im Juli 1944 kurz vor dem Eintreffen der Roten Armee statt. In der Nacht zum 30. Juli unternahmen rund 250 Häftlinge des Werks C einen Fluchtversuch. Dieser scheiterte jedoch.

Fast alle Häftlinge wurden daraufhin in den umliegenden Wäldern vom Werkschutz ermordet.

Otto Wendland, der Sicherheitsdirektor und Werkschutzverantwortliche der Flugzeugwerke Junkers, führte – von der Firma beurlaubt – das Einsatzkommando 9 und das Sonderkommando 7 a der Einsatzgruppe B „vertretungsweise“ im mittleren Abschnitt der „Ostfront“. Bis Ende 1941 ermordete die Einsatzgruppe B allein in Belorußland mehr als 46 000 Juden. Ein Trupp des Einsatzkommandos 9 brachte im Mai und Juni 1942 über 12 000 Juden um, während das Sonderkommando 7a im rückwärtigen Gebiet der 253. Infanteriedivision Jagd auf Kommunisten, Juden und Roma machte. Nach seinem „Osteinsatz“ kehrte Wendland in seine alte Funktion bei Junkers zurück.

Der gekürzte und leicht redigierte Beitrag erschien im „Rundbrief“ 3/4 2013 der Bundesarbeitsgemeinschaft Antifaschismus der Partei Die Linke.