RotFuchs 210 – Juli 2015

Auschwitz war der
Inbegriff des Faschismus

Konstantin Brandt

In den ersten Jahren dieses Jahrtausends habe ich zweimal für eine Gruppe Jugendlicher aus Schwerin und Crivitz mehrtägige Fahrten zu den Konzentrationslagern Stutthof und Auschwitz (Oświęcim) organisiert. Zur Vorbereitung dieser für die Teilnehmer ungewöhnlichen Exkursionen, die gemeinsam mit der Friedrich-Ebert-Stiftung Schwerin organisiert worden waren, ergab sich die Möglichkeit, den beeindruckenden Film von Loring Mandel und Frank Pierson „Conspiracy“ („Die Wannseekonferenz“) zu sehen. Anschließend kam es zu einem Gespräch der Teilnehmer der Bildungsreise mit dem Überlebenden des Vernichtungslagers Auschwitz, Adam König. Für viele dieser jungen BRD-Bürger war es das erste Mal, daß sie von den Ursachen des Machtantritts und der menschenverachtenden Politik des deutschen Faschismus erfuhren.

Auf dem Weg nach Oświęcim suchten wir in Berlin die Gedenkstätte „Haus der Wannseekonferenz“ auf.

In Auschwitz waren wir Gäste der Internationalen Jugendbegegnungsstätte, die seit 1986 vielen tausend jungen Leuten nicht nur Quartier bietet, sondern auch Informationsquelle ist.

Schon vor der Fahrt waren von uns Arbeitseinsätze der Teilnehmer auf dem Gelände des Lagers ins Auge gefaßt worden. Die Ergriffenheit, aber auch das Nachdenken über Vergangenheit und Zukunft verstärkten sich am Ort des Geschehens.

In der freien Zeit nutzten wir die gut ausgestattete Bibliothek der Begegnungsstätte.

Dabei wäre das jetzt im Verlag edition ost erschienene Buch mit einem Text von Susanne Willems und Fotos von Frank und Fritz Schumann schon damals für uns von besonderem Wert gewesen.

Der Text ist chronologisch und inhaltlich klar strukturiert. Besonders wichtig erscheint mir, daß es in sich geschlossene Kapitel u. a. zu folgenden Themen gibt: Das Interessengebiet; Die I.G. Auschwitz; Massenvernichtung im Stammlager; Das Lager der sowjetischen Kriegsgefangenen; Der Aufbau des Lagers Birkenau; Die Massendeportation europäischer Juden nach Auschwitz; Das Frauenlager; Sinti und Roma in Auschwitz-Birkenau; Konspiration und Revolte; Die Befreiung; Das Museum Auschwitz-Birkenau.

Es ist sehr beeindruckend, welche Fülle an Material Susanne Willems, Jahrgang 1959, bekannt aus der Aktion Sühnezeichen, heute am Lehrstuhl für deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts der Berliner Humboldt-Universität tätig, zusammengetragen und aufgearbeitet hat, so daß daraus ein sehr informatives Buch geworden ist. Obwohl ich schon viel über dieses Lager wußte, sind die neuen Erkenntnisse erschütternd.

Einer Aussage der Autorin vermag ich allerdings nicht zu folgen. Auf dem Einbanddeckel des Buches liest man: „Die Verbrechen in Auschwitz verjähren nicht. Es ändert sich der Blick. Je länger geforscht wird, um so mehr erfahren wir. Wer verfolgte dort welche Interessen? Wer verdiente am Massenmord und womit? Begründete und wichtige Fragen, die lange nicht gestellt wurden, weil Trauer und Zorn überwogen.“ Dies trifft zwar auf die Geschichtsschreibung der BRD, nicht aber auf die Faschismusforschung der DDR zu.

In diesem Zusammenhang muß ich an den Auschwitz-Überlebenden Kurt Goldstein erinnern, dem gerade der Zusammenhang zwischen dem Völkermord der Faschisten, den Vernichtungslagern und dem Wesen des Imperialismus wichtig war.

Im Buch wird vieles über den Widerstand polnischer politischer Häftlinge vermittelt. Kurt Goldstein, dessen Freundschaft ich gewann, beschreibt den Widerstandskampf auf der von Auschwitz betriebenen Grube Jawischowitz, der besonders von deutschen Kommunisten organisiert wurde.

In dem 1999 erschienenen Buch von Rosemarie Schuder und Rudolf Hirsch „Nr. 58866 ,Judenkönig‘“ stellt Kurt Goldstein fest: „Ich bin ein jüdischer Kommunist. Jude zu sein, das ist ein Stück meiner kulturellen, und Kommunist zu sein, Teil meiner politischen Identität.“

Eine Rezension des hier besprochenen Buches wäre ohne Würdigung der hervorragenden Fotos – sowohl unter technischem Gesichtspunkt als auch hinsichtlich der Motivauswahl – unvollständig. Man sieht, daß zwei Fotokünstler am Werke waren, die verschiedenen Generationen angehören.

Dieses Buch ist zur rechten Zeit erschienen. Der Wiederaufstieg des in der alten BRD nie überwundenen Faschismus sowie dessen Vormarsch im Baltikum, der Ukraine, Polen und Ungarn, aber auch in west- und südeuropäischen Staaten wird von den Medien gezielt verharmlost, während man das Feuer auf die Idee des Kommunismus lenkt. Dagegen ist Widerstand zwingend geboten.

Susanne Willems (Text),
Frank und Fritz Schumann (Fotos):

Auschwitz – Die Geschichte des Vernichtungslagers

edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2015
ISBN 978-3360018663

29,99 €