RotFuchs 204 – Januar 2015

Brasilien: Zweite Amtszeit für Dilma

Peter Steiniger

Eine Ära nimmt ihren Fortgang: Bereits zum vierten Mal in Folge konnte in Brasilien die Arbeiterpartei (Partido dos Trabalhadores, PT) die Präsidentschaftswahl für sich entscheiden. In der Stichwahl am 26. Oktober 2014 entfielen auf Amtsinhaberin Dilma Rousseff – in Brasilien meist nur Dilma genannt – 51,6 Prozent der Stimmen. Damit hat sie auch in der neuen Legislaturperiode, die am 1. Januar begann, als Staats- und Regierungschefin im Palácio do Planalto der Hauptstadt Brasília das Sagen.

Rousseff wurde im Wahlkampf von einer Koalition aus neun Parteien sowie von den großen Gewerkschaftsverbänden unterstützt. In der entscheidenden Runde siegte sie über den Kandidaten der konservativen und unternehmernahen PSDB (Partei der Brasilianischen Sozialdemokratie) Aécio Neves, der von einem Mitte-Rechts-Bündnis getragen wurde und die massive Unterstützung der privaten Großmedien hatte. Der frühere Gouverneur des wichtigen Bundesstaates Minas Gerais kam auf 48,4 Prozent. Es war bereits das vierte aufeinanderfolgende Duell zwischen PT und PSDB um die Präsidentschaft.

Die knappste Entscheidung seit der Rückkehr des größten Landes Südamerikas zur Demokratie vor mehr als einem Vierteljahrhundert widerspiegelt die starke Polarisierung der politischen Lager. Das Abschneiden der beiden Kandidaten ist regional durchaus verschieden. Am klarsten gewann Dilma Rousseff in den weniger entwickelten Bundesstaaten des Nordens und Nordostens.

»Ich weiß, daß ich wieder zur Präsidentin gewählt wurde, um die großen Veränderungen herbeizuführen, welche die brasilianische Gesellschaft fordert«, erklärte Rousseff am Wahlabend. An erster und wichtigster Stelle stehe dabei die politische Reform. Ziel dieses von der Präsidentin angestrebten Projekts sind transparenter und effizienter arbeitende Volksvertretungen. In Brasilien funktioniert Politik stark personalisiert, wobei die Parteien häufig nur als austauschbare Vehikel persönlicher Machtambitionen fungieren. Sie ist von Korruption und Vetternwirtschaft durchsetzt. Auf diesem Boden wächst die Unzufriedenheit.

Zwar konnten dank der Sozialprogramme der PT-Regierungen Millionen Brasilianer in die unteren Mittelschichten aufsteigen und in zuvor nie gekanntem Maß am Konsum teilnehmen, was die immense Schere zwischen Arm und Reich etwas verringerte und den Hunger aus dem Leben der Ärmsten weitgehend verbannte. Dennoch bleiben viele Mißstände unbewältigt. Eine abgeschwächte Wirtschaftskonjunktur und steigende Lebenshaltungskosten machen den Menschen arg zu schaffen. Die Megastädte leiden unter enorm hoher Kriminalität und Gewalttätigkeit, die öffentliche Bildung und das Gesundheitswesen befinden sich weiterhin auf dem Niveau der Dritten Welt, der städtische Nahverkehr ist vielerorts katastrophal. 2013 kam es deshalb zu Massenprotesten, die ihren Anfang in Aktionen gegen Fahrpreiserhöhungen hatten und sich schnell auf weitere Themenkomplexe ausdehnten. Wut über viele Milliarden Steuermittel für Fußball-WM und Olympia in Rio de Janeiro 2016, die zum Teil in dunklen Kanälen versickerten, brach sich Bahn.

Die rechtslastigen Medien versuchen seitdem, den Unmut der Bevölkerung gegen die PT-Regierung und die Präsidentin zu kanalisieren. Die junge Generation hat keine eigenen Erfahrungen mehr mit den neoliberalen Vorgängern der inzwischen etablierten PT machen können. Besonders hier fand Dilmar Rousseffs Herausforderin Marina Silva, die sich als »dritte Kraft« inszeniert hatte, Anklang. Die evangelikale Umweltpolitikerin war im ersten Wahlgang ausgeschieden und hatte ihre Anhänger zum Votum für den Rechtskandidaten aufgerufen. Doch viele davon wollten es bei einem Denkzettel für die PT belassen.

Im Wahlkampf hatte Rousseff die Notwendigkeit betont, mehr reale Veränderungen durchzusetzen und die Lebenssituation der Bevölkerung auch fortan zu verbessern. Sie sieht sich dabei einer erstarkten rechten Opposition gegenüber. Mit einem offensiven Wahlkampf ist es der Präsidentin jedoch gelungen, weiter aus dem Schatten ihres populären Amtsvorgängers „Lula“ da Silva herauszutreten.