RotFuchs 236 – September 2017

Das Betriebsrentengesetz –
eine Erfindung der SPD

Reiner Neubert

Die SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles hat kurz vor der Bundestagspause ein Betriebsrentengesetz eingebracht, bei dem man sich fragen muß, wer ihr das in die Feder diktiert hat. Wer von den hohen Würdenträgern in der SPD konnte denn auf derart lebensfremde Ideen kommen? Essens- und Einkaufsgutscheine – was haben diese mit einer späteren Rente zu tun? Oder waren hier Einflüsterer großer Privat­versicherer am Werk? Vor Jahren tourte ein Prof. Raffelhüschen von der Uni Freiburg durch alle Talkshows und pries die private Rentenversicherung als die sicherste aller Vorsorgen. Offensichtlich gingen ihm hauptsächlich junge Menschen auf den Leim. Er tat das nicht für die späteren Rentenempfänger, sondern für die Versicherungs­konzerne, die ihm vermutlich die Spesen bezahlten. Nachdem er sein Werk für die Versicherer vollbracht hat, ist der Herr völlig in der Versenkung verschwunden. Eben­so Herr Renten-Riester als früherer SPD-Minister. Übrig bleibt ein Rentenstückwerk, dem jetzt nochmals der „letzte Schliff“ gegeben wird, und ein derart verklausuliertes Machwerk, das der Normalverbraucher so schnell nicht durchschaut, auch nicht durchschauen soll. Schon gar nicht vermag er sich die späteren Auswirkungen vorzu­stellen. Deshalb sind Vermittlerunternehmen zwischengeschaltet, die in blumen­reicher und nebulöser Sprache die Vorzüge darzustellen versuchen. Die Kosten trägt der Rentenanleger.

Niedrig- und Geringverdiener sollen privat für ihre Rente vorsorgen und vom Ver­dienst, welcher schon gegenwärtig kaum zum Leben reicht, einen Vorsorgebetrag abzweigen, den sie einem privaten Kapitalanleger zum Zocken zur Verfügung stellen. Wer weiß denn heute als 25jähriger, wie die Welt in 30, 40 oder 50 Jahren aussieht? Garantien sieht das Gesetz nicht vor. Es kann also durchaus sein, daß sich mit Renteneintritt rückblickend der gesamte Aufwand für den Rentenempfänger nicht gelohnt hat, weil sich die Anleger verzockt haben und von dem eventuell verbleiben­den Rest Steuern und Sozialbeiträge abzuführen sind – ein Nullsummenspiel, wenn man Pech hat. Es ist genauso ein Elendsmodell wie die vormalige Riesterrente.

Das einstmals funktionierende Vorsorgeprinzip des Staates wird Schritt für Schritt ausgehebelt und dem Bürger überlassen. Man beklagt die Überalterung der Gesell­schaft und übersieht geflissentlich, daß das Rentenproblem einfacher zu lösen wäre. Aber die SPD traut sich nicht.

Das neue Betriebsrentengesetz widerspricht dem, was Kanzlerkandidat Martin Schulz vollmundig verspricht – mehr Gerechtigkeit. Wo ist denn die Gerechtigkeit, wenn dem Niedrig- und Geringverdiener in die Tasche gefaßt und ihm eine Privatvorsorge vorge­gaukelt wird, die mit höchster Wahrscheinlichkeit so niemals eintreten wird. Die Un­wägbarkeiten in einem nicht überschaubaren Zeitraum von Jahrzehnten sind derma­ßen unberechenbar, daß das auch und erst recht eine Bundesregierung erkennen müßte.

Die SPD war der Durchpeitscher der Hartz-IV-Gesetze. Wieder einmal zeigte sie sich von der „arbeiterfreundlichen“ Seite. Doch deutsche Sozialdemokratie und Arbeiter­partei, respektive „Partei der kleinen Leute“, passen heute so wenig zusammen wie zwei linke Latschen. Sozialdemokratische Arbeiterpartei ist längst Geschichte. Das liegt mehr als 100 Jahre zurück.

Die DDR wirkte einstmals als Korrektiv zu den herrschenden Verhältnissen in der Alt-BRD; sie saß – wie Gewerkschafter es ausdrückten – bei Tarifverhandlungen als un­sichtbarer Dritter mit am Tisch. Jetzt, wo es sie nicht mehr gibt, werden die sozial­politischen Folgen immer offensichtlicher.