RotFuchs 231 – April 2017

Das Erbe des Friedensnobelpreisträgers

Martin Kunze

Es dürfte nur eine Minderheit der Weltbevölkerung gewesen sein, die mit dem Amtsantritt von Barack Obama nicht auf Entspannung, auf eine friedlichere und gerechtere Entwicklung in der Welt gehofft hatte. Das Resultat acht Jahre später enttäuschte die Hoffnungen. Die globale Expansion der Großkonzerne erreichte neue Größenordnungen, die Zahl neuer Kriege und deren Opfer stieg an, die Rolle der USA als Weltgendarm wurde ausgebaut. Mit zum Teil massiver Präsenz der US-Streitkräfte sowohl in den wichtigsten Randregionen der Erde als auch im Zentrum Europas sowie mit bi- und multilateralen Verträgen sollen die Sicherheit des Landes ebenso wie dessen sofortiges Eingreifen an jedem Konfliktpunkt der Erde ermöglicht werden.

80 000 US-Soldaten sorgen sich um die Verteidigung Europas, insbesondere um dessen „Schutz gegen Rußland“. Zugehörig sind die 6. Flotte in Italien u. a. mit zwei Flugzeugträgern und vier Atom-U-Booten. Im Nahen Osten sind 28 000 Soldaten in den Golfstaaten und die 5. Flotte in Bahrain stationiert gegen „Angriffe aus dem Iran“ und gewährleisten den freien Fluß von mehr als 30 % der weltweiten Erdöl- und etwa 16 % der Gasexporte in Richtung „freie Welt“. Einsatzbereite Flugzeugträger patrouillieren permanent im Persischen Golf. Mit 28 000 US-Soldaten im Bereich der Demarkationslinie zu Nordkorea und 45 000 Mann in mehr als 20 Stützpunkten sowie der 7. Flotte in Japan werden die US-Interessen im asiatisch-pazifischen Raum vor allem gegen China gestützt. Dabei tragen Südkorea 40 % und Japan 75 % der entsprechenden Kosten.

„Warnung an China“ nannte Obama die Einrichtung von Stützpunkten in Darwin und Perth/Australien. Fünf neue Basen auf den Philippinen, die Verlegung mehrerer Flugzeugträger und anderer Marineeinheiten in Richtung Pazifik sollen in Südostasien die „Freiheit der Schiffahrt“ u. a. im Südchinesischen Meer garantieren.

Etwa 50 000 GIs in mehr als 250 Stützpunkten bilden das Nervenzentrum der U.S. Army außerhalb der Staaten. Ramstein, mit Luftwaffen­haupt­quar­tier Eu­ro­pa, Raketenabwehrzentrum der NATO und Schaltstelle der Führung des weltweiten Droh­nen­krieges, ist die größte Militärbasis außerhalb der USA. In Stuttgart residiert neben dem US-Haupt­quartier Eu­ropa auch die Führungsstelle für US-Militäreinsätze in Afrika, Afrikom. In der Westpfalz entsteht das größte US-Militärhospital. Und als sei das alles nicht genug, schuf Obama gegen Ende seiner Amtszeit einige zusätzliche Fakten, die verdeut­li­chen, daß die globalen Ziele auch dieses Präsidenten sich in keiner Weise von denen seiner Vorgänger unterschieden. Die von den USA dominierte NATO begann mit der „rotierenden“ Stationierung von 4000 Soldaten mit Kampftechnik an den Grenzen Rußlands. In deren Hintergrund steht eine „schnelle Eingreiftruppe“ mit 25 000 Soldaten bereit. Und noch im letzten Monat seiner Dienstzeit ließ der Präsident eine US-Panzerbrigade mit 4000 Mann und 87 „Abrams“-Panzern nach Polen sowie zwei Dutzend modernster „Apache“- Kampfhubschrauber nach Deutschland verlegen. Die Welt könnte darüber glatt vergessen, daß der Nobelpreisträger nicht einmal eines seiner propagierten Hauptziele durchsetzte: die Schließung des berüchtigten Militärgefängnisses in Guan­tánamo auf Kuba. Daß der seit langem geforderte Abzug amerikanischer Kernwaffen von deutschem Boden noch immer nicht erfolgte, fällt angesichts aller anderen angeführten Fakten kaum noch ins Gewicht.

Eines der bekanntesten Blätter der USA, die „New York Times“, zitierte in einer Nachbetrachtung die Worte eines militärpolitischen Insiders: „Wo immer die USA in den letzten Jahren in der Welt verhan­delten – der Schatten ihrer militärischen Macht fiel auf jede Seite der unterzeichneten Papiere.“ Und: „Damit die Globalisierung funktioniert, muß Amerika immer als Supermacht handeln.“

Alfred Nobel bestimmte in seinem Testament, daß der Friedenspreis an jene Person gehen sollte, die „die meiste oder beste Arbeit für die Verbrüderung von Nationen, für die Abschaffung oder Reduzierung stehender Armeen und für das Durchführen und Fördern von Friedenskongressen geleistet hat“.

Aus: Emil Bobi, Der Friedensnobelpreis – Ein Abriß. Ecowin-Verlag, Salzburg 2015