RotFuchs 230 – März 2017

Der Richterspruch zur NPD,
ein krasses Fehlurteil

RotFuchs-Redaktion

„Die NPD ist zu schwach, um sie zu verbieten“, urteilte Karlsruhe. Das paßt in das Gesamtbild dieser Bundesrepublik. Seit ihrer Gründung gab es nur ein einziges Parteienverbot, nämlich das gegen die KPD, also gegen jene Partei, die am entschiedensten gegen den deutschen Faschismus gekämpft und auch die meisten Opfer gebracht hat. Demgegenüber brauchten rechtsextreme Parteien und Gruppierungen nie ein Verbot zu fürchten. So auch nicht die Landsmannschaften, welche die Revision der Nachkriegsgrenzen forderten, wozu es eines weiteren Krieges bedurft hätte. Wie sollte ein solches Verbot auch zustande kommen, wo doch Altnazis über Jahrzehnte in der BRD über großen Einfluß verfügten? Das Urteil von Karlsruhe zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte dieses Staates.

Jürgen Förster, Dresden

Es empört mich, daß das Bundesverfassungsgericht zum zweiten Mal ein NPD-Verbot ablehnte. Dessen Meinung nach sei sie zwar verfassungsfeindlich, aber nicht staatsgefährdend. Sehen die Richter in Karlsruhe nicht, wie rasant sich die Faschisierung in Deutschland ausbreitet?

Ich habe Faschismus und Krieg erleben müssen. Mein Vater wurde 1934 verhaftet, meine Mutter mußte mit drei Kindern in der Landwirtschaft und als Putzfrau arbeiten, damit wir was zu essen hatten und die Miete bezahlt werden konnte. Nur mit solidarischer Hilfe von Antifaschisten haben wir das geschafft.

Nach dem Krieg ging es in der BRD mit der Verfolgung weiter. 1956 wurde die KPD erneut verboten, die FDJ schon 1952. Ich erinnere mich, daß in der Freien Deutschen Jugend vor allem auch jüdische junge Menschen, die vor den Nazis flüchten konnten, eine zentrale Rolle spielten. Sie kamen aus Frankreich und England, wohin sie zu ihrem Schutz vor den Faschisten mit Kindertransporten gebracht worden waren. Mein Mann Robert war nach dem Krieg aktiv in der Gewerkschaft Bergbau, in der FDJ und der KPD. Er wurde damals vom Nazi-Richter Hünerschulte am Dortmunder Landgericht zu 18 Monaten Haft verurteilt. Dieser Richter war einer von den vielen Staatsbediensteten, die in der BRD – trotz ihrer bekannten braunen Vergangenheit – wieder zu Amt und Würden gelangten.

Wir haben unser Leben lang in der Friedensbewegung und der VVN gearbeitet. Als Kommunisten fühlen wir uns mitverantwortlich, den Schwur der KZ-Überlebenden einzulösen: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg! Das Karlsruher Urteil bagatellisiert eine Gefahr, von der viele auch 1933 meinten: Es wird schon nicht so schlimm kommen …

Marianne Konze, Gelsenkirchen

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe hat die rechtsextreme NPD trotz erwiesener Verfassungsfeindlichkeit nicht verboten. Dazu schreibt die „Süddeutsche Zeitung“ (München):

Für die Richter ist ein Verbot aufgrund Verfassungswidrigkeit eine Frage der Zahl: Es zählen Wahlergebnisse, es zählt nicht der Wille der Partei, Grundordnung und Grundwerte zu beseitigen; es zählt nur, ob sie auch die realistische Möglichkeit hat, dieses Ziel zu erreichen. Eine solche Zählung ist falsch: Eine Demokratie, die sich erst wehrt, wenn es hochgefährlich wird, ist keine wehrhafte, sondern eine naive Demokratie. … Die NPD hätte verboten werden können und müssen – nicht, obwohl sie derzeit klein und bei Wahlen unbedeutend ist, sondern gerade deswegen. … Karlsruhe hätte am Beispiel der kleinen NPD sagen können: Da wird eine Linie weit überschritten. Das wäre nicht etwa lächerlich gewesen, sondern gerade in Zeiten des aggressiven Rechtspopulismus notwendig und vorbildlich.

Das Präsidium der Lagergemeinschaft Dachau äußerte zum Urteil:

Das Bundesverfassungsgericht befindet in seinem Urteil jetzt treffend die Wesensverwandtschaft der NPD mit der NSDAP. Wie kann es aber diese klare Erkenntnis haben und gleichzeitig eine solche Partei nicht verbieten? Auch wenn viele der rechtsextremen NPD-Mitglieder inzwischen in andere Organisationen wie die AfD abgetaucht sind und dadurch die NPD an sichtbarer Bedeutung verloren hat, so sät diese Partei doch ihren Haß in diesen neuen aggressiv-rechtspopulistischen Organisationen um so wirksamer weiter und trägt zu einer spürbaren Verrohung unserer Gesellschaft bei. Ein Verbot wäre ein eindeutiges Signal gegen den Haß, ein Aufruf zum dringend notwendigen Schutz all derer, welche von den Angriffen dieser Neonazis heute betroffen sind, und eine ethische Orientierung für die Gesamtgesellschaft.