RotFuchs 223 – August 2016

Die PDL fordert: Frieden mit Rußland –
Nein zu Faschismus und Krieg!

RotFuchs-Redaktion

Vor 75 Jahren, am 22. Juni 1941, überfiel das faschistische Deutschland die Sowjetunion. 153 Divisionen der Wehrmacht mit 3 Millionen Soldaten fielen über das Land her. Hinzu kamen Soldaten der mit Hitler-Deutschland verbundenen Staaten Rumänien, Ungarn, Finn­land, Slowakei und Italien. Knapp vier Jahre kämpfte die Rote Armee gemeinsam mit den anderen Alliierten und dem antifaschistischen Widerstand in ganz Europa gegen diese Bar­barei. Die Sowjetunion trug die Hauptlast bei der Zerschlagung des Faschismus. 27 Millio­nen Sowjetbürger wurden Opfer des Vernichtungskrieges. 14 Millionen Zivilisten, darunter 2 Millionen sowjetische Juden, überlebten die faschistische Barbarei ebensowenig wie 2 Millionen sowjetische Kriegsgefangene.

8 von 10 in Sowjetrußland am Ende des 1. Weltkrieges geborene Männer wurden Opfer des Krieges. Allein die Blockade von Leningrad kostete über 1 Million Menschen das Le­ben. In Belarus wurden 628 Dörfer dem Erdboden gleichgemacht und die Einwohner bes­tialisch ermordet. Die Wehrmacht hinterließ 2 Millionen Quadratkilometer verbrannte Erde.

So monströs diese Zahlen sind, bleiben sie doch fast hilflos gegenüber dem unfaßbaren Leid, das der rassistische Vernichtungskrieg verursacht hat. Unterstützt und mit geplant war er von den Größen der deutschen Industrie und der Banken, die die Machtübernahme der Faschisten gefördert und von ihr profitiert haben. Sie haben Hitler finanziert und seine Propaganda verbreitet, die Kriegsgefangenen haben sie als Sklaven gehalten und ausge­beutet, sie haben die Waffen an die Ostfront geliefert und die Särge gleich mit. Sie wußten, was sie taten, und sie kannten die Methoden der Kriegsführung. (…)

Aus dieser finstersten Zeit deutscher Verbrechen in Europa gibt es nur eine Lehre: Nie wieder Faschismus – Nie wieder Krieg!

Die Beziehungen zu Rußland müssen dringend wieder verbessert werden

Über geschichtliche Verantwortung und die Notwendigkeit, die deutsch-russischen Bezie­hungen zu verbessern, muß heute geredet und nachgedacht werden. Konsequenzen aus der rapiden Verschlechterung der Beziehungen sind vonnöten. Nach Jahrzehnten des Schweigens ist endlich durchgesetzt worden, die Shoa als einzigartiges, monströses Verbrechen an den europäischen Jüdinnen und Juden anzuprangern. Das war und ist abso­lut notwendig und richtig. Ebenso anzuprangern ist die Vernichtung von 27 Millionen Bür­gerinnen und Bürgern der Sowjetunion, von denen die meisten Russen waren. Den Re­spekt vor den Ermordeten, ihren Familienmitgliedern und den Überlebenden fordern wir dringend ein. Wir erwarten, daß das Trauma von Russinnen und Russen, von Bürgerinnen und Bürgern anderer ehemaliger Sowjetrepubliken angesichts der von ihnen erbrachten gewaltigen Opfer ernst genommen wird.

Schon allein der Respekt vor den Opfern erfordert gerade von Deutschland eine Politik der zivilen Kooperation mit Rußland. Gute Beziehungen zu Rußland sind im Interesse aller eu­ropäischen Staaten. Gemeinsame Sicherheit in Europa muß das Interesse aller Staaten auch im Osten Europas sein. Dafür sind gute Beziehungen und eine kluge Nachbarschafts­politik gegenüber Rußland notwendig. Kollektive Sicherheit in ganz Europa kann auch dazu beitragen, den Konflikt um die Ukraine zu entspannen.

Statt dessen hat das Verhältnis zwischen Deutschland und Rußland einen Tiefpunkt er­reicht. Ein Cordon sanitaire seitens der NATO um Rußland sollte nicht Politik der Bundes­regierung sein. Die Ausweitung der NATO durch weitere Mitgliedsländer auf dem Balkan und im Osten Europas kann vorhandene Konflikte weiter anheizen. (…)

Deshalb: Sechs Vorschläge für eine zivile europäische Entspannungspolitik

Erstens: Der Versuch, Rußland zu isolieren, muß zugunsten eines Systems der europäi­schen Sicherheit aufgegeben werden. Als erster Schritt zur Schaffung eines europäischen Sicherheitssystems unter Einbeziehung Rußlands muß die weitere Ausdehnung der NATO und die Stationierung von NATO-Einheiten an der russischen Westgrenze beendet werden. Die Erhöhung des Rüstungsetats der NATO-Staaten – gefordert werden 2 % des Bruttoinlandproduktes – muß gestoppt werden. Gerade jetzt, da die Kriegsgefahr durch das Agie­ren des westlichen Militärbündnisses gestiegen ist, muß Deutschland aus den militäri­schen Strukturen der NATO austreten und die Bundeswehr dem Oberkommando der NATO entzogen werden.

Zweitens: Dem Sicherheitsbedürfnis aller europäischen Staaten einschließlich Rußlands ist zivil Rechnung zu tragen. Dafür bieten die Schlußakte von Helsinki 1975 und die OSZE-Charta von Paris für ein neues Europa 1990 wichtige Ausgangspunkte. In diesem Sinne soll Deutschland zur Stärkung der OSZE, deren Vorsitz die Bundesrepublik 2016 übernom­men hat, beitragen. Überall in Europa muß dem Rassismus und Nationalismus entgegen­getreten werden. Militärische Konfrontation ist auch ein Nährboden für Nationalismus und Rassismus, in Ost und West, in Rußland wie in Frankreich und auch in Deutschland. Mili­tärische Konfrontationen liefern die Begründung für Aufrüstung und Demokratieabbau, für die Schaffung staatlicher und nichtstaatlicher Feindbilder.

Drittens: Das Völkerrecht ist neu zu beleben. Gerade sein Bruch bei der Abspaltung des Kosovo von Serbien und die Sezession der Krim mahnen nachdrücklich dazu. Für alle Staa­ten in Europa muß gelten: Verzicht auf Gewalt und die Androhung von Gewalt, unbeding­ter Respekt der politischen und territorialen Integrität der Staaten in Europa.

Viertens: Schritte zur europäischen Entspannung sollten die Autorität der Vereinten Natio­nen, globale Abrüstung und Gerechtigkeit wiederbeleben. Dies kann nur gelingen, wenn ein neues Vertrauensverhältnis zu Rußland aufgebaut wird. Das ist auch von grundlegender Bedeutung, um die Beendigung der Gewalt im Nahen und Mittleren Osten und ein tatsäch­liches Ende des Krieges in Afghanistan zu erreichen.

Fünftens: Die Ukraine braucht Frieden, Demokratie und eine Entmachtung der Oligarchen. Der Weg dorthin muß unterstützt werden. Eine militärische Lösung der schweren Krise in der Ukraine darf es dagegen nicht geben. Das Abkommen Minsk II muß eingehalten wer­den. Eine darin vereinbarte Verfassungsreform, humanitäre Hilfe und die Einstellung be­waffneter Feindseligkeiten sollen von der EU in Abstimmung mit Rußland politisch beglei­tet werden. Die Ukraine soll weder der Europäischen Union noch der NATO beitreten bzw. in diese Organisationen aufgenommen werden. Nationalistische Organisationen, ein­schließlich sogenannter Freiwilligenbataillone, sind zu verbieten und zu entwaffnen. Neofaschistische Propaganda und die Gewalt gegen Andersdenkende müssen eingestellt wer­den. Zum Verfassungsprozeß gehört auch die Stärkung föderativer Staatselemente.

Sechstens: Die sinnvolle europäische Alternative ist ein grundlegender Kurswechsel in Rich­tung sozialer Gerechtigkeit, Entspannung und Frieden, von Ausbau und Vertiefung der De­mokratie, Frieden mit Rußland und einer nicht gewaltsamen Lösung der Ukraine-Krise. Alle politischen und wirtschaftlichen Sanktionen gegen Rußland sind aufzuheben. Dafür sollte Deutschland in der EU die Initiative ergreifen. Sonst besteht die Gefahr eines großen Krieges in Europa, einer militärischen Konfrontation NATO/USA gegen Rußland. Diese Gefahr muß erkannt, und ihr muß entschieden entgegengetreten werden. Eine europäische Friedensbe­wegung ist heute dringend nötig. Eine neue Konferenz für Sicherheit und Entspannung  „Helsinki plus 40“ – muß in Angriff genommen werden. Diese Staatenkonferenz soll durch zivilgesellschaftliche Akteure, Friedensbewegungen, antifaschistische Organisationen sowie ökologische und soziale Initiativen begleitet und vorangetrieben werden. Dies zu befördern ist Aufgabe einer neuen deutschen und europäischen Ostpolitik.

Aus dem Beschluß des 5. Parteitages der Partei Die Linke
(Magdeburg, 28. Mai 2016)