RotFuchs 223 – August 2016

„Erwartungen“ an die AfD

Rico Jalowietzki

Interview an einer Imbißbude irgendwo in Sachsen-Anhalt nach der Landtagswahl: „Wen haben Sie denn gewählt?“, fragt der Reporter. „Na, hier die ARD“, antwortet der Angesprochene. „AfD“, korrigiert der Imbißbuden-Besitzer. „Und warum haben Sie die AfD gewählt?“, will der Journalist wissen. „Was erwarten Sie von dieser Partei?“ „Nüscht“, kommt als knappe Antwort. „Und wieso haben Sie dann bei dieser Partei ihr Kreuz gemacht?“, hakt der Fragende nach. Achselzucken. „Na, die anderen machen doch ooch nüscht, also hier die CDU, die SPD und die SED.“

Wer nun denken mag, daß es sich hierbei um einen aktuellen politischen Witz handelt, irrt. Einen Bericht mit ungefähr diesem Dialog hörte ich in einem der Morgenmagazine des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Auch um sich derart gesammelten Stuß anhören zu dürfen, müssen jedes Quartal 52,50 Euro bezahlt werden. Und daß die SED seit 26 Jahren gar nicht mehr ins politische Geschehen eingreifen kann, scheint in Sachsen-Anhalt noch nicht überall angekommen zu sein.

Aber was kann man denn nun von dieser AfD, die manchen als neues politisches Lieblingskind der deutschen Bourgeoisie gilt, erwarten?

Ursprünglich hatte die AfD für Arbeiter und Angestellte ein ganz besonderes Bonbon auf Lager. Die staatliche Arbeitslosenversicherung sollte abgeschafft und durch eine private Vorsorge ersetzt werden. Wer sich diese nicht hätte leisten können, wäre künftig dann gleich bei Eintritt in die Erwerbslosigkeit unter die entwürdigenden Mahlsteine der Hartz-IV-Mühle geraten. Als jedoch nach den Landtagswahlen im Frühjahr deutlich wurde, daß insbesondere Arbeiter und Arbeitslose die AfD gewählten hatten, wurde dieses Ansinnen schnell wieder unter den Teppich gekehrt. Dort kann man es notfalls auch wieder hervorkramen, sollte man jemals an die Schalthebel der Macht in der BRD gelangen. Das wäre dann bei weitem nicht der erste Wahlbetrug, dem sich die Bevölkerung dieses Landes ausgesetzt sähe.

Derweil hat sich Frauke Petry nun die Rentner als neue Opfergruppe für ihre gnadenlose Sozialpolitik erwählt und spricht von „brutalen“ Rentenreformen, die in der BRD notwendig seien. Allein diese Wortwahl zeugt davon, wes Geistes Kind diese Frau ist. Verlängerung der Lebensarbeitszeit, drastische Rentenkürzungen und noch höhere Strafbeiträge für Kinderlose empfindet die AfD-Chefin als notwendige Schritte, um den Kapitalismus hierzulande zu sanieren. Dabei möchte man sich den 70jährigen Dachdecker bei der Arbeit in luftiger Höhe oder den 75jährigen Chirurgen während einer sechsstündigen Operation lieber erst gar nicht vorstellen. Frauke Petry würde sich in diesem Alter natürlich immer noch an einem Stuhl im Bundestag oder im sächsischen Landtag irgendwie festhalten können.

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion in Sachsen hat übrigens in Thüringen einen Amtskollegen, der als Leitfigur des rechten AfD-Flügels angesehen werden kann: Björn Höcke. Der beurlaubte Lehrer für Sport und Geschichte träumt von einer Drei-Kind-Familie als Pflicht in der BRD. Seinen vier Kindern wird dieser Mann sicherlich ein annehmbares Leben bieten können. Doch angesichts der Tatsache, daß gegenwärtig in der BRD etwa 1,5 Millionen Mädchen und Jungen in Armut aufwachsen müssen, drängt sich eine Frage auf: Wie viele Kinder sollen es denn noch werden? Ein kinderfreundliches Land sieht anders aus. Die BRD in ihrer derzeitigen Verfaßtheit ist es nicht.

Durch kalkulierte verbale „Ausrutscher“ glänzen AfD-Politiker fast fortwährend. Besondere Brisanz hat dabei ein Zitat von Frauke Petry. Dabei war in bezug auf BRD-Grenzen und die „Flüchtlingswelle“ aus dem Nahen Osten von der Notwendigkeit des Waffengebrauchs die Rede. In der medialen Welt vernahm man nur einen kurzen Aufschrei, dann war wieder Ruhe im Saal.

Beatrix von Storch (Beatrix Amelie Ehrengard Eilika von Storch, geborene Herzogin von Oldenburg) bedient allein durch ihre Anwesenheit in der deutschen Politik die Sehnsucht der „Yellow Press“-Leser nach ein wenig Adel in staatstragenden Positionen. Ihrer Familientradition verpflichtet, dürfte die Rechtsanwältin aber wohl eher für ein Deutschland stehen, wie es vor 1848/49 existierte.

Das Verhältnis zwischen Medien und AfD ist ein besonderes. Die bürgerliche Presse tut sich schwer im Umgang mit dieser Partei, da es durchaus Schnittmengen zwischen der AfD und der Pegida-Bewegung gibt. Einerseits haben sie am Pegida-Vorwurf der „Lügenpresse“ schwer zu beißen, andererseits steht manchem Moderator ein kleines Lächeln auf den Lippen, wenn er verkünden darf, daß nach Meinungsumfragen die AfD bei Wahlen bundesweit bis zu 15 Prozent einfahren würde. Da schwingt mitunter ein unhörbares „endlich“ mit.

Sollten die Träume der AfD einmal wahr werden, könnte es sein, daß bürgerliche Journalisten versuchen, ihren Job durch vorauseilende Anpassung zu retten.