RotFuchs 231 – April 2017

Eugen Drewermann:
„Geld, Gesellschaft und Gewalt“

Wolfgang Beutin

Eugen Drewermann: „Geld, Gesellschaft und Gewalt“

Drewermanns neues Buch – der erste Band des zweibändig geplanten Werks „Kapital und Christentum“ – ist ein leidenschaftliches Plädoyer gegen das aktuell weltweit herrschende System der politischen Ökonomie (Papst Franziskus spricht von „Wirtschaft des Todes“). Es steht in einer Reihe mit vergleichbaren Aufrufen der letzten Jahre, darunter: von Stéphane Hessel  „Empört euch!“, 2010, von demselben (zusammen mit Edgar Morin) „Wege der Hoffnung“, 2012; von Jean Ziegler „Ändere die Welt!“, 2015, und aus dem Jahre 2015 die Enzyklika des Papsts „Laudato si’ “. Die Autoren allesamt beschäftigt derselbe Sachverhalt, von dem Drewermann urteilt: „Tatsächlich gibt es kein dynamischeres, will sagen: aggressiveres und zerstörerischeres Wirtschaftssystem als den derzeit wütenden neoliberalen Kapitalismus.“ Zu dessen Verbrechen, so der Verfasser, zählen vor allen anderen zwei:

Erstens: Die Komplettierung der Tyrannei des Kapitals über den Menschen. Darin bleibt ein menschliches Wesen „brauchbar allein als Lohnsklave …, von Freiheit und Selbstbestimmung keine Rede“. Man kann dies ablesen an den deutschen Zuständen seit der Einführung von „Hartz IV“, einer Gesetzgebung, die „nicht nur die soziale Gerechtigkeit, sondern auch das Vertrauen in die Demokratie, ja selbst in den Rechtsstaat“ aushebelt. Die Urheber von TTIP kalkulieren ebenfalls eine spürbare Minderung der Lebensqualität der Menschen ein. Ihre „eigentliche politische Absicht“, merkt Drewermann an, sei „die Schaffung eines westlichen Wirtschaftsimperiums unter US-amerikanischer Führung, flankiert von der NATO“.

Zweitens: Die Verwüstung der Natur. In den 700 Millionen Jahren des Lebens auf dem Planeten Erde habe es mehrere Katastrophen gegeben, „doch was wir derzeit erleben, ist ein Massensterben, das allein vom Menschen verursacht wird und das, anders als früher, nicht neue Lebensformen an … Stelle der alten aufwachsen läßt, sondern das dem Leben der Natur den endgültigen Garaus bereitet.“ (Hessel und Morin sprechen von der „Zerstörung der Biosphäre“.)

Wie bekannt, reicht die Kritik an der ruinösen Bösartigkeit des kapitalistischen Wirtschaftssystems mehr als anderthalb Jahrhunderte zurück. Ein von Drewermann zitiertes Beispiel ist der nun schon 110 Jahre alte Roman des amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair „Der Dschungel“. Sinclair schrieb laut Drewermann: „Ich spreche für alle …, die in die Gewalt des Molochs Habgier geraten sind!“ Der Moloch symbolisiert die 1000 oder 10 000 Kapitalisten, „die Herren sind über diese Sklaven, denen die Arbeit dieser Sklaven gehört“; inzwischen dürfte sein Wüten sich seinem Höhepunkt nähern, habe er doch „die Dimension seiner Verbrechen, die er als legitime Interessenwahrung hinstellt, vom Regionalen ins Globale ausgedehnt“.

Die Besonderheit des Buchs ist es, daß der Verfasser den Akzent primär auf das Begreifen des Kapitalismus setzt; denn „so oft und so richtig man seine Grausamkeit, seine Inhumanität und seine fundamentale Amoralität auch“ herausstelle, damit schaffe man noch keine Abhilfe. „Womit man es zu tun hat, sind nicht Personen, die man mit moralischen oder religiösen Argumenten erreichen könnte; man hat es zu tun mit einem System, das nach eigenen Regeln funktioniert, und nur wenn man diese Regeln begreift und im Rahmen ihrer Betriebslogik ändert, besteht eine gewisse Aussicht, etwas zu erreichen.“ Die unleugbare Effizienz des kapitalistischen Wirtschaftssystems, die unüberbietbar sei, resultiere aus dem „Prinzip der Konkurrenz aller gegen alle“, das einen „ständigen Wettbewerb“ erzeuge, „bei dem nur überlebt, wer die meisten Waren zu den niedrigsten Kosten produziert“. Es sei jedoch kein Preis „realistisch kalkuliert, in den nicht die Kosten für die Natur mit hineingerechnet werden“. Zwei Faktoren, Preis und Wachstum, „bilden in jedem Falle die Brennpunkte für eine Ökonomie, die sich im Gleichgewicht mit dem ökologischen System der Erde befindet oder eben nicht“. Heute sei vor allem erforderlich, „die Ideologie des ökonomischen Wachstums umzukehren“. Wäre ein Silberstreif am Horizont zu sehen?

Drewermann antwortete: „Wirtschaft, Religion und Politik beziehungsweise Geld, Gottesglaube und Gewalt – sie lasten wie ein Verhängnis auf den Menschen, die unentwegt, doch mit wachsendem Trotz, ihrer Arbeit nachgehen, in der Vorahnung, daß bald schon ein revolutionärer Widerstand sich Bahn brechen und die elende Tyrannei abschütteln wird.“

Aus „Ossietzky“, 1/2017

Eugen Drewermann

Geld, Gesellschaft und Gewalt
Kapital und Christentum, Band 1

Patmos-Verlag, Ostfildern 2016, 406 Seiten
ISBN 978-3-8436-0817-6

32,00 Euro