RotFuchs 231 – April 2017

Gehört der Islam zu Deutschland?

Theodor Weißenborn

Selten hat das Wort eines Politikers zu einer so hitzigen Debatte geführt wie seinerzeit Christian Wulffs Ausspruch „Der Islam gehört zu Deutschland.“ Seitdem häufen sich die Demonstrationen, schaukeln Pro und Contra sich hoch, und es scheint, als hätte Wulffs Satz die Nation in zwei Lager gespalten. Im Lager der ihm Zustimmenden finden sich (neben den Muslimen) die liberal denkenden gast- und fremdenfreundlichen Demokraten, die die Religionsfreiheit achten und im Sinne des aufgeklärten Alten Fritz sagen würden: „In unserem Land soll jeder nach seiner Fasson selig werden.“ Im Lager der Buhrufer siedeln dagegen jene an Xenophobie (Fremdenfeindlichkeit) leidenden Chauvinisten und jene womöglich sozial zu kurz Gekommenen, die um ihre Arbeitsplätze bangen oder gedankenlos jenen Neofaschisten nachlaufen, die Asylantenwohnheime anzünden oder dies bejubeln – mit bepißter Hose und den Arm zum Hitlergruß erhoben. Das sind jene, die dem Ausland das Bild vom „häßlichen Deutschen“ vermitteln und auf deren Zugehörigkeit zu Deutschland, auch wenn sie deutsche Pässe haben, wir gerne verzichten würden.

Was die Zugehörigkeit des Islams zu Deutschland im Sinne eines integralen Bestandteils betrifft, so wäre vorab zu klären, was Zugehörigkeit zu Deutschland ausmacht. Wer in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, deutsch spricht und vor allem die in Deutschland geltenden Gesetze, vornehmlich das Grundgesetz, achtet, der darf sich zu Recht als zu Deutschland gehörig oder als Deutscher fühlen, auch wenn er aus irgendwelchen Gründen noch keinen deutschen Paß hat – und dies völlig unabhängig davon, ob er Christ, Jude, Muslim, Angehöriger irgendeiner anderen Glaubensgemeinschaft, konfessionslos oder Freidenker ist.

Hat man dies im Sinn, so kann man sicherlich sagen: „Die, wie soeben beschriebenen, kulturell integrierten Muslime gehören zu Deutschland.“ Nur ist damit über eine mögliche Zugehörigkeit der Weltreligion Islam zu Deutschland noch nicht das Geringste ausgemacht. Schon die Bezeichnung „der Islam“ ist eine schreckliche Vereinfachung und bedarf dringend einer Differenzierung, und zwar ist zu unterscheiden zwischen zwei divergierenden Erscheinungsformen des Islams. Es gibt einen friedliebenden, toleranten, sozialverträglichen, sozusagen aufgeklärten Islam, wie er anscheinend und hoffentlich vom Rat der Muslime in Deutschland repräsentiert wird und der, aufs Ganze gesehen, der kulturellen Integration nicht im Wege steht. Aber daneben, und das hat Christian Wulff wohl nicht bedacht, gibt es eben auch einen unaufgeklärten, fundamentalistischen Islamismus, der, befangen in theokratischem, antidemokratischem Denken, im Mittelalter steckengeblieben ist, der auf die Scharia mit ihren barbarischen Rechtsnormen und Rechtspraktiken (Geißelungen, Hinrichtungen, Steinigungen untreuer Ehefrauen etc.) schwört und zu dessen kulturell altüberlieferten Sitten und Bräuchen Schandtaten wie Genitalverstümmelungen, das Verprügeln von Frauen und Kindern, Zwangsverheiratungen und „Ehrenmorde“ gehören, Straftaten und Verbrechen, die den Menschenrechten Hohn sprechen und die mit den in Deutschland geltenden Rechtsnormen unvereinbar sind. Dieser fundamentalistische Islam (oder Islamismus, wie ihn der sogenannte IS weltweit zu verbreiten sucht) gehört nicht zu Deutschland und wird hoffentlich auch niemals zu Deutschland gehören.

Als Glaubensgemeinschaft und als eine der drei großen monotheistischen Weltreligionen ist und bleibt der Islam für den vergleichenden Religionswissenschaftler im übrigen ein zwar fremdartiger und in manchen seiner Lehren befremdlicher, aber womöglich auch gerade deshalb faszinierender Gegenstand. Dem tolerant Denkenden dürfte es überdies nicht schwerfallen, die Ansichten Andersgläubiger, sofern sie nur sozialverträglich sind, zu achten, ohne sie zu teilen.

Dies ist alles andere als gläubige Übernahme oder Integration exotischen Kulturguts, die nur selten hilfreich, oft schädlich und mitunter sogar verderblich sein kann. Deutlich zu sehen ist dies am Beispiel christlicher Missionierung, die sich noch heute (so durch das Verbot empfängnisverhütender Mittel) in manchen Gegenden der Welt verheerend auswirkt.

Ich halte dafür, daß der Mensch autonom sei und weder einer christlichen noch einer jüdischen, noch einer islamischen Theokratie bedarf.

Bedenklich, bei aller gebotenen und erlaubten Toleranz und bei aller im Grundgesetz verankerten Religionsfreiheit, wäre es allerdings, wenn irgendeine Glaubensgemeinschaft hierzulande eine Art Parallelgesellschaft gründen und, statt nach deutschem Recht zu handeln, ein eigenes, in Deutschland nicht geltendes Recht, etwa gemäß dem Talmud oder der Scharia, praktizieren wollte. Gegen solche Versuche der Rechtsanmaßung dürfte und müßte der Staat sich mit allen legalen Mitteln zur Wehr setzen!

Natürlich werden kirchlich gebundene Geister, zumal Vertreter der gesellschaftlich repräsentativen Großkirchen, immer bestrebt sein, in öffentlich-rechtlichen Gremien (etwa in den Rundfunkräten) Einfluß auf die Politik und damit auf die Gestaltung des öffentlichen Lebens zu nehmen. Und natürlich dürfen sie sich zu diesem Zweck auch aller ihnen zur Verfügung stehenden Medien bedienen, da dies als Meinungs- und Pressefreiheit zu den demokratischen Grundrechten gehört.

Bedenklich wird die Sache aber auch, wenn in Deutschland lebende nichtchristliche, jüdische, muslimische oder andere Gläubige Sonderrechte fordern, die im Widerspruch zu den hierzulande geltenden Gesetzen stehen. Und nicht weniger bedenklich ist es, wenn eine sich für besonders fortschrittlich haltende Bildungsministerin dafür sorgt, daß – auf Kosten des Steuerzahlers – an unseren staatlichen Hochschulen Lehrstühle für Islamistik eingerichtet werden und an staatlichen Schulen neben katholischer und evangelischer Religion nun auch noch islamische Religion gelehrt wird. Hier geht mir das Gleichbehandlungsprinzip zu weit, richtiger: Hier wird es in der genau falschen Richtung angewandt! Gleichheit läßt sich in diesem Bereich viel sinnvoller auch dadurch herstellen, daß an staatlichen Hochschulen grundsätzlich keinerlei theologische Lehrstühle (Lehrstühle für katholische, evangelische, jüdische, islamische oder irgendeine andere Theologie) geduldet werden. Auf diese Weise könnten die kirchlichen Privilegien (nach endlicher Aufkündigung des zwischen dem Vatikan und Hitler geschlossenen Konkordats) wenigstens schon einmal in einem Teilbereich der Gesellschaft abgeschafft werden.

Und speziell zum Thema Religion als Unterrichtsfach noch dies: An Schulen in kirchlicher Trägerschaft mag Religion meinetwegen gelehrt werden, nicht aber an staatlichen Schulen, die sich weltanschaulicher Neutralität befleißigen sollten. Fort also mit solch wissenschaftsfeindlichem Plunder, und Schluß mit der Verfilzung staatlicher und kirchlicher Interessen im Gesundheits- und Bildungswesen! Und als Forderung an unsere Gesetzgeber: Erfüllt endlich, und zwar konkret und in allen sozialen Bereichen, den Verfassungsauftrag der Trennung von Kirche und Staat!

Natürlich weiß ich, was dem bei den Regierenden entgegensteht: Es ist die Angst vor dem Verlust von Wählerstimmen, die Angst vor politischem Machtverlust, denn die Kirchen predigen, wenn auch vielleicht nur noch verhalten, Anpassung und Gehorsam und sind eher an der Erhaltung des politischen Status quo als an dessen Veränderung interessiert. Angesichts dieser traurigen Tatsache empfiehlt sich als Handlungsmaxime für den einzelnen, aus der Kirche auszutreten und wo immer nötig gegen „Pegida“ zu demonstrieren!