RotFuchs 236 – September 2017

Gespräch mit Patrik Köbele
zur Bundestagswahl

RotFuchs-Redaktion

Patrik Köbele

Patrik, wer wäre eigentlich das kleinere Übel, Angela Merkel oder Martin Schulz?

Ich weiß nicht, wie groß die beiden sind. In Phasen, in denen es nicht gelingt, eine Massenbewegung der Ausgebeuteten zu entwickeln, sind beide von Übel. Natürlich sind Sozialdemokraten oft empfänglicher für Druck, zum Beispiel der Gewerkschaf­ten. Gleichzeitig können sie aber zur Einbindung der Gewerkschaf­ten genutzt werden. So wurde die letzte „Wechselstimmung“ von Kohl zu Schröder/Fischer genutzt, um Angriffskriege der Bundeswehr und die Agenda 2010 durchzusetzen.

Über 60 Millionen Menschen sind auf der Flucht, und die NATO ist auf Kriegskurs. Warum meint die DKP, es sei eine gute Idee, alle Kraft in den Bundestagswahl­kampf zu stecken? In die Nähe der 5-Prozent-Hürde kommt Ihr ja doch nicht, und der Kapitalismus läßt sich ja auch nicht abwählen.

Wir wollen den Wahlkampf als Tribüne nutzen, um unsere Inhalte zu verbreiten und damit dazu beitragen, daß Menschen in Bewegung für ihre Interessen kommen. Na­türlich sollen sie wählen gehen, am besten uns – sie sollen aber keinesfalls ihre Stimme abgeben, die sollen sie besser erheben. Es geht uns ja gerade darum, die Fragen von Krieg, Flucht und Armut sowie deren Instrumentalisierung für Rassismus in den Mittelpunkt der politischen Auseinandersetzung zu rücken. Wir sagen: Krieg, Flucht und Armut haben Ursachen, Verursacher und Profiteure – gegen die wollen wir den Kampf organisieren, und dafür wollen wir den Wahlkampf nutzen. Das ist Inhalt unseres Sofortprogramms, es richtet sich damit gegen das Monopolkapital und seine aggressive Rolle nach innen und außen.

Wäre angesichts von Rechtsentwicklung und Sozialabbau nicht Rot-Rot-Grün eine realistischere Alternative?

Die SPD regiert ja bereits als Teil der großen Koalition. Die letzte Regierung aus SPD und Grünen setzte, wie bereits gesagt, die ersten Kriegseinsätze und die Agenda 2010, also Hartz IV, durch. Was soll da eine Linke als Juniorpartner? Das führt zur Anpassung an die Interessen der herrschenden Klasse.

Die Linkspartei will nun nur noch die militärischen Strukturen der NATO verlassen und sieht Auslandseinsätze der Bundeswehr nicht länger als rote Haltelinie. Was bedeutet das für die Friedensbewegung?

Diese Aufweichung ist eine Katastrophe. Die Friedensbewegung muß bei ihrer klaren Haltung bleiben. Raus aus der NATO, keinerlei Auslandseinsätze der Bundeswehr, Stop aller Rüstungsexporte! In diesem Sinne muß die Friedensbewegung auch Druck auf die Partei Die Linke machen.

Es ist zu befürchten, daß auch die AfD in den Bundestag einzieht Wie muß ange­sichts dessen effektiver Antifaschismus heute aussehen?

Er muß die Perspektivangst der Arbeiterklasse und anderer lohnabhängiger Schichten ernst nehmen. Diese Perspektivangst ist berechtigt. Allerdings ist ihre Ursache das Profitsystem, der Kapitalismus. Den antikapitalistischen Kräften ist es nicht gelun­gen, dies zu vermitteln. Der Nährboden dafür sind Standortlogik und Nationalismus. Auf diesem Nährboden und in diesem Vakuum wird die AfD auch medial großge­macht. Antifaschismus muß sich mit dem sozialen Kampf und dem Kampf gegen Krieg verbinden, sonst wird er nicht überzeugen.

Ein Großteil der DKP-Mitglieder hat bereits graue Haare. Warum sollten Jugend­liche auf die Idee kommen, Euch zu wählen?

Wenn es nach der Haarfarbe ginge, könnte ich meine ja rot färben – Quatsch! Wenn man eine Partei wählen will, die 100 % Antikriegspartei ist, die 100 % antifaschisti­sche Partei und die 100 % antikapitalistische Partei ist, dann muß man DKP wählen. Damit kann man auch wunderbar Druck von links machen – und man kann sicher sein, daß die Stimme nicht im parlamentaristischen Sumpf landet.

Patrik Köbele war von 1989 bis 1994 Bundesvorsitzender der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjugend (SDAJ) und ist seit März 2013 Vorsitzender der DKP.