RotFuchs 192 – Januar 2014

Einst erfolgreiche DDR-Autoren dem Vergessen entreißen

Griff in die literarische Schatztruhe (Teil 15)

Dieter Fechner

Martin Selber, der eigentlich Martin Merbt hieß, war ein vielseitiger Schriftsteller aus der Magdeburger Börde.

Deren Historie und Landschaft spiegeln sich in vielen seiner über 50 Bücher wider. Der Name dieses begabten Literaten wurde seit den frühen 50er Jahren nicht nur in seiner Heimatregion, dem damaligen Bezirk Magdeburg, in der DDR und in der BRD zahlreichen Lesern bekannt, sondern drang auch nach Norwegen, Holland, Dänemark, Bulgarien, Ungarn, Polen und in andere Länder. Alles begann, da er zugleich ein begeisterter Amateurfunker war, mit seinem Jugendbuch „Spulen, Draht und Morsetaste“ (1953). Von den Sach-, Kinder-, Jugend- und Abenteuerbüchern sowie historischen und Gegenwartsromanen Selbers ragen einige Titel seines Lebenswerkes besonders heraus: die im Erzgebirge handelnde „Knechtschronik“ (1956), die Franklin-Expedition im Jahre 1845 „Und das Eis blieb stumm“ (1955), die historischen Romane „König Lustick und sein Bauer“ (1976), „Die Geschichte der Clarissa S.“ (1980) über den Aufstieg und Niedergang einer Familie in der Börde und „Die Moorjäger“ (1989). Besonders erfolgreiche Gegenwartsromane waren „Heimkehr in fremde Betten“ (1986) und „Sprung über den Gartenzaun“ (1989). Von seinen Kinder- und Jugendbüchern seien genannt: „Die Grashütte“ (1968), „Faustrecht“ (1973), „Hanna und Elisabeth“ (1981) und „Ich bin ein kleiner König“ (1986). Zu verweisen ist auch auf seine Erzählungen im Platt der Börde, wie „Mien Dorpspaijel“ (1981). Die Gesamtauflage seiner Bücher betrug mehr als drei Millionen Exemplare.

Martin Merbt wurde am 27. Februar 1924 in Dresden geboren und wuchs im Berliner Randgebiet auf. Nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft kam er 1946 nach Domersleben in der Magdeburger Börde. Sein dortiges Wirken war sehr vielseitig. 1946 rief er das Börde-Ensemble ins Leben. Seinem alten Hobby folgend bildete er fast 200 junge Funker aus. Später begründete er die Domerslebener Karnevalstradition.

Seit 1953 war Martin Selber freischaffender Schriftsteller, von 1971 bis 1987 Vorsitzender des DDR-Schriftstellerverbandes im Bezirk Magdeburg. 1989 ging er in Rente. 2001 ernannte die Gemeinde Domersleben ihren einstigen Chronisten, Ideenvater der Heimatstube, Förderer des Carnevals Clubs und vielseitigen Literaten zum Ehrenbürger.

Der Schriftsteller verstarb nach langer Krankheit am 3. März 2006 in Oschersleben. 2007 zeigte man im Magdeburger Literaturhaus die Ausstellung „Martin Selber ,Ich hab so gern gelacht‘“. Zu den Exponaten gehörten seine Bücher, Manuskripte, Fotos, Schallplatten, Urkunden und Briefe sowie handschriftliche Bemerkungen von Dieter Noll, Franz Fühmann, F. C. Weiskopf und Anna Seghers. Die Magdeburger Schau wurde anläßlich seines ersten Todestages auch im Kulturhaus von Domersleben gezeigt. 2010 erhielt die dortige Gartenstraße, in der Martin Selber fast sechs Jahrzehnte gewohnt hatte, seinen Namen.