RotFuchs 231 – April 2017

Günter Pappenheim,
Kommandeur der Ehrenlegion

Gerhard Hoffmann

Günter Pappenheim

Bei einer Zusammenkunft, zu der der Präsident des Thüringer Landtages, Christian Carius, in Erfurt am 27. Januar 2017 eingeladen hatte, galt Günter Pappenheim, dem ehemaligen Häftling des Konzentrationslagers Buchenwald mit der Nummer 22514, sowie dem Botschafter der Französischen Republik in Deutschland, Philippe Etienne, besondere Aufmerksamkeit. Überlebende des KZs Buchenwald waren der Einladung gefolgt. Der Ehrenpräsident Betrand Herz und der Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora und Kommandos, Dominique Durand, der Ehrenvorsitzende der VVN-BdA, Heinrich Fink, Mitglieder Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora sowie Persönlichkeiten aus Politik und Öffentlichkeit Thüringens hatten die Einladung wahrgenommen. Nach der Begrüßungsrede von Christian Carius erklang, gespielt auf dem Akkordeon, die „Marseillaise“, die französische Hymne. Günter Pappenheim hatte sie als Achtzehnjähriger am französischen Nationalfeiertag 1943 für französische kriegsgefangene Zwangsarbeiter auf seiner schlichten Ziehharmonika gespielt. Von Kollegen denunziert, verhaftete ihn die Gestapo, mißhandelte ihn im Gefängnis Suhl und wies ihn schließlich mit Schutzhaftbefehl in das KZ Buchenwald ein.

Jetzt war Günter Pappenheim durch Erlaß des Präsidenten der Französischen Republik zum Kommandeur der Ehrenlegion, der ranghöchsten staatlichen Auszeichnung Frankreichs, ernannt worden. Der Botschafter überreichte am denkwürdigen
27. Januar die Insignien, den Orden am Halsband, die Ernennungsurkunde.

In seiner emotional betonten Rede zeichnete er den Weg des Geehrten zum Antifaschisten und Internationalisten nach: Im sozialdemokratischen Elternhaus, der Vater war Landtagsabgeordneter und geachteter Kommunalpolitiker, herrschte ein antimilitaristischer und antifaschistischer Konsens. Den Vater verhafteten die Nazis 1933, folterten ihn grausam und ermordeten ihn im Januar 1934 bestialisch im KZ Neusustrum. Mittellos sah sich die Mutter mit vier Kindern den Drangsalierungen der Nazis ausgesetzt. Dennoch nahm sie entscheidenden Einfluß darauf, daß sich die Kinder den Nazibeeinflussungen widersetzten. Rassistischen Anfeindungen ausgeliefert, gehörte die Familie nicht zur sogenannten Volksgemeinschaft. In einer Werkzeugfabrik in Schmalkalden fand Günter Kontakt zu kriegsgefangenen französischen Zwangsarbeitern, die er mit Informationen zur politischen Lage und zum Kriegsverlauf versorgen konnte. Mitstreiter seines Vaters erkannten ihn. Der Vater sei ermordet worden, er müsse überleben, war das Motiv für die Solidarität, die er in der Folgezeit erfuhr und die nur möglich wurde durch den organisierten politischen Widerstand im Lager.

Günter sprach am 19. April 1945 mit seinen 21 000 Kameraden, die den Lagerterror überlebt hatten, den Schwur von Buchenwald mit seiner Kernaussage „… Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung. Eine neue Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel …“

Dieser Schwur, führte Günter in seiner Dankrede aus, sei für sein weiteres Leben stets Kompaß gewesen und habe sein antifaschistisches, auf Völkerverständigung und Frieden gerichtetes politisches Wirken bestimmt. In einem Exkurs wies er die infame Beleidigung der 56 000 Toten und der Überlebenden des KZ Buchenwald und aller Opfer des deutschen faschistischen Terrors durch den hessischen Verfassungsschutz zurück, der in einem Konstrukt die Aussage des Schwurs von Buchenwald als die Prinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung in Frage stellend bezeichnet hatte. Zugleich erklärte er seine Solidarität mit der Friedensaktivistin und Antifaschistin Silvia Gingold und verlangte, ihre geheimdienstliche Überwachung sofort einzustellen.

Abschließend sagte Günter Pappenheim: „Da ich nun diese hohe französische Ehrung erfuhr, möchte ich versichern: Ich bin durch Erleben Internationalist geworden, und Internationalismus läßt sich von Antifaschismus nicht trennen, das beweist die Geschichte eindringlich. Dessen eingedenk ist es wichtig, in breiten Bündnissen gegen Terror, Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit, Rassismus das Trennende zu überwinden, gesunde Kompromißbereitschaft zu entwickeln, denn Kompromisse besiegen Feindschaft.
Antifaschismus ist nichts Antiquiertes, Überlebtes, er muß ohne Einschränkung und Zeitgeist-Erwägungen an jüngere Generationen vermittelt werden – so, wie er gelebt, erlebt wurde.
In dieser Überzeugung lebe ich, und in dieser Überzeugung möchte ich Sie alle grüßen mit Versen von Johannes R. Becher: „Friede, Friede sei auf Erden! / Menschen, laßt uns Menschen werden!“

Der Minister der Thüringer Landesregierung und Chef der Staatskanzlei, Benjamin Immanuel Hoff, würdigte mit einer sehr persönlichen Ansprache den Antifaschisten Günter Pappenheim.

Die Mitglieder der Lagerarbeitsgemeinschaft Buchenwald-Dora dankten besonders jenen französischen Kameradinnen und Kameraden, die sich engagiert für diese hohe Auszeichnung eingesetzt hatten.

In Deutschland war der Antrag zur Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Günter Pappenheim „vertraulich“ ohne Begründung zurückgewiesen worden, weil, wie es hieß, die geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.