RotFuchs 188 – September 2013

Welcher Traditionslinie folgt Drohnen-Minister de Maizière?

Hitlers „Wunderwaffen“-Debakel

Herbert Klinger

Der militärische Einsatz unbemannter Marschflugkörper wurde 1944/45 durch Hitler-Deutschland initiiert und wird heute mit sogenannten Drohnen von den USA massiv betrieben. Zahlreiche Tote – 3300 Opfer, überwiegend Zivilisten, darunter 76 Kinder allein in Pakistan – zeugen davon. Aber auch in Afghanistan, Jemen und weiteren Staaten sind diese Mordinstrumente durch das Pentagon eingesetzt worden. Beim NATO-Krieg gegen Libyen wurden 176 Bombenangriffe mit „Drohnen“ geflogen. US-Präsident Obama läßt Todesurteile an „internationalen Terroristen“ vollstrecken. „Krieg gegen den Terror“ heißt es summarisch. Es handelt sich um einen Bruch des Völkerrechts und eine Mißachtung der Menschenrechte in höchster Potenz. Unter Negierung internationaler Abkommen werden „Drohnen“ weltweit eingesetzt – gibt es dann noch eine Steigerungsform für Terrorismus? Der Topterrorist sitzt im Weißen Haus!

Auch BRD-Militärs trachten seit Jahren danach, ihre Streitmacht mit Drohnen auszustatten. Nicht einmal das jüngste Desaster hat de Maizière davon abzubringen vermocht, obwohl Hunderte Millionen Euro in den Sand gesetzt wurden.

Die Vorgänge auf diesem Gebiet veranlassen mich, über meine negative Bekanntschaft mit unbemannten Marschflugkörpern des Typs V I, wie das Einsatzmodell 1944 von den deutschen Faschisten getauft wurde, zu berichten. Damals war ich Soldat der Wehrmacht. Im November 1944 mußte meine Infanteriekompanie in der Eifel unweit von Bitburg auf einer großen Waldlichtung antreten. Offiziere bleuten uns ein: „Wenn es losgeht, dann mit allerbester Moral vorwärts gegen den Feind. Denn das Ende des Krieges naht. Wir werden siegreich sein. Deutschlands neue Flugraketen helfen uns, dem Gegner eine Niederlage zu bereiten.“ Etliche Infanteristen – so auch ich – hegten Zweifel an dieser ultraoptimistischen Parole, die unsere Vorgesetzten da ausgaben. Doch das auch nur andeutungsweise zu sagen, führte vor das Kriegsgericht.

Wir kannten die V I ja schon aus der Zeit vor der Ardennen-Offensive, und zwar durch Blindgänger am Boden. Die Raketen waren von einer Startrampe in der Eifel abgeschossen worden, gingen nur kurz hoch und kamen schon bald wieder zur Erde zurück. Von der Bevölkerung wurden sie „Eifelschreck“ genannt. Es hieß, dieses Versagen wäre auf Sabotage durch ausländische Zwangsarbeiter zurückzuführen.

Einige Wehrmachtsangehörige hatten überhaupt keinen Respekt vor solchen Blindgängern. Sie lehnten sich an diese sogar an und ließen sich vor ihnen fotografieren. Ein Obergefreiter montierte an einer Nietstelle ein Stück Leichtmetall ab. Von Beruf Graveur, fertigte er aus dem Material einen Bilderrahmen mit Blumenmustern.

Als Mitte Dezember 1944 die Ardennen-Offensive losging, „marschierten“ die Flugkörper mit uns – die meisten waren auf England gerichtet. Doch einige explodierten auch in Brüssel sowie in anderen Industrie- und Wohngebieten Belgiens.

Als ich am 3. Januar 1945 dort mit noch anderen Soldaten in US-Kriegsgefangenschaft geriet, befanden auch wir uns automatisch im Fadenkreuz der V I. Ein solcher Marschflugkörper traf unser Kriegsgefangenenlager im Hafen von Antwerpen. Es gab 96 Tote, darunter auch amerikanische und kanadische Wachposten. Wir überlebenden deutschen Gefangenen hatten danach allerhand auszustehen, da die nachfolgenden Wachposten rabiat mit uns umsprangen. Auch außerhalb des Lagers wurden wir beim Auf- und Abladen von Materialien der US-Transportdivision 6966 durch Einwohner verbal attackiert. Natürlich waren abfällige Bemerkungen an die Adresse Hitler-Deutschland mehr als berechtigt. Doch nicht die Naziführung, sondern wir bekamen sie ab. Zweimal wurden wir von älteren belgischen Frauen mit Knüppeln verprügelt. Solche Erlebnisse waren für uns damals 20jährige Anlaß, noch sehnsüchtiger das Ende des Krieges herbeizuwünschen.

Heute sind Menschen in Asien, Afrika oder dem Nahen Osten die Betroffenen. Am Konflikt völlig unbeteiligte Familien mit Kindern verlieren bei „Vergeltungsschlägen“ der USA mit „Drohnen“ ihr Leben.

2004 nahmen meine Frau und ich an einer von der PDS des Saale-Orla-Kreises arrangierten Busreise teil. Zu den angesteuerten Zielen gehörte auch die einstige V I-Produktionsstätte in Peenemünde.

Vor dem dortigen Museum ist eine V I aufgestellt. Im Begleittext erläutert man: „Eine neue Waffe sollte Überlegenheit bringen. Produktion, auch unterirdisch, im Harz, zumeist von KZ-Häftlingen. 20 000 Menschen kamen dabei ums Leben. Propagandaminister Goebbels nannte diese Flugkörper ,Vergeltungswaffen‘. Die sogenannte Wunderwaffe konnte den Verlauf des Krieges aber nicht beeinflussen.“

Was die Drohnen des Pentagons, nach denen Merkels de Maizière giert, betrifft, ist davon auszugehen, daß sie zwar eine grausige Spur von Tod und Vernichtung ziehen werden, den Niedergang des Kapitalismus aber kaum aufhalten dürften.