RotFuchs 233 – Juni 2017

Polizeiterror gegen Protestaktionen
zum Schah-Besuch in Westberlin

2. Juni 1967:
Die Ermordung des Studenten
Benno Ohnesorg

Herbert Lederer

Benno Ohnesorg, ein junger Christ und Pazifist, Student, voll von Empörung gegen den Staatsbesucher aus dem Iran, Schah von Persien, den Vorsteher eines un­menschlichen Folterregimes, wurde erschossen von einem Polizeibeamten, dessen Name nicht einmal wert ist, anläßlich dieses traurigen Erinnerungstages genannt zu werden. Benno Ohnesorg, eines der unzähligen Opfer des Imperialismus, dieser längst auch in unserem Land überholten unmenschlichen, zu Krieg und Unter­drückung hin tendierenden Ausbeuterordnung, aber, im Unterschied zu seinem Mörder und denen, die diesen so weit getrieben, keineswegs namenloses Opfer.

Für uns ist Benno Ohnesorg unvergessen, er, sein erstauntes totes Gesicht, die Frau, die sich über ihn beugt. Ebenso unvergessen wie Philipp Müller, der junge Arbeiter aus München, den bei dem Kampf für den Frieden noch 15 Jahre davor Polizeikugeln in Essen getroffen hatten.

Foto: Jürgen Henschel

Student und Arbeiter – beide Opfer der Gesellschaft, gegen die beide, mehr oder weniger bewußt, ihren Protest herausschrien, Vertreter einer Generation, die lange Zeit getrennt für ihre Zukunft eintrat.

Der 2. Juni 1967 schaffte Klarheit. Er zerriß – für Tausende einsehbar – die mühsam geknüpften Schleier der nachfaschistischen Bundesrepublik und des von ihr bean­spruchten Westberlins, dieser so mies verwalteten US-Kolonie. Zusammen mit dem Schah in der Deutschen Oper ließen die Westberlin Beherrschenden die kriminellen Agenten des iranischen Geheimdienstes, die von ihm bezahlten Jubelperser mit Stöcken und anderen Waffen unsere Studenten niederknüppeln, setzten zusätzlich ihre Polizei gegen zum friedlichen Widerstand gewachsene antiimperialistische Solidarität ein. Durch gemeinsame Profitinteressen zusammengehaltene Kumpanei auf der einen, durch den solidarischen Traum von einer Welt ohne Folter und Unterdrückung zusammengeschweißte Bewegung auf der anderen Seite, das war, was in jenen Tagen die Seifenblase von klassenloser, harmonischer, formierter Gesellschaft als Phrase zerplatzen ließ.

Benno Ohnesorgs Tod folgte eine beispiellose Hetze gegen die „radikale Minderheit“, an der sich die gesamte politische staatstragende Prominenz und, im Zynismus allen voran, die Springer-Presse und deren Paladine beteiligten.

Benno Ohnesorg, zufälliges Opfer eines planmäßigen Versuchs zur Unterdrückung der außerparlamentarischen Opposition, wie der damalige Vorsitzende des Verbandes Deutscher Studentenschaften feststellte, führte mit seinem Tod die westdeutschen Studenten zu einer solchen massenhaften Einheitlichkeit in ihrem Protest zusammen, wie sie zuvor noch nie erreicht worden war. Auch Arbeiter, zumindest die bewuß­testen, gewerkschaftlich und politisch Organisierte reagierten, nahmen teil an den Protestdemonstrationen der Studenten, erkannten, daß deren Sache auch ihre Sache war.

Gegen den Chor der sich verfälschend demokratisch nennenden Parteien erhob sich aus der Illegalität, in die sie gezwungen, die Stimme der Kommunistischen Partei durch den damaligen Kandidaten des Politischen Büros der KPD, Herbert Mies, einen Mann, der damals und in den nächsten Jahren wie kaum ein anderer die demokra­tische Studentenbewegung und ihre Entwicklung verfolgte und für Solidarität der bewußten Arbeiterbewegung sorgte:

„Der Protest gegen Benno Ohnesorgs Ermordung und die Trauer um seinen Tod vereinigten Studenten und Arbeiter, Gewerkschaften und Jugendorganisationen, Christen und Sozialisten und Kommunisten zu einer großen Gemeinschaft sich bekennender Demokraten. Wenn man vom Vermächtnis Benno Ohnesorgs sprechen darf, so dürfte es sich als ein Auftrag verstehen, diese Gemeinschaft fortzuführen gegen das Grundübel in unserem Lande: gegen den Abbau demokratischer Rechte, gegen die Notstandsgesetze … Es muß sich einiges, ja sehr vieles ändern in unserem Lande, damit sich der Mord an Demokraten nicht wiederholt. Die Macht der Monopole und der Reaktion muß zurückgedrängt werden. Wenn alle demokratischen Kräfte zusammenstehen, können sie Einfluß auf Staat und Politik erlangen und der demo­kratischen Entwicklung unseres Landes im Sinne demokratischer Grundprinzipien unserer Verfassung den Weg ebnen.“

Benno Ohnesorgs Tod lähmte weder die studentische noch die außerparlamenta­rische Bewegung insgesamt. Von vielen wurde zunehmend die Orientierung prakti­ziert, die Herbert Mies umrissen hatte. Mächtige Aktionen gegen die Notstands­gesetze, gegen den Vietnamkrieg, für demokratische Hochschulen, kritische Wissen­schaft folgten. Dort, wo sich die Studentenbewegung nicht isolieren ließ, dort, wo sie den Aktionismus nicht verabsolutierte, dort, wo sie sich nicht durch Antikommunis­mus – und sei es auch links verpackter – treiben ließ, dort, wo die Studenten­bewegung das Gemeinsame, damit das Bündnis mit der Arbeiterklasse suchte, dort, wo sie spontan und zielgerichtet zugleich, die Klassenfrage stellend gegen den imperialistischen Herrschaftsapparat vorging, realitäts- und massenbezogen handelte, dort wuchs ein durch nichts zu vernichtendes Bündnis in seinen Keim­formen: das Bündnis von Wissenschaft und Proletariat, das Bündnis von Arbeiter- und Studentenbewegung.

In Essen, Köln und einigen anderen Städten verhinderten Arbeiter und Studenten gemeinsam die Auslieferung der Springerzeitungen und demonstrierten, wozu sie fähig, wenn sie gemeinsam handeln. Dort, wo diese Strategie nicht verfolgt wurde, folgte bald die Zerschlagung des antiautoritären Teils der Studentenbewegung. Der Teil der Studentenbewegung, der sich der Arbeiterklasse zuwand, schuf bald darauf den MSB Spartakus und machte aus diesem den bisher stärksten studentischen Bündnispartner, den die deutsche Arbeiterklasse je in ihrer Geschichte gehabt hat. Wie nie zuvor mobilisierte dieser Verband, zusammen mit dem Sozialistischen Hochschulbund, die Studenten, setzte die gewerkschaftliche Orientierung der Studenten durch, rettete die einheitliche Kampforganisation der Studenten, den VDS.

Wer in diesen Tagen, den Tagen der mächtigen Studentenstreiks, des ideenreichen Aufbaus demokratischer Gegenhochschulen, an den Universitäten war, weiß, was dieser Verband geschaffen hat, weiß, was die Arbeiterbewegung an ihren Studenten hat. Von dieser Studentenbewegung kann die Arbeiterklasse auch viele Impulse erwarten. Sie war und ist nicht tot.

Dabei kann sie immer der Solidarität der Kommunistischen Partei sicher sein, in deren Reihen viele der bewußtesten studentischen Revolutionäre von damals ihr politisches Kampffeld gefunden haben. Dieser Solidarität können sich auch die Kämpfer in der Studentenbewegung sicher sein, die mutig und konsequent für die Interessen ihrer Kommilitonen eintreten, auch wenn vieles sie noch von der DKP, ihren strategischen Aussagen, ihren taktischen Konzepten trennt. Denn, um noch einmal Herbert Mies anläßlich des Todes von Benno Ohnesorg zu Wort kommen zu lassen: ,,Wir glauben, daß wir das Opfer der Willkür am besten ehren, wenn alle Demokraten enger zusammenrücken, jetzt und in Zukunft.“

Herbert Lederer war 1967/68 Mitglied des Bundesvorstandes des Sozialistischen Deutschen Studentenbunds (SDS) und später Mitglied des Parteivorstandes der DKP.