RotFuchs 233 – Juni 2017

60 Jahre DTSB – ein würdiges Jubiläum

Dr. Thomas Köhler

Als am 28. und 29. April 1957 im Haus der DDR-Ministerien der Deutsche Turn- und Sportbund gegründet wurde, begann die Erfolgsgeschichte einer der effektivsten Sportorganisationen weltweit.

Auf den Tag genau begingen am 28. April in Berlin-Marzahn Sportler, Trainer, Übungs­leiter, Funktionäre, Kampf- und Schiedsrichter, Sportmediziner, Sportwissen­schaftler, DDR-Vertreter internationaler Sportorganisationen und Verbände, Mitarbeiter in den Sportverbänden, der Sport- und Fußballclubs, der Sportschulen und Sportstätten, Sportlehrer und die unzähligen ehrenamtlichen Helfer des Sports den 60. Jahrestag der Gründung dieser Massenorganisation. Sie vereinte 1989 rund 3,2 Millionen Mitglieder in 36 Sportarten, mehr als 10 500 Sportgemeinschaften und über 6000 Gruppen des Anglerverbands und 600 Motorsportclubs.

Der DTSB stellte sich als Mobilisierungskraft der Gesellschaft dar, die eine unüber­sehbare Schar von Breitensportlern anregte, sich sportlich zu betätigen, und jungen Talenten die Voraussetzungen für spätere Weltspitzenleistungen schuf.

Viele Gründungsmitglieder, die am Jubiläumstag unter uns weilten, können vom schweren Anfang erzählen, als sich der Sport unter geringen materiellen Bedingun­gen infolge des Krieges bescheiden auf kommunaler Ebene entwickelte. Erinnert sei an dieser Stelle an die Hilfe des sowjetischen Sports beim Aufbau und der Entwick­lung der Sportbewegung in der DDR. Die Sowjetunion und die anderen sozialistischen Länder führten einen konsequenten Kampf, damit der DDR-Sport im IOC und in den Weltsportverbänden anerkannt wurde und gleichberechtigt an Olympischen Spielen und internationalen Meisterschaften teilnehmen konnte. Nicht unerwähnt möchte ich die Bildung von Sportvereinigungen lassen, wodurch der Sport von Betrieben und Gewerkschaft hervorragend unterstützt wurde. Mitte der 70er Jahre gab das gemein­same Sportprogramm von FDGB, FDJ und DTSB wesentliche Impulse für die beschleunigte Entwicklung des Sports in der DDR.

Unvergessen bleiben die Erlebnisse Zehntausender Sportlerinnen und Sportler in Vorbereitung und Durchführung der Turn- und Sportfeste in Leipzig. Die Friedens­fahrt, insgesamt 58 mal ausgetragen, begeisterte Millionen Anhänger des Sports und verbreitete nachdrücklich mittels des Sports den Gedanken des Friedens. Und wer erinnert sich nicht an Harry Glaß und Wolfgang Behrendt, die noch vor der Gründung des DTSB die ersten olympischen Medaillen für die DDR errangen.

Bis heute bleibt unbegreiflich, daß der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs der Bundesrepublik am 14. März 1961 den DTSB als verfassungsfeindliche Organisation eingestuft hat – ein weltweit einmaliger Vorgang.

Die Erfolgsgeschichte des DTSB hatte bis zu seiner jähen Einverleibung viele Facetten, die hier weder vollständig noch umfassend dargestellt werden können.

Die Begriffe „Breitensport“, „Volkssport“, „Sport für alle“ trugen zu Recht diesen Namen, denn laut Art. 25 der Verfassung der DDR (in der Bundesrepublik ist es bis heute nicht gelungen, das Recht auf sportliche Betätigung verfassungsmäßig festzulegen) wurde jedem Bürger die Möglichkeit garantiert, Sport zu treiben. Mit der unentgeltlichen Nutzung der Sportstätten, einer Fahrpreisermäßigung von 50 bis 75 %, dem Versicherungsschutz bei Sportunfällen, dem K+S-Fonds in den Betrieben wurden optimale Voraussetzungen geschaffen – und das bei einem Mitgliedsbeitrag von 0,30 bis 1,30 Mark!

Es wäre zu einseitig, die Erfolge des Leistungssports nur an den errungenen Medaillen bei Olympischen Spielen oder internationalen Meisterschaften zu messen. Das Streben nach sportlichen Höchstleistungen war stets verbunden mit einer allsei­tigen Persönlichkeitsentwicklung. Viele unserer besten Sportler waren und sind (wie z. B. „Täve“ noch bis heute) tatsächlich Diplomaten im Trainingsanzug und Vorbild für die Jugend. Jedes sportliche Talent konnte sich unabhängig vom Geldbeutel der Eltern entwickeln. Dafür standen allein für die Trainingszentren im engen Zusammen­wirken mit nahezu 9000 Übungsleitern 1800 hauptamtliche Trainer, in der Regel mit Hochschulabschluß, zur Verfügung. In den 27 Sport- und elf Fußballclubs wurden 12 500 Sportler von 4000 Trainern betreut, die ihren Auftrag darin sahen, in einem pädagogischen und sportfachlichen Prozeß Sportler zu Höchstleistungen zu führen und sie in ihrer allseitigen, also körperlichen, geistigen und moralischen Entwicklung zu begleiten.

Zu den Erfolgsfaktoren, die nur in ihrer Komplexität zur vollen Entfaltung gelangen konnten (im Gegensatz zum heutigen deutschen Sport), zählten u. a. ein optimales Auswahl-Trainings- und Fördersystem, die Unterstützung durch den Staat, die besondere Aufmerksamkeit für den Nachwuchsleistungssport als eigentliches „Geheimnis“ des DDR-Sports, die Anwendung des Leistungsprinzips, die Aus- und Weiterbildung der Trainer, besonders an der DHfK und ihren Außenstellen, die Sportmedizin und die Sportwissenschaft.

Auch mein Leben im Sport widerspiegelt die erfolgreiche Entwicklung des DTSB. Im Gründungsjahr 1957 begann ich bei der BSG Wismut Beierfeld mit dem Schlitten­sport. Nach der erfolgreichen Teilnahme an den Olympischen Winterspielen 1964 und 1968 und dem Studium an der DHfK begleitete ich die DDR-Schlittensportler bei den Olympischen Spielen 1972 und 1976 als Verbandstrainer. Bei den Olympischen Winterspielen 1984 und 1988, bei denen ich in der Funktion als Chef de Mission tätig war, stellten die DDR-Sportler abermals unter Beweis, daß sie zu den besten Sport­nationen gehörten.

Anläßlich des 60. Gründungstages des DTSB können wir eine beeindruckende Bilanz vorweisen. Ich bin sicher, daß all diejenigen, die an dieser erfolgreichen Entwicklung mitwirkten, mit mir übereinstimmen: Wir begingen mit Recht ein würdiges Jubiläum.

Thomas Köhler ist Olympiasieger im Rennrodeln 1964 und 1968.