RotFuchs 220 – Mai 2016

„Gemäßigte“ Rafsanjani-Rouhani-Fraktion stärkte ihre Positionen

Iran nach den Wahlen

RotFuchs-Redaktion

Aus den jüngsten Wahlen zum 290 Sitze umfassenden iranischen Parlament und der aus 88 Mitgliedern bestehenden Expertenversammlung ist die vom derzeitigen Präsidenten Rouhani und dessen langjährigem Förderer, dem zweimaligen Ex-Präsidenten Rafsanjani, angeführte Fraktion bei einer Wahlbeteiligung von 62 % (2012: 60 %) als klare Siegerin hervorgegangen. Sie gibt sich derzeit als „moderate Kraft“ aus und verfolgt einen „Kurs des Ausgleichs“ mit den imperialistischen Hauptmächten. Die Expertenversammlung ist ein allein aus muslimischen Geistlichen bestehendes Gremium, das den Ayatollah als obersten Führer des Landes bestimmt und berät.

Der derzeitige Ayatollah Ali Khomeni ist bereits 76 und gesundheitlich angeschlagen, so daß er kaum dazu imstande sein dürfte, den achtjährigen Zyklus bis zu einem regulären Machtwechsel durchzustehen.

Den beiden genannten Fraktionen – von den tonangebenden Medien der Bourgeoisie als „Hardliner“ und „Gemäßigte“ bezeichnet – stehen die nach wie vor sehr einflußreichen konservativen „Prinzipalisten“ gegenüber. Sie stützen sich vor allem auf die straff militärisch organisierten Revolutionswächter. Diese hatten Präsident Rouhani vor dessen mit dem Segen des Ayatollah abgeschlossenen Nuklearabkommen gewarnt, das von Teheran und den fünf Veto-Mächten des UN-Sicherheitsrates sowie der BRD (!) im Vorjahr unterzeichnet wurde. Dadurch verpflichtete sich Iran zum weitgehenden Abbruch seiner zivilen Atomforschung und akzeptierte ein strenges Kontrollsystem im Tausch gegen die Aufhebung der das iranische Volk würgenden westlichen Sanktionen und Embargos.

Der Wahlerfolg der Konzernen und Banken des Westens die Tore öffnenden Rouhani-Rafsanjani-Fraktion war besonders in der 16-Millionen-Metropole Teheran eklatant, wo etwa ein Fünftel der iranischen Bevölkerung lebt. Unter dem verführerischen Signum „Liste der Hoffnung“ potentielle Wähler anlockend, eroberte sie hier sämtliche 30 Parlamentsmandate sowie 15 der 16 Sitze in der Expertenversammlung. Zuvor waren die „Gemäßigten“ nur im Parlament durch zwei Abgeordnete vertreten.

Presseberichten zufolge unterstützte vor allem die auf wesentlich höhere Einnahmen spekulierende mittlere Stadtbourgeoisie den Weg Rouhanis durch eine enorm hohe Wahlbeteiligung der Bewohner „besserer Viertel“. Hauptverlierer waren in erster Linie die Anhänger des einstigen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad (2005–2013), die weitgehend leer ausgingen. Andererseits boykottierte ein großer Teil der im Süden Teherans konzentrierten Arbeiterbevölkerung den Abstimmungsakt.

Die Anhängerschaft Rafsanjanis und Rouhanis konnte auch in anderen iranischen Großstädten punkten, wenn auch weniger dramatisch als in Teheran, während die „Prinzipalisten“ die meisten kleineren Städte und das Landesinnere für sich zu gewinnen vermochten.

Offensichtlich sind auch in erheblichem Maße westliche Gelder geflossen, vor allem aber spielten in Aussicht gestellte oder bereits auf den Weg gebrachte Milliardenkontrakte mit Großkonzernen und staatliche Aufträge aus dem Ausland eine maßgebliche Rolle. Sie erzeugten nach Jahren härtester Isolierung eine Woge der nicht mehr durch rationelle Erwägungen beherrschbaren Euphorie. (Man denke dabei nur an den Marshallplan und Erhards darauf basierendes „Wirtschaftswunder“!)

Irans führende Busineßleute und Marktforscher reagierten geradezu ekstatisch. Ramin Rabio, Chef des einflußreichen und besonders im Iran operierenden Finanzdienstleisters Turquoise Partners, erklärte, daß er schon in Kürze mit wesentlichen „Marktreformen“ rechne. Dazu werde auch die Aufhebung bisheriger Arbeitsrechtsnormen zur Einschränkung von Entlassungen gehören, die zu Zeiten der „iranischen Revolution“ von 1979 eingeführt worden waren. Die damaligen Umwälzungen hatten der blutigen Diktatur des US-gestützten Schahs Reza Pahlewi ein Ende bereitet. In einer Erklärung zum Wahlausgang betonte Irans marxistische Tudeh-Partei: „Die Fraktionen des derzeitigen Regimes unterstützten gemeinsam den sogenannten Vereinten umfassenden Plan (gemeint ist das Abkommen mit den Verhandlungsführern des UN-Sicherheitsrates und der dominierenden EU-Macht BRD – RF). Die achtjährige Präsidentschaft Ahmadinejads und die Irans Wirtschaft zerstörenden Sanktionen westlicher Staaten bürdeten dem Land immense Probleme auf.“ Eine galoppierende Inflation, der Bankrott zahlreicher Unternehmen und zum Himmel schreiende Armut hätten die Gefahr einer sozialen Implosion entstehen lassen und das Regime an den Verhandlungstisch gezwungen.

Seit der Unterzeichnung des Abkommens haben Rouhani und sein Außenminister immer deutlicher durchblicken lassen, daß Iran auch ein wichtiger Partner des Westens bei der „Stabilisierung der Lage im Mittleren Osten“ sein könnte. Rafsanjani spielte mit noch offeneren Karten, als er schon im September 2013 den Gedanken eines militärischen Angriffs auf Syrien ins Gespräch brachte und erklärte, Teheran sollte von einer weiteren Unterstützung der Assad-Regierung Abstand nehmen.

Die Obama-Administration verfolgte jedoch einen anderen Kurs: Sie konzentrierte ihre globale Strategie auf die Bekämpfung zweier machtvollerer Gegner: Rußland und China. Zugleich wählte sie den Weg der Zusammenarbeit mit der in Iran tonangebenden bourgeoisen Elite, um auch in Teheran einen Regimewechsel vorzubereiten.

Alles in allem: Die jüngsten Entwicklungen in und um Iran bergen Licht und Schatten. Sie offenbaren einmal mehr die Tatsache, daß auch das dortige Geschehen von der auf Weltherrschaft gerichteten Globalstrategie der USA und der NATO nicht zu trennen ist.

RF, gestützt auf „Global Research“, Kanada, und „People’s World“, New York