RotFuchs 192 – Januar 2014

Realistische Lagebeurteilung durch Libanons Kommunisten

Klartext aus Beirut

RotFuchs-Redaktion

In letzter Zeit hat sich die Situation in und um Libanon einmal mehr dramatisch verschärft. Die USA und das durch sie finanziell, militärisch und diplomatisch beschirmte, von rechtsgerichteten Zionisten regierte Israel nehmen die Unterstützung der legitimen Regierung Syriens durch die libanesischen Hisbollah-Milizen zum Vorwand für eine neue Attacke auf die Souveränität dieses wichtigen Nahost-Staates. Wiederum ereigneten sich schwere Bombenanschläge in Beirut und anderen Städten, die unter der leidgeprüften libanesischen Bevölkerung abermals viele Opfer forderten. Angesichts dieser sich weiter verschärfenden Konfrontation ist es für die RF-Leser noch wichtiger als sonst, die authentische Meinung der libanesischen Antiimperialisten zu erfahren.

Marie Debs, stellvertretende Generalsekretärin der Libanesischen Kommunistischen Partei (LKP), nahm unlängst in einem Interview, das sie der Pariser Monatsschrift „Initiative Communiste“ gewährte, zu der Notwendigkeit umfassenden nationalen Widerstandes gegen auch ihr Land tangierende US-Projekte Stellung. Sie verwies dabei auf die Bedeutung der vor mehr als 31 Jahren entstandenen, unterschiedliche linke und demokratische Kräfte vereinenden Front des Patriotischen Libanesischen Widerstandes. Diese habe sich dem gemeinsamen Plan von Imperialisten und Zionisten, die gesamte arabische Region dauerhaft in die Hand zu bekommen und mit den Palästinensern kurzen Prozeß zu machen, erfolgreich widersetzt. Die Front trete für eine Beendigung des arabisch-israelischen Konflikts ein.

In dieser breitgefächerten Allianz habe die LKP von Beginn an eine maßgebliche Rolle gespielt, da sie sich trotz unterschiedlicher Positionen bis heute einen gewissen Zugang zu beiden Seiten in dem politisch, ethnisch und religiös gespaltenen Land bewahrt habe.

Bestimmte Führer des sich als progressiv darstellenden derzeitigen libanesischen Regimes seien nur deshalb auf ihre Posten gelangt, weil sie sich mit der Aura einer Wahrnehmung von Interessen der Palästinenser zu umgeben verstünden. Dabei dächten sie nicht im entferntesten daran, daß ein von diesen zu begründender Staat auch eines entsprechenden militärischen Schutzes bedürfe.

Die LKP stelle in Rechnung, daß die 1982 erfolgte israelische Aggression gegen Libanon die Partei und deren Verbündete in die Lage versetzt habe, eine landesweit operierende, die verschiedensten Kräfte einbeziehende patriotische Bewegung ins Leben zu rufen.

Der seinerzeitige US-Außenminister Alexander Haig habe den Plan einer generellen und bedingungslosen Kapitulation der Araber gegenüber Israel und einer Kooperation aller Staaten der Region mit Washington verfolgt. Dieser sei indes durchkreuzt worden, stellte Marie Debs fest.

Nur vier Monate später sei dann durch den saudischen Thronfolger und späteren König Fahd ein weiteres Projekt unterbreitet worden. Obwohl es darin Andeutungen bezüglich eines Palästinenserstaates mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt gegeben habe, sei von der Notwendigkeit einer Akzeptanz der UNO-Entschließungen durch Israel keine Rede gewesen. Im saudischen Plan war das Recht der Palästinenser auf Rückkehr ausdrücklich formuliert worden. Fahds Vorschlag unterschied sich im Ganzen aber nicht wesentlich von einer Reihe durch die USA unternommener Initiativen.

In dem Interview betonte Marie Debs: „Bislang konnte der Imperialismus all diese Pläne dank der Rolle des libanesischen und gesamtarabischen Widerstandes nicht durchsetzen. So verlegte er sich einmal mehr auf die Arabische Liga und den sogenannten Golf-Rat, um seinem Projekt eines „Neuen Mittleren Ostens“ Auftrieb zu verschaffen. Dabei geht es nach Washingtons Vorstellungen um Grenzveränderungen in der gesamten Region auf der Grundlage religiöser, konfessioneller und ethnischer Gemeinsamkeiten. Der Mittlere Osten soll in einen arabischen Mahgreb mit einer Vielzahl von Ministaaten verwandelt werden, die im Kriegsfalle allesamt nicht ohne ausländische Hilfe weiterbestehen könnten. Um zu überleben, müßten sie ihre Reichtümer ohne Zögern großen Konzernen „anvertrauen“.

In diesem Rahmen habe der Irak-Krieg stattgefunden, dem 2006 die israelische Aggression gegen Libanon gefolgt sei, bemerkte Marie Debs. Das sei der Kontext, in dem Washington seine Vorbereitungen für einen Überfall auf Syrien getroffen habe. Bei alldem sei nur ein einziges Ziel verfolgt worden: jegliche Hindernisse aus dem Wege zu räumen, denen sich Israel bei seinem Bestreben gegenübersieht, den Rang Nr. 1 in der Regionalstrategie der USA einzunehmen. Ohne Zweifel gehe es Washington auch um neuentdeckte Lagerstätten von Öl und Erdgas im gesamten östlichen Mittelmeerraum. In diesem Zusammenhang sei alles zu betrachten, was sich derzeit in Libanon abspiele.

Marie Debs äußerte sich überdies zur einseitigen Zerstörung von Chemiewaffenarsenalen in Syrien. So sehr man die besonnene Diplomatie Moskaus in der syrischen Frage anerkennen müsse, so wenig habe die einseitige Teilentwaffnung von Damaskus zu mehr Sicherheit in der Region beigetragen, da sowohl die USA als auch Israel ihre Chemiewaffenbestände in keiner Weise reduziert hätten. So sehe sie in der Zerstörung der syrischen Kampfmittel eher einen Präsident Al Assad aufgezwungenen Gratis-Sieg Israels.

RF, gestützt auf „Initiative Communiste“, Paris