RotFuchs 231 – April 2017

Margot Honecker zum 90. Geburtstag

Prof. Dr. Horst Schneider

Ich begegnete Margot Honecker seit 1955 aus dienstlichen Gründen jährlich mindestens einmal. 1955 begann ich meine Arbeit am Pädagogischen Institut „Karl Friedrich Wilhelm Wander“ mit dem Auftrag, gemeinsam mit anderen eine Pädagogische Hochschule aufzubauen. Margot Honecker war als Mitglied des ZK für die Grundorganisation der SED des Instituts zuständig. Von 1963 bis 1989 war sie als Ministerin unsere Vorgesetzte, welche die Lehrerbildungseinrichtung – ab 1968 Pädagogische Hochschule – als ihr Lieblingskind betrachtete. Kongresse der UNESCO, internationale Tagungen, Besuche von Experten (auch aus den USA und Finnland) zeugten vom Ruf der Hochschule. 

Margot Honecker (17. 4. 1927 - 6. 5. 2016) war eine kluge und charmante Frau. Die Mitarbeiter der Hochschule haben sie als kompetente, freundliche Kollegin kennengelernt, die in Sachsen keine Nachahmer fand. Zu ihren Leistungen zählt die Einrichtung und Förderung der polytechnischen Oberschule, die auch Joachim Gauck und Angela Merkel absolviert haben – anscheinend ohne geistigen Schaden zu nehmen.

In Dresden waren es schon 1976 rund 92 % aller Kinder, welche die Oberschule besuchten. 79 % der Schüler der Klassen 9 und 10 erhielten einen Ausbildungsplatz in der Produktion. Von 1971 bis 1975 entstanden hier 21 neue Schulen, drei wurden erweitert. Der Schaffung von Kindergärten galt ihre besondere Aufmerksamkeit, damit alle Kinder, deren Eltern es wünschten, ein Platz zur Verfügung gestellt werden konnte. Keine Dresdner Tageszeitung hat je das Wirken Margot Honeckers für die Schulen, Kindergärten und Heime in der Elbe-Metropole gewürdigt.

Obwohl die Bibel rät, alles zu prüfen und das Gute zu behalten, tat die christlich-abendländische Regierung Kurt Biedenkopfs mit dem Katholiken Professor Dr. Meyer als Minister das Gegenteil. Der moderne Komplex der Pädagogischen Hochschule wurde zerstört, ohne die planmäßige Lehrerausbildung weiterhin zu sichern. Das Chaos von heute, das u. a. dadurch verursacht wird, daß der Finanzminister das letzte Wort hat und der ermittelte Bedarf keine Rolle mehr spielt, war vor 1990 undenkbar