RotFuchs 199 – August 2014

Mein Vater war der DDR-Autor Curt Letsche

Lothar Letsche

Desillusioniert über die restaurative Entwicklung in der alten Bundesrepublik, wirtschaftlich am Ende, übersiedelte mein Vater 1957 in die DDR. Dem von den Nazis 1940 wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilten Antifaschisten, der den 2. Weltkrieg als politischer Häftling im Zuchthaus Ludwigsburg verbrachte, bot sie die Chance für einen Neustart, die er auch zu nutzen verstand. Vor allem beim Greifenverlag in Rudolstadt konnte er sich als freischaffender Schriftsteller beweisen.

Sein DDR-Erstling „Auch in jener Nacht brannten Lichter“ (1960) erschien indes im Verlag Neues Leben. Der Autor schöpfte dabei aus seiner Biographie. In einem Kleinverlag veröffentlichte Curt Letsche erste Gedichte.

Auf im Widerstand Erlebtes kam er in seinem in Ost wie West am stärksten beachteten Roman „Das Schafott“ (1979) zurück. Der Solidarität der Häftlinge in einem Nazi-Zuchthaus gelingt es in den letzten Wochen des 2. Weltkriegs, die von der Justiz befohlene Ermordung eines politischen Gefangenen zu verhindern. Leider nur im Roman – im dokumentarischen Anhang der 2011 von mir besorgten Neuauflage (Pahl-Rugenstein-Verlag) sind die wirklichen Begebenheiten um den 1943 in Stuttgart hingerichteten Kommunisten Andreas Wössner aus Schramberg im Schwarzwald nachzulesen. In Letsches nächstem Roman „Der Geisterzug“ geht es um ein Himmelfahrtskommando aus KZ- und Zuchthaushäftlingen, das als SS-Eisenbahnbaubrigade das noch nicht von den Alliierten befreite Deutschland durchquert. Im Militärverlag der DDR erschien 1983 leider nur eine vom Lektor um mehr als die Hälfte gekürzte Fassung. Weggefallen war u. a. das dem Autor besonders am Herzen liegende Kapitel mit eigenen Erlebnissen bei der Befreiung im Zuchthaus Kaisheim bei Donauwörth. Vollständig konnte dieser Text erst 2013 bei Pahl-Rugenstein unter dem Titel „Schnittpunkte 1945“ erscheinen.

Im Krimi-Genre erreichte Curt Letsche das DDR-Publikum mit Titeln wie „Der graue Regenmantel“ (1960), „Und für den Abend eine Illusion“ (1961), „Schwarze Spitzen“ (1966), „Das geheime Verhör“ (1967) und „Zwischenfall in Zürich“ (1984). „Das andere Gesicht“ (1977) behandelt Machenschaften des internationalen Organhandels. In „Operation Managua“, 1986 im Dortmunder Weltkreis-Verlag erschienen, geht es um CIA-Operationen. 1994, nach dem Untergang der DDR, schob der inzwischen 82jährige Autor als letzten veröffentlichten Titel die keineswegs phantastische Geschichte „Chromosom X“ nach. Anklang fand Curt Letsche mit seinen utopischen Romanen „Verleumdung eines Sterns“ (1968) und „Raumstation Anakonda“ (1974).

Der in der Schweiz geborene und in Ulm aufgewachsene erfolgreiche Autor Curt Letsche ist auf dem Nordfriedhof in Jena (wo er seit 1971 lebte) beigesetzt.