RotFuchs 199 – August 2014

Nützen die „Tafeln“ nur Hilfsbedürftigen?

Dipl.-Ing. oec. Günter Brendel

Seit der 1953 erfolgten Gründung erster „Tafeln“ in der BRD haben sich diese Vereinigungen für die Versorgung Hilfsbedürftiger mit elementaren Lebensmitteln zu einem nahezu selbständigen Wirtschaftszweig entwickelt. Bestimmte Produkte werden inzwischen eigens für „Tafeln“ hergestellt.

Die Bewegung erfährt das gutgemeinte Engagement vieler ehrenamtlicher Helfer, die selbstlos den oftmals ohne eigenes Verschulden in Not geratenen Mitbürgern ein Überleben auf niedrigem Niveau ermöglichen. Natürlich liegt es im Interesse des Machterhalts der Kapitalisten, soziale Unruheherde gar nicht erst entstehen zu lassen. Vor allem aus diesem Grund erfahren die Organisatoren von „Tafeln“ staatliche Unterstützung, was sich in dem ihnen zuerkannten steuerlichen Status der Gemeinnützigkeit und Mildtätigkeit ausdrückt. Für etliche Unternehmen ist es lukrativ, nicht mehr absetzbare Waren „für humanitäre Zwecke“ zu spenden, um sie als Betriebsausgaben von der Steuer absetzen zu können. Bei Abholung von Restbeständen durch die „Tafeln“ lassen sich überdies Entsorgungskosten einsparen. Nach außen kann man sich dabei das Mäntelchen praktizierter Nächstenliebe umhängen. Wie christlich und sozial ist doch „unsere“ Marktwirtschaft! Der Staat belohnt „Tafel“-Organisatoren auf mannigfache Weise, bisweilen sogar mit dem Bundesverdienstkreuz.

Obwohl die „Tafeln“ keines der Probleme der kapitalistischen Gesellschaft lösen können, machen sie durch ihren Appell andere auf die wachsenden Widersprüche zwischen Arm und Reich in der BRD aufmerksam. „Tafeln“ der westlichen Bundesländer besitzen übrigens völlig anders geartete Strukturen ehrenamtlicher Mitarbeit als jene im Osten, wo die Bedürftigen ganz überwiegend ihre Einrichtungen selbst ins Leben gerufen haben und betreiben.

Wer aber sind die eigentlichen Nutznießer? In erster Linie ist das der Staat, der sich – zumindest partiell – von seiner Fürsorgepflicht für Teile der Notleidenden entbunden sieht. Das verschafft Image und spart Geld. Zweitens können die „uneigennützigen“ Spender – gemeint sind hier nicht solidarisch handelnde Einzelpersonen – ihre Überproduktion gegen Zuwendungsbescheide doch noch absetzen.

Übrigens bestehen zunehmend enge Verflechtungen zwischen der Tafelbewegung, Politikern und Wirtschaftskreisen, die ihrerseits von den Rahmenvereinbarungen profitieren. Neben vergünstigten Abnahme- und Lieferbedingungen für den Eigenbedarf der „Tafeln“ spielen dabei auch vorteilhafte Formen des Kraftstoffbezugs und entsprechende Telekommunikationsverträge eine Rolle.

Auf die Frage, wie man den Grundwiderspruch des Kapitalismus tatsächlich zu lösen vermag, gibt es indes nur eine Antwort: Die Völker bedürfen einer Gesellschaftsordnung, in der es keine „Tafeln“ mehr geben muß. Diesen Anspruch aber kann nur eine klassenkämpferische politische Kraft durchsetzen, die konsequent für die Vergesellschaftung der entscheidenden Produktionsmittel eintritt.