RotFuchs 191 – Dezember 2013

Polierte Platte

Klaus Steiniger

Wenn ich als „alter Zeitungshase“ das jetzt auch äußerlich gewandelte ND betrachte, kann ich das eher gutbürgerlich anmutende Layout höchstens unter dem Gesichtspunkt verminderter Leserfreundlichkeit tadeln. Ich war rund 25 Jahre Redakteur und Auslandskorrespondent des mit dem neuen nicht zu verwechselnden alten ND. Das hatte eine Millionen-Auflage, riß sicher nicht jeden vom Stuhl und war wohl selten ein Blatt der Extraklasse, doch sozialistisch allemal.

Jetzt hat der neue Chefredakteur, um nicht nur Stroh zu häckseln, sondern auch zu schneiden, in einem Artikel über das veränderte Make up der Zeitung den Nagel auf den Kopf getroffen: Mit rationeller Nüchternheit setzte er die Worte Sozialistische Tageszeitung in Anführungszeichen. Mir scheint das eine kluge Idee und eine von Konsequenz zeugende Handlung zu sein.

Denn das, was sich die „Sozialistische Tageszeitung“ am 19. Oktober mit dem Einlegen eines „ausschließlich für ND-Leser bestimmten“ verschlossenen Umschlags der Deutschen Goldmünzen-Gesellschaft geleistet hat, ist schon ein starkes Stück. Dagegen wirken selbst Schütts schüttere Bemühungen, historische Wahrheiten wie die deutsche Sprache nach Leibeskräften auf den Kopf zu stellen, blaß und harmlos.

Was den ND-Lesern hier „exklusiv und nur für sie preisgesenkt“ angeboten wird, ist nicht weniger als eine 24karätige güldene Gedenkmünze zum Thema „25 Jahre Deutsche Einheit“, die bereits jetzt geprägt werden soll. Die Worte „Einigkeit und Recht und Freiheit“ aus dem total kompromittierten Deutschlandlied, das schon den Nazis als Hymne diente, umranden einen stolzen deutschen Adler. Die Völker Europas und der ganzen Welt wissen nur allzugut, wie weit dieser unersättliche Raubvogel seine Schwingen auszubreiten versuchte, bis ihm im Mai 1945 zunächst einmal die Flügel gestutzt wurden.

Wie gut, daß Chefredakteur Tom Strohschneider beim ND rechtzeitig die Anführungszeichen eingeführt hat, um den Eklat in Grenzen zu halten.

„Ein baldiger Ausverkauf“ sei zu erwarten, bieten die Werber der Deutschen Goldmünzen-Gesellschaft den ND-Lesern ihr Produkt an. Vor allem Hartz-IV-Bezieher sollten da rasch zugreifen, weil die Auflage „streng limitiert“ ist. Es gibt nur ein Exemplar pro Haushalt! Dafür aber wird ein absolutes Spitzenerzeugnis geliefert. „Höchste Prägequalität – Polierte Platte“, heißt es in der Beigabe zum ND. Auf einen solchen Köder dürften wohl nur Leute hereinfallen, die sich – wie man in Berlin sagt – „keine Platte machen“.