RotFuchs 193 – Februar 2014

Stefan Liebichs Brückenschlag
zur Wall Street

Dr. Ernst Heinz

Am 30. November wählte das „Forum demokratischer Sozialismus“ (FdS) Stefarn Liebich zu einem seiner drei Sprecher. Dieser erinnerte dabei an Lothar Bisky und dessen „strategisches Dreieck“ aus „Protest, Gestaltungsanspruch und über die derzeitigen Verhältnisse hinausweisender demokratisch-sozialistischer Alternativen“…

Liebich ist für uns kein Unbekannter. In der Berliner PDL-Basisorganisation am Humannplatz besucht er uns fast jedes Jahr. Er ist 41, war zu DDR-Zeiten noch Pionier und dann FDJ-Funktionär, wurde 1989 Mitbegründer der „Jungen Linken“ und mit 18 Mitglied der PDS. Er studierte Wirtschaftsinformatik, arbeitete beim US-Konzern IBM, war PDS-Landesvorsitzender und Mitglied des Abgeordnetenhauses. 2009 nahm er Thierse (SPD) als Direktkandidat den Bundestags-Wahlkreis 76 (Pankow/Prenzlauer Berg) ab und verwies auch 2013 alle dortigen Konkurrenten auf die Plätze. Im Bundestag gehört er dem Auswärtigen Ausschuß und als Stellvertretendes Mitglied dem Verteidigungsausschuß sowie dem Ausschuß für Angelegenheiten der EU an. Gregor Gysi ließ er wissen, er sei bereit, auch in der Fraktion „mehr Verantwortung“ zu übernehmen.

Nachdem die von ihm 2007 initiierte innerparteiliche Strömung FdS, in der sich der „reformorientierte Flügel“ der Linkspartei organisiert, seine „13 Thesen“ zum Programmentwurf der Partei veröffentlicht hatte, gab es in unserer Mitgliederversammlung einen Disput mit ihm über die „Wandlungsfähigkeit“ des Kapitalismus, die Haltung zur NATO und zu Kriegseinsätzen der Bundeswehr, in dem er wie die Katze um den heißen Brei schlich, ohne von seinen Positionen abzurücken. Dann wurde auf dem Erfurter Parteitag das Programm beschlossen, in welchem Kriege und Auslandseinsätze der Bundeswehr sowie Rüstungsexporte abgelehnt werden. Das hinderte Liebich nicht, gemeinsam mit Gerry Woop in der Reihe „WeltTrends“ unter dem Titel „Linke Außenpolitik: Reformperspektiven“ eine Schrift herauszubringen, in der erneut „im Einzelfall völkerrechtskonforme Zwangsmaßnahmen bis hin zu militärisch ergänzten UN-Missionen“ für richtig befunden werden.

Natürlich reagierten die bürgerlichen Medien postwendend: „Führende Außenpolitiker der Linkspartei gegen den weltfremden ,streng-pazifistischen Kurs‘ der Partei … fordern eine Diskussion“, titelte der „Spiegel“, der Liebich so zitierte: „Stößt nicht eine Verabsolutierung des Einmischungsverbots moralisch und juristisch an eine Grenze, wenn es um Genozid bzw. Massenmord geht?“ In den „Nachbemerkungen“ des Heftes, in dem übrigens auch Gregor Gysi und André Brie zu Wort kommen, beklagt das Duo Liebich/Woop zwei spezifische Merkmale der Linken: das Bestreben durch die DDR geprägter Parteimitglieder, die Welt in Gute und Böse einzuteilen und das „Formulieren radikaler Ziele und Visionen“ durch im Westen sozialisierte Genossen.

Wie paßt das alles doch so gut zusammen: Die SPD „öffnet“ sich einem denkbaren Zusammengehen mit der Linkspartei, stellt jedoch als Bedingung, diese müsse sich der BRD-Staatsräson fügen, während die „Realos“ in der PDL bemüht sind, die Partei darauf vorzubereiten! Er könne die von der SPD verlangten Zugeständnisse alle unterschreiben, erklärte Liebich dem „Tagesspiegel“, um ja keine Zweifel an der „Regierungsfähigkeit“ der PDL aufkommen zu lassen.

Lehrt uns die Geschichte nicht, wohin es führt, wenn aus einer vormals sozialistischen eine „demokratisch-sozialistische Reformpartei“ wird? Genau das geschah unter maßgeblicher Mitwirkung Eduard Bernsteins – jenes Mannes, auf den sich bereits der „Außerordentliche Parteitag der SED/PDS“ im Dezember 1989 berief. War Bernsteins Forderung nicht auch eine Regierungskoalition mit den bürgerlichen Parteien? Rechtfertigte er nicht zunächst die Kolonialpolitik des deutschen Imperialismus und dann Weltkrieg wie „Burgfrieden“? Warnte er nicht ausdrücklich vor dem Antimilitarismus Karl Liebknechts und Rosa Luxemburgs?

Zurück zu Liebich. Kürzlich las ich, er sei stolz darauf, Mitglied der „Atlantik-Brücke“ zu sein. Ich informierte mich und fand heraus: 1952 ließen einige Spitzenleute aus Wirtschaft, Hochfinanz, Staat und Medien der BRD dieses private „Politik-Beratungs-Institut“ ins Vereinsregister von Berlin-Charlottenburg eintragen; das Wort „Brücke“ weist auf die Absicht hin, das Zusammenwirken von USA und BRD auf ökonomischem, politischem, militärischem und ideologischem Gebiet zu fördern. Initiator war seinerzeit der in der BRD residierende US-Hochkommissar John J. McCloy, Adenauer-Schwager und Großbankier. Als Geldgeber betätigten sich die Deutsche Bank und führende Konzerne. Zu den Mitgliedern dieses Klubs gehören heute neben ehemaligen und noch amtierenden Bundespräsidenten, Kanzlern, Außen- und Kriegsministern die Top-Manager von über der Hälfte aller deutschen DAX-Unternehmen, die Spitzen der Medienkonzerne und Verlage, hochrangige Offiziere der Bundeswehr, die Vorsitzenden von CDU, SPD und Grünen sowie – man höre und staune – Stefan Liebich von der Linkspartei. Vorstandsvorsitzender ist der CDU-Politiker Friedrich Merz. Die US-Schwesterorganisation nennt sich „American Council on Germany“. Zu ihr gehören neben den Vertretern der großen Bankhäuser und Konzerne „Prominente“ wie Henry Kissinger, Vernon A. Walters, George Bush sen. und Condoleezza Rice.

Die Atlantik-Brücke hat sich zu einer der einflußreichsten Organisationen der BRD entwickelt. Sie fördert die persönlichen Beziehungen zwischen BRD- und USA-Führungskräften aus Politik, Wirtschaft, Militär und Medien, wirkt aktiv auf die Ausrichtung der „öffentlichen Meinung“ ein und organisiert den Informations- und Personalaustausch. Sie kümmert sich um die „Young Leaders“ – aufstrebende Führungskader, die besonders gefördert werden. Übrigens: Um die Mitgliedschaft in dem illustren Klub kann man sich nicht bewerben – man wird auserwählt. Einer dieser Auserwählten ist der „Sozialist“ Stefan Liebich!

Das haben die Wähler im September 2013 sicher nicht gewußt. Jene, welche damals für die Linkspartei stimmten, votierten für sie vor allem wegen ihrer Anti-Kriegs-Position. Wenn Leute wie Liebich diese jetzt verlassen und sich einer eventuellen Regierungsbeteiligung 2017 wegen auf die Seite der NATO-Befürworter begeben, werden wir sie nicht noch einmal wählen.

Sollten sich in der Parteiführung die Befürworter von NATO und Kriegseinsätzen durchsetzen, würde die PDL überflüssig. Dann müßten wir nicht nur solchen „Young Leaders“, sondern auch der Partei selbst ade sagen. Lassen wir es nicht dazu kommen!