RotFuchs 230 – März 2017

Stimmen aus aller Welt über die DDR
(Folge 8)

RotFuchs-Redaktion

Solange der sozialistische deutsche Staat, die DDR, existierte, haben sich immer wieder Persönlichkeiten aus der ganzen Welt bei oder nach Besuchen über die DDR geäußert. Zum 30. Jahrestag am 7. Oktober 1979 hat die Auslandspresseagentur Panorama DDR über hundert solcher Stellungnahmen in einem Buch vereint. Entstanden ist so ein Mosaik persönlicher Erfahrungen und Erkenntnisse, die jeweils ein Stück gesellschaftlicher Wirklichkeit widerspiegeln. Stellvertretend für die anderen veröffentlichen wir hier einige dieser Äußerungen; Älteren zur Erinnerung, Jüngeren zur Verdeutlichung dessen, was die DDR für die Welt – und für uns – war.

Dr. Halfdan Mahler (1923–2016)

Dr. Halfdan Mahler (1923–2016)

Von 1973 bis 1988 Generaldirektor
der Weltgesundheitsorganisation

Mein Aufenthalt in der Deutschen Demokratischen Republik hat meine Überzeugung bestärkt, daß es das Anliegen des Gesundheitswesens der DDR ist, allen Bürgern eine ebenbürtige medizinische Betreuung zu gewährleisten. Inhalt und Qualität dieses Gesundheitswesens sind bemerkenswert. Die Wissenschaftler und Ärzte, denen ich begegnet bin, sehen ihre Arbeit nicht durch die „engen“ Augen des Mediziners, sondern ihre Aktivitäten sind prinzipiell sozial orientiert. Diese Eigenschaft ist nicht hoch genug einzuschätzen.

Die soziale Orientierung wissenschaftlicher Arbeit ist gegenwärtig in der Welt noch recht problematisch. In diesem Zusammenhang denke ich besonders an die Tuberkuloseforschung und -bekämpfung, wo von der DDR Pionierarbeit geleistet worden ist. Die gleiche Einstellung habe ich auch bei jenen Wissenschaftlern gefunden, die sich mit bedeutenden Problemen im Kampf gegen Herz-, Kreislauf- und Geschwulsterkrankungen beschäftigen. Was mich dabei besonders beeindruckt hat, ist die beispielgebende multidisziplinäre Zusammenarbeit zahlreicher Fachgebiete zur Lösung eines gemeinsamen, sozialorientierten Themas.

Für uns alle, die wir auf dem Gebiet des Gesundheitswesens arbeiten, ist es wichtig, ein Land in unserer Mitte zu wissen, das auf dem Gebiet des Gesundheitswesens in relativ kurzer Zeit so Gewaltiges geschaffen hat. Das ist sowohl moralisch als auch technisch außerordentlich bedeutungsvoll.

Die WHO wird die reichen Erfahrungen der DDR auswerten und sie allen Ländern zugänglich machen. Besonders freue ich mich auf eine intensive Zusammenarbeit in Wissenschaft und Forschung. Diese wird sich auf vordringlich zu lösende Themen beziehen, beispielsweise der Herz-Kreislauf- und Geschwulstforschung sowie chronisch pulmonale Erkrankungen und des Umweltschutzes. Nicht weniger wichtig ist, daß DDR-Wissenschaftler an den von der WHO organisierten Konferenzen und Symposien teilnehmen und die Thematik bereichern, so wie es einige bereits im Rahmen der Expertenkomitees tun.

Ich habe den Eindruck gewonnen, daß der Beitrag, den die DDR für die Weltgesund­heitsorganisation leistet, nicht nur national orientiert ist, sondern für das Wohl aller Völker geleistet wird.

Miguel Aguila

Diplomchemiker, Kuba

Mein Erlebnis DDR sind viele Erlebnisse und Erfahrungen, es sind immerhin 14 Jahre meines Lebens. Von vier wenigstens möchte ich hier erzählen.

Mein erstes Erlebnis DDR war das Lernen. In Merseburg begann ich 1964 mein Studium an der Technischen Hochschule für Chemie, die ich 1971 als Diplomchemiker verließ. Ich begann, Zeuge einer beeindruckenden Entwicklung dieses Landes in der Ökonomie, der Politik und dem Bewußtsein der Menschen zu werden, ich begann, den Geist der Solidarität zu spüren und des proletarischen Internationalismus. Ich begann einen Lebensabschnitt, der ein sehr entscheidender für mich werden sollte.

Mein zweites Erlebnis DDR war die Liebe. Es begann mit einem Basketballspiel. Die kubanische Nationalmannschaft weilte zu einem freundschaftlichen Vergleich in Halle. Unter den Zuschauern Nina. Ich betreute die „Langen“ von der Insel. Dabei lernte ich Nina kennen. Ich lud sie für den Sonntagnachmittag zu einem Kaffee ein. Nun müssen Sie wissen, daß wir Kubaner im allgemeinen Frühaufsteher sind. Aber daran allein lag es nicht, daß ich bereits am frühen Morgen bei ihr klingelte. Aus dieser Ungeduld eines kubanischen Frühaufstehers sind mittlerweile zehn glückliche Ehejahre geworden.

Ninas Mutter kämpfte während des zweiten Weltkrieges in der französischen Resistance, später, nach dem Inferno in die DDR gekommen, arbeitete sie als Fachärztin in der Nationalen Volksarmee. Ninas Vater kämpfte als Interbrigadist im Thälmann-Bataillon in Spanien. Im Bekanntenkreis von Ninas Mutter fand ich, 10 000 Kilometer von meiner Heimat entfernt, nicht nur das Glück der Liebe, sondern auch das Glück der weltanschaulichen Gemeinsamkeit. Nina und ihre Mutter, ihre Gedankenwelt und das Handeln der ihnen vertrauten Menschen wurden für mich ein unverwechselbares Stück DDR.

Mein drittes Erlebnis DDR ist die Freundschaft. 1974/75 weilte ich schon einmal an der Wilhelm-Pieck-Universität, um meine Dissertation zu beginnen. Seit dem November 1977 arbeite ich hier an ihrer Fertigstellung. Wie nun sieht die Freundschaft der DDR-Kollegen aus? Sie helfen uns, indem sie uns fordern und uns lehren, selbständig wissenschaftlich zu arbeiten und zu forschen. Nach der Revolution haben viele hochqualifizierte Wissenschaftler meine Heimat verraten und sind in die USA gegangen. Wir jungen Leute, die jetzt hier lernen und studieren, müssen möglichst schnell die großen Lücken schließen, die so entstanden sind.

Im nächsten Jahr voraussichtlich werde ich nach Kuba zurückkehren. Dann beginnt mein viertes Erlebnis DDR. Und das wird die Bewährung sein. Für mich wird das intensive Forschungsarbeit an der Universität von Santa Clara, der etwa 300 Kilometer östlich von Havanna gelegenen Hauptstadt der Provinz Villa Clara, bedeuten. Für Nina wird es heißen, die kubanischen Wissenschaftler, die sie in der deutschen Sprache unterrichtet, so gut wie möglich auf ihr Studium in der DDR vorzubereiten. Genau betrachtet gibt es für mich gar kein Erlebnis DDR. Es gibt nur ein Erlebnis DDR – Kuba.