RotFuchs 187 – August 2013

Vor 21 Jahren brannte das
Lichtenhagener „Sonnenblumenhaus“

Hans-Jürgen Grebin

An dem Pogrom, das sich zwischen dem 22. und dem 26. August 1992 in Rostock-Lichtenhagen zutrug, waren in erster Linie nicht die dortigen Einwohner schuld, obwohl etliche von ihnen leider zur Kulisse gehörten, sondern Regisseure im Hintergrund des Geschehens und staatliche Organe der BRD. Größere Kontingente von Asylbewerbern hatte man nicht ohne Absicht aus Hamburg in die Ostseemetropole gebracht, wo man in unmittelbarer Nähe eines Wohnheims für vormalige vietnamesische Vertragsarbeiter eine Zentrale Aufnahmestelle einrichten wollte.

Die nach Rostock-Lichtenhagen verbrachten Asylsuchenden wurden an Ort und Stelle de facto ihrem Schicksal überlassen. Das trug dazu bei, daß der Stadtteil Lichtenhagen und insbesondere das Revier um das durch sein Sonnenblumenmosaik auffallende Hochhaus zum Schauplatz chauvinistischer Exzesse wurden. Dabei spielte die Tatsache eine Rolle, daß die nach dem Untergang ihres sozialistischen Staates verunsicherten und überwiegend orientierungslos gewordenen vormaligen DDR-Bürger durch das außer Kontrolle geratene Geschehen in Panik versetzt worden waren. Das angeheizte Klima ermöglichte es, auswärtigen und einheimischen Rechtsradikalen, den Funken ins Pulverfaß zu schlagen.

Ich bin heute noch innerlich erregt, wenn ich die Unglückseligen vor mir sehe, die damals unter freiem Himmel kampieren mußten. Die entstandene Situation wirkte selbst auf fortschrittlich eingestellte Bewohner des Viertels derart frustrierend, daß sie außerstande waren, dem Terror entgegenzutreten. Die schlecht ausgerüstete Polizei war völlig demotiviert. Unter dem Jubel der Provokateure wurden die tatenlos gebliebenen Uniformierten obendrein auch noch aus unverständlichen Gründen wieder abgezogen.

Vor 21 Jahren gingen die Bilder des mit „Molotowcocktails“ in Brand gesetzten Gebäudes, in dem sich noch etwa 100 Vietnamesen befanden, um die Welt. Reporter der Presse und des Fernsehens aus dem In- und Ausland waren ständig vor Ort. Der Tenor der Westjournaille lautete einhellig, das Pogrom von Lichtenhagen wurzele in der angeblich ausländerfeindlichen und rassistischen Erziehung und Haltung ehemaliger DDR-Bürger.

Übrigens hatten die Gesinnungsgefährten der damals am Versagen der BRD-Staatsmacht Schuldigen obendrein noch eine gespenstische Idee: Statt einer Trauerweide pflanzten extrem Instinktlose 2012 im Beisein von Würdenträgern aus Bund, Land und Stadt nicht weit vom Tatort ausgerechnet eine deutsche Eiche. Sie wurde am nächsten Tag von Beherzten um die Hälfte gekürzt. Auch das war ein symbolhaftes Handeln, gilt es doch zu verhindern, daß die Bäume größenwahnsinniger Chauvinisten in den Himmel wachsen.