RotFuchs 217 – Februar 2016

Wahlen in Spanien:
Die Falange-Nachfolger unterlagen

RotFuchs-Redaktion

Die spanischen Parlamentswahlen vom 20. Dezember widerspiegelten wesentliche Verschiebungen in der politischen Szenerie des iberischen Königreichs, schufen aber zugleich eine Situation, in der rasche und zugleich stabile Lösungen nach der Ära Rajoys wohl schwer zu erreichen sein dürften.

Was hat der Urnengang den Spaniern gebracht? Die rechtskonservativ-faschistoide Volkspartei (PP), die seit dem 1976 eingeleiteten Übergang von Francos Gewaltherrschaft zu einer eingeschränkten bürgerlichen Demokratie im Wechsel mit der sozialdemokratischen PSOE in Madrid am Ruder gewesen ist, erlitt eine schwere Niederlage. Sie erklärte sich mit einem Stimmenanteil von 28,7 % und 123 der 350 Parlamentssitze zwar dennoch zum Sieger, verlor aber 3,7 Millionen Wähler und büßte mit dem Verlust von 64 Mandaten die absolute Mehrheit im Parlament ein.

Alberto Garzón, Führer der Izquierda Unida (Vereinigte Linke), wurde von allen Fernsehdebatten der Spitzenkandidaten bewußt ausgeschlossen.

Auch die PSOE (22 %), die den zweiten Rang „eroberte“, verlor 20 Mandate und 6 % des Votums. Sie verbuchte für sich das schlechteste Wahlergebnis seit dem Ende der Franco-Diktatur.

Hauptgewinner der Wahlen war die erst 2014  gegründete linkszentristische Formation Podemos des jungen Politologen und Fernsehmoderators Pablo Iglesias, die sich ähnlich wie Griechenlands Syriza als linke Kraft versteht, wobei sie zugleich den weiter zurückgefallenen konsequenteren Linken der Izquierda Unida (IU) erhebliche Stimmen- und Mandatsverluste bescherte, da diesmal auch viele ihrer früheren Stammwähler aus Opportunitätsgründen für Podemos votierten. Hierbei schlug zweifellos zu Buche, daß Iglesias in einer Fernsehansprache auch an die kommunistische Führerin Dolores Ibarruri und den unter Franco ermordeten Federico Garcia Lorca sowie den ins Exil getriebenen Dichter Rafael Alberti erinnerte. Die neue Partei errang mit 20,6 % und 69 Mandaten auf Anhieb den dritten Rang.

Die aus der KPS hervorgegangene IU, die diesmal als Unidad Popular für sich warb, verlor 9 ihrer 11 Sitze und verfehlte damit das Ziel, wieder Fraktionsstärke zu erreichen. Wie „demokratisch“ übrigens das spanische Wahlsystem ist, illustriert die Tatsache, daß die beiden großen Parteien für jeweils einen Sitz nur etwa 60 000 Stimmen benötigten, während die IU/UP dafür 400 000 aufbringen mußte.

Aus dem Marsch für Würde, der am 22. März 2014 nach Madrid führte, entstand Podemos.

Zur viertstärksten Kraft wurde die gleichfalls von „neuen und jungen“ Rechten formierte Bewegung „Ciudadanos“ (Bürger), die von der Reaktion offensichtlich in Windeseile aufgebaut worden war, um wankende Wählerschichten der erkennbar abstiegsbedrohten PP Mariano Rajoys aufzufangen und so die Fortsetzung der Rechtsregierung in Form einer Koalition zu ermöglichen. Das mit 13,9 % und 14 Mandaten aus dem Rennen hervorgegangene „neue Politikum“ verfehlte jedoch das ins Auge gefaßte Ziel, das PP-Regime auf „demokratischem Wege“ fortsetzen zu können. Angesichts dieser Tatsache erklärten die „Bürger“, sie wollten – wie alle anderen Parteien einschließlich der jetzt durch Alberto Garzón geführten PSOE – eine Koalition mit der PP zumindest vorerst ausschließen. (Übrigens bezeichnen Kenner der Materie die „Ciudadanos“ unterdessen längst als eine Erfindung von IBEX – des Zusammenschlusses der börsennotierten Konzerne Spaniens.)

Während viele Linksorientierte ebenso große Sympathien wie Illusionen in bezug auf Podemos hegen, sollte man auch diese Bewegung unbedingt differenzierter betrachten. Wie bei der griechischen Syriza gibt es in ihr weit auseinandergehende Flügel. Auf ihrem Gründungskongreß im Herbst 2014 vermochte die Gruppe um Iglesias weiter linksstehende Kräfte bei der Wahl des 65köpfigen Parteivorstandes mit Erfolg abzudrängen. Seitdem herrscht dort ein extrem personenbezogener Führungsstil. So bleibt abzuwarten, ob die neue Partei auf Dauer eine widerständige Kraft sein oder sich in Spaniens neue Sozialdemokraten verwandeln, also den Platz der geschwächten PSOE einnehmen wird.

Noch ein Wort zur überragenden Rolle der jungen und dynamischen Bürgermeisterin von Barcelona. Die einstige Anführerin der Bewegung gegen Zwangsräumungen Ada Colau spielte den wohl wichtigsten Part bei der Formierung des Wahlbündnisses „En Comú Podem“ (Gemeinsam können wir es) aus Podemos, IU und linksgrüner Regionalpartei ICY, das in Katalonien 24,7 % der Stimmen gewann, während die bürgerlichen Nationalisten dort auf nur 15,1 % zurückfielen. Überhaupt haben die um Podemos zusammengeschlossenen Kräfte in einer Reihe besonders umkämpfter Regionen wie Asturien, dem Baskenland und Valencia überdurchschnittlich gut abgeschnitten.

Am 13. Januar – nach Redaktionsschluß dieser RF-Ausgabe – nahm das Madrider Parlament seine Tätigkeit auf. Sollte es zu keiner Mehrheitsentscheidung für ein neues Kabinett kommen, obliegt es dem König, ihm geeignete Personen zu benennen, die bei absoluter Mehrheit im 1. und bei relativer Mehrheit im 2. Wahlgang als bestätigt gelten. Beim Scheitern in beiden Fällen müssen nach spanischem Recht innerhalb von zwei Monaten Neuwahlen stattfinden, die von den Parteien offensichtlich nicht gewünscht werden.

RF, gestützt auf „Sozialismus“, Hamburg, „Solidaire“, Brüssel, „Granma“, Havanna, People’s World, New York