RotFuchs 215 – Dezember 2015

Diskussionsbeitrag Klaus Steinigers
auf der 8. RF-Mitgliederversammlung

Was uns hemmt und was uns hilft

Klaus Steiniger

Liebe Genossinnen und Genossen,

bitte gestattet mir, von der in unserer Diskussionspraxis üblichen Norm der Beschäftigung mit einem konkreten Sachverhalt oder einer wichtigen Einzelfrage abzuweichen und Bemerkungen eher genereller Art zu machen.

Nach 67jähriger Zugehörigkeit zur kommunistischen Bewegung – die letzten 23 Jahre in der DKP – und nach fast 18 Jahren redak­tioneller Tätigkeit mit dem „RotFuchs“ halte ich den Zeitpunkt für geeignet, etwas Bilanzierendes und vielleicht auch für die künftige Arbeit Verwertbares vorzutragen.

In der Zeit des Bestehens unserer Zeitschrift und des sie seit 2001 herausgebenden Fördervereins haben wir viele Erfahrungen gesammelt und einen politischen Reifeprozeß durchlaufen. Gut Ding will Weile haben, heißt es nicht ohne Grund.

Als Revolutionäre, welche die Welt und das eigene Land tatsächlich verändern wollen, müssen wir uns gegen rechten Opportunismus wie gegen pseudolinken Revolutio­narismus wenden. Wer die Vorstellung vertritt, die Geschichte lasse sich antreiben oder ein Avantgardist zu sein bedeute die Einengung auf einen kleinen Kreis marxistisch hochgebildeter und hinreichend kampferfahrener Revolutionäre der Extraklasse, bringt unsere „RotFuchs“-Arbeit nicht voran. Und wer da glaubt, man müsse das Wort Revolution mit drei großen R schreiben und spätestens übermorgen an der nächsten Straßenecke damit beginnen, die Verhältnisse von Grund auf umzustülpen, hat Marx, Engels und Lenin wohl kaum richtig verstanden. Tatsächliche Weltveränderer zählen keineswegs zu jenen, welche den Aufbau des Kommunismus auch auf dem Mond empfehlen, ohne dabei die fehlende Atmosphäre zu berück­sichtigen. Bei unserer täglichen politischen Arbeit sollten sich im Marxismus-Leninismus Bewanderte sowohl durch eine belastbare Klassenposition als auch durch Verzicht auf Anflüge des Sektierertums und des dogmatischen Sprüche­klopfens erkennbar machen. Erforderlich ist neben Sachlichkeit in der eigenen Argumentation vor allem auch die Bereitschaft zur Toleranz gegenüber fair gesonnenen Andersdenkenden, die ja in keineswegs geringer Zahl zu unseren Lesern und täglichen Gesprächspartnern gehören. In der Wolle gefärbte Kommunisten und Sozialisten sollten einen besonderen Nerv für potentielle Bundesgenossen besitzen, selbst wenn man mit diesen nur ein Stück des Weges gemeinsam gehen kann.

Blick in den Saal

Der Erfolg des RF, der ja im Februar 1998 zunächst von schon damals auf Patrik-Köbele-Positionen stehenden Genossinnen und Genossen der DKP-Gruppe Berlin-Nordost gegründet wurde, um bald darauf zu einer parteiunabhängigen Tribüne für Kommunisten und Sozialisten in Deutschland zu werden, ist vor allem in der bereits erzielten und ständig weiter zunehmenden Wirksamkeit unserer Argumentation zu erblicken. Ohne daß wir den eigenen politisch-ideologischen Standort jemals ver­heimlicht oder geändert hätten, ist es uns gelungen, ein weit gefächertes Spektrum unsere Zeitschrift und deren Trägerverein als politische Heimat betrachtender Leser und Mitstreiter unter einem Dach zusammenzuführen. Als bei Lenin gebliebene Marxisten sollten wir darüber sehr froh sein, Seite an Seite mit Zehntausenden Mitgliedern und Wählern der Linkspartei für uns verbindende Ziele einstehen zu können. Es handelt sich dabei um jene Genossinnen und Genossen, welche den auf Führungsebene mehrheitlich verfolgten Kurs einer immer offensichtlicheren Sozialdemokratisierung der PDL ablehnen.

Der neue Vorsitzende des RF-Fördervereins, Arnold Schölzel, und seine Stellvertreter Walter Schmidt (li.) und Wolfgang Dockhorn (re.)

Daß zu unserem Autorenkreis neben Kommunisten, Sozialisten und derzeit Partei­losen auch der SPD-Genosse Johann Weber aus Niederbayern, der lutherische Theologe Peter Franz aus Weimar und der Pfarrer im Ruhestand Hans-Joachim Brühe aus Falkensee gehören, freut uns sehr. In Zukunft werden wir auch an der Gewerk­schaftsfront aktiver sein und auf bündnisbereite Kräfte deutlicher zugehen. Der Leitartikel unserer Dezember-Ausgabe ist diesem Thema gewidmet.

Noch ein Wort zur Durchsetzungsfähigkeit der Argumentation des RF, der heute die auflagenstärkste marxistische Monatsschrift in deutscher Sprache ist. Seit Jahren besitzen nun schon anfangs fast nur von uns vertretene und in die politische Debatte hineingetragene Begriffe unter konsequenten Linken einen hohen Stellenwert. Dazu gehört die Erkenntnis, daß es sich bei der sogenannten Wende um eine geradezu klassische Konterrevolution gehandelt hat, und daß die DDR – bei all ihren Defiziten und trotz ihres ruhmlosen Abgangs – die größte Errungenschaft in der Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung gewesen ist.

In diesem Sinne können wir uns durchaus als Wegbereiter betrachten. Mögen unser Verein und seine Zeitung auch künftig Weggefährten all jener sein, die für stabilen Frieden, internationale Solidarität und die Überwindung des kapitalistischen Systems kämpfen.