RotFuchs 225 – Oktober 2016

Wie der Berliner Senat mit Geschichte umgeht

Wer war Dr. Arthur Werner?

Lutz Heuer

Dr. Arthur Werner

Mai 1945: Für den Oberbürgermeister Berlins Dr. Arthur Werner und seine Stadträte ging es darum, unter großem persönlichem Einsatz das Leben in der Stadt wieder in Gang zu bringen, den Hunger und das Elend der Menschen zu lindern, Krankheiten und Seuchen zu bekämpfen, die Auswirkungen des Krieges Schritt für Schritt zu über­winden. Doch vergebens wird man heute nach einer sonst üblichen Würdigung, wie beispielsweise die Benennung einer Straße, suchen.

Arthur Werner war es, der am 3. Januar 1946 Wilhelm Pieck zum 70. Geburtstag die erste Ehrenbürgerschaft Berlins nach Kriegsende verlieh. Zwei Jahre später beschloß die Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin, die seit September 1948 in Westberlin tagte, auf Antrag der SPD- und LDP-Fraktion die Streichung Wilhelm Piecks aus der Liste der Ehrenbürger. Dabei schreckte man nicht davor zurück, diesen Antifaschisten in einem Zuge mit den Kriegsverbrechern Adolf Hitler, Hermann Göring, Joseph Goebbels und Wilhelm Frick zu streichen.

Auch in der neuen, im Herbst 1992 von Senat und Abgeordnetenhaus beschlossenen Ehrenbürgerliste wird man den Namen Wilhelm Piecks nicht finden. Lediglich eine Gedenktafel an seinem Wohnhaus in Berlin-Lichterfelde erinnert seit 1994 an ihn.

Die am Stadthaus angebrachte Tafel mit der Inschrift: „Am 19. Mai 1945 wurde in diesem Gebäude der Magistrat der Stadt Berlin durch den ersten sowjetischen Stadtkommandanten N. E. Bersarin feierlich in sein Amt eingeführt. Erster Ober­bürgermeister war Dr. Arthur Werner“ wurde entfernt. Ähnlich verhielt es sich mit dem von Walter Womacka 1987 angefertigten Porträt von Arthur Werner, das bis zum Ende der DDR im Roten Rathaus hing. Man hat es ins Depot der heutigen Stiftung Stadtmuseum verbannt.

Das nahm ich zum Anlaß, um mich im Juli 2013 an die Senatskanzlei, Kulturelle Angelegenheiten, zu wenden. Ich bat darum zu prüfen, für das erwähnte Bild wieder einen gebührenden Platz in Berlin zu finden. Als Antwort bekam ich folgende E-Mail: „Ihre Nachricht vom 3. 7. 2013 bezüglich Ihrer Anfrage haben wir erhalten. Zum Ergebnis unserer Recherchen werden wir Ihnen zu gegebener Zeit eine Antwort zukommen lassen.“ Am 30. September 2013 erhielt ich folgende Nachricht: „Ihr Anliegen ist hier weiter in Bearbeitung; das Ergebnis der inzwischen abgeschlos­senen Recherchen bezüglich einer möglichen öffentlichen Präsentation des Porträts Arthur Werners wird in Kürze der für die abschließende Entscheidung zuständigen Stelle vorgelegt werden. Selbstverständlich werden wir Sie unverzüglich informieren, sobald diese Entscheidung getroffen worden ist.“ Zwei Jahre später, am 26. Januar 2015, dann eine weitere Meldung: „… Ihre Anfrage wird hier in der Berliner Kulturverwaltung bearbeitet. … Daß Sie bislang nicht von uns gehört, gelesen haben, liegt vor allem daran, daß Ihr Anliegen im Verlauf personeller Wechsel hier in der Leitung nicht weiter bearbeitet worden ist. … Ich versichere Ihnen, daß wir Ihnen alsbald eine Nachricht zukommen lassen …“ Die dann folgende Information vom 10. März 2015 lautete wie folgt: „… Ich bitte zunächst um Nachsicht für die doch sehr späte Beantwortung Ihrer Anfrage. Zu unserem Bedauern vermögen wir Ihrem Anliegen, …, im Ergebnis einer langen und intensiven Diskussion, nicht zu entsprechen. … Die Anbringung des von Walter Womacka geschaffenen Porträts von Arthur Werner läßt sich leider nicht in die künstlerische Gesamtanmutung der Galerie des Roten Rathauses einpassen. Hinzu käme, daß das Risiko einer Schädigung des Bildes durch Besucher nicht ausgeschlossen werden kann. Auch ist die Gefahr nicht auszuschließen, daß die klimatischen Bedingungen des Roten Rathauses unter konservatorischen Gesichtspunkten der künstlerischen Qualität des Werner-Porträts abträglich sein könnten. … Im Ergebnis einer sorgfältigen Abwägung des Für und Wider aller Facetten Ihres Anliegens hat sich die Waage aber zur Seite der Ablehnung geneigt. Das Stadtmuseum, in dessen Depot sich das Porträt befindet, hat mitgeteilt, daß es konservatorisch unbedenklichen Leihanfragen anderer Institutionen jederzeit offen gegenübersteht. Vielleicht ergibt sich ja an einem anderen Ort die Möglichkeit, das Porträt von Herrn Dr. Werner dauerhaft zu zeigen …“

Wiederholt wird das Argument angeführt, daß nur jene Persönlichkeiten gezeigt oder erwähnt werden, die demokratisch gewählt wurden. In diesem Zusammen­hang muß daran erinnert werden, daß die Bürgermeister nach Kriegsende, nicht nur in Berlin, von den jeweiligen Besatzungsmächten zur Verwaltung eingesetzt und beliebig auch abgesetzt wurden, es galt Besatzungsrecht.

Das wohl prominenteste Beispiel aus dieser Zeit war der Umgang der Besatzungs­mächte mit dem späteren ersten Kanzler der BRD Konrad Adenauer. 1945 setzten ihn die Amerikaner am 4. Mai, da er bereits von 1917 bis zum 13. März 1933 das Amt des Oberbürgermeisters in Köln ausgeübt hatte, wieder ein. Nach wenigen Monaten entließ ihn der britische General wegen angeblicher Unfähigkeit, erteilte ihm sogar Hausarrest und verbot ihm, die Stadt Köln zu betreten. Adenauer habe sich nicht energisch genug um die Ernährungsversorgung gekümmert. Die britische Besatzungsmacht verhängte gegenüber Adenauer für die Zeit vom 6. Oktober bis 4. Dezember 1945 ein Verbot parteipolitischer Betätigung.

Geschichte von 1945 bis 1989 darf nicht von ihrem Ende, sondern muß von ihrem Beginn an objektiv betrachtet und beurteilt werden. Hindenburg ist immer noch Ehrenbürger, aber der erste Friedensbürgermeister Dr. Arthur Werner und sein Magistrat sollen vergessen werden.