Churchills Fulton-Rede war nach 1945
die erste offene Kampfansage an die UdSSR
„Wir haben das falsche Schwein geschlachtet“
Vermutlich kennt jeder Leser ein Foto, auf dem die „großen drei“ abgebildet sind – J. W. Stalin, Winston Churchill und Franklin Delano Roosevelt – ob in Teheran, Jalta oder Potsdam. Die Eintracht zwischen den Hauptmächten der Antihitlerkoalition, welche diese Aufnahmen suggerieren, sollte auch nach dem Krieg fortbestehen. Sie wurde auf den genannten Konferenzen und bei der Gründung der Vereinten Nationen feierlich beschworen.
Die Sowjetunion brauchte und wollte nach den Opfern und Verwüstungen des Krieges nichts sehnlicher als einen dauerhaften Frieden. Stalins Grußbotschaft aus Anlaß der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik und die „Stalin-Note“ von 1952, die einen Friedensvertrag mit einem neutralen Deutschland vorschlug, lieferten den Beweis dafür, wie ernst der Sowjetunion eine Vermeidung der Konfrontation war. Die imperialistischen Mächte – insbesondere die vom Krieg territorial nicht betroffenen Vereinigten Staaten – zogen andere Schlußfolgerungen aus dem großen Blutvergießen. Churchill soll sie auf den rüden Nenner gebracht haben: „Wir haben das falsche Schwein geschlachtet.“ Er war es auch, der dann am 5. März 1946 in Fulton bei Anwesenheit des US-Präsidenten Harry Truman eine Rede hielt, welche die Weichen für die westliche Nachkriegsstrategie stellte. Deren Schatten werden bis heute auf die Geschichte geworfen.
Die BRD-Kriegsministerin von der Leyen in Churchills Fußstapfen
Worin bestehen Bedeutung und Wirkung dieser Rede, die nur ein Jahr später – am 12. März 1947 – von Truman ergänzt und zur außenpolitischen Doktrin der USA erklärt wurde?
Erstens. Churchill kündigte vor aller Welt die feierliche Verpflichtung der Antihitlerkoalition, die Zusammenarbeit auch nach dem Krieg aufrechtzuerhalten. Er forderte feindselige Schritte gegen die UdSSR. Zwar äußerte der Ex-Premier noch seine „Achtung und Bewunderung für das tapfere russische Volk und meinen Kameraden aus der Kriegszeit Marschall Stalin“, beschuldigte aber zugleich die Sowjetunion, ihre Macht und ihre „Doktrin“ ausdehnen zu wollen. Das Gespenst von der „roten Gefahr“, das schon Hitler beschworen hatte, wurde nun auch als Popanz und Eckstein „westlicher Politik“ über Jahrzehnte hinaus festgeschrieben. Dieser Kurs, der als Begründung der NATO-Politik diente, wird sogar gegenüber Putin weiter ins Feld geführt.
Zweitens. Churchill bediente sich des Begriffs „Eiserner Vorhang“, der zur Standard-Formel in der politischen Auseinandersetzung wurde. Er interpretierte die Verfaßtheit der Welt so, daß aus der Forderung nach Veränderung das Verlangen nach „Befreiung“ abgeleitet werden konnte: „Von Stettin an der Ostsee bis hinunter nach Triest an der Adria ist ein ‚Eiserner Vorhang‘ über den Kontinent gezogen. Hinter jener Linie liegen alle Hauptstädte Zentral- und Osteuropas: Warschau, Berlin, Prag, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Alle jene berühmten Städte liegen in der Sowjetsphäre, und alle sind in dieser und jener Form nicht nur sowjetrussischem Einfluß, sondern auch der Moskauer Kontrolle unterworfen.“
In der Tat: Die Sowjetunion hatte einen hohen Blutzoll für deren Befreiung entrichtet. Auch im eigenen Interesse unterstützte sie jene Kräfte, welche eine Überwindung des Kapitalismus anstrebten. Es darf nicht unterschlagen werden, welche infame Rolle die Regierungen von Warschau über Prag bis Bukarest vor und während des Krieges gespielt haben. London war der Sitz einiger kompromittierter Exilregierungen dieser Staaten, als deren Schutzpatron sich Churchill aufspielte.
Drittens. „Um dem Übel der Tyrannei ein Ende zu setzen“, plädierte der britische Premier für einen „spezifischen Bruderbund“ mit den USA, indem er erklärte: „Es müssen besondere Beziehungen zwischen dem britischen Commonwealth und Empire einerseits und den Vereinigten Staaten andererseits hergestellt werden.“ Churchill wandte sich besonders der militärischen Kooperation zu, so der gemeinsamen Nutzung von Militärstützpunkten rund um den Erdball. Diese besteht bis heute fort. Die ideologische Saat zur Gründung der NATO war gelegt. Ihr erster Generalsekretär kam aus Großbritannien: Lord Ismay.
Viertens. Churchill fand: „Ein Schatten ist auf die Erde gefallen, die erst vor kurzem durch den Sieg der Alliierten hell erleuchtet worden ist.“ Der wichtigste Alliierte bei der Erringung des Sieges war ohne Zweifel die Sowjetunion. Nun zählte sie Churchill zu den „Schatten“. Auch die damals eingeleiteten progressiven Entwicklungen in Griechenland (denen die britische Armee militärisch ein Ende setzte), Frankreich und Italien stellten aus Churchills Sicht eine wachsende Gefahr für die christliche Zivilisation dar. Ihre kommunistischen Parteien seien „fünfte Kolonnen der Sowjets“, behauptete er. Der zeitgenössische Leser kennt diese ebenso infame wie lügenhafte These und weiß um deren Funktion, die ja auch heute noch eine Rolle spielt.
Fünftens. Die These von der „Bedrohung aus dem Osten“ kam damals Deutschlands angeschlagener Bourgeoisie sehr gelegen. Sie rechtfertigte die sofortige „Westbindung“ und bestimmte das Anliegen der Adenauer-Politik, die BRD als „Bollwerk gegen den Kommunismus“ auf- und auszubauen. Die These des Bundeskanzlers lautete: „Lieber das halbe Deutschland ganz als das ganze Deutschland halb.“ Sie wurde zum Credo derjenigen, die unser Vaterland gespalten haben. Der Schaden ist noch nicht berechnet, und die „Wiedervereinigung“, die in Wirklichkeit eine Annexion der DDR und deren Ausplünderung war, hat Deutschland keineswegs zum Hort des Friedens gemacht. Die vorsätzlich getrübten Beziehungen zu Rußland sind nur ein Indiz für den Rückfall der BRD in die Rolle einer aggressiven Großmacht, die wieder Kriege führt. Das allerdings dürfte Churchill in Fulton so noch nicht geahnt haben. Lady Thatcher und andere wollten es später verhindern.
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