RotFuchs 205 – Februar 2015

Dem Appell des BStU-Leiters Roland Jahn
wurde prompt entsprochen

Wortmeldung authentischer Zeitzeugen

Reiner Neubert

Zwei kompetente Persönlichkeiten melden sich aus dem vor 65 Jahren gegründeten Ministerium für Staatssicherheit der DDR zu Wort: Generalleutnant a. D. Wolfgang Schwanitz und Oberst a.D. Reinhard Grimmer. Sie haben unlängst das Buch „Unbequeme Zeitzeugen“ herausgegeben. Darin berichten 15 frühere Mitarbeiter des MfS über Erlebnisse und Begebenheiten, welche der Öffentlichkeit durch die Gauck-Birthler-Jahn-Behörde bewußt unterschlagen werden, obwohl sämtliche Materialien dazu akribisch geordnet im Archiv vorliegen. Auch den Autoren des Buches wurde jegliche Einsichtnahme in diese Unterlagen verwehrt. Dennoch kommen sie von sich aus der Aufforderung des derzeitigen BStU-Chefs Roland Jahn nach, „mehr authentische Zeitzeugen sprechen zu lassen“. Allerdings dürfte dieser nicht übergelaufene ehemalige Mitarbeiter des MfS darunter wohl kaum verstanden haben.

Angesichts des anhaltenden Mediengetöses, die DDR sei ein Unrechtsstaat gewesen, ist das Anliegen des Buches, ein wahrheitsgemäßes Bild von ihr und ihren Sicherheitsorganen zu zeichnen, höchst verdienstvoll. Bei seiner Vorstellung in der Ladengalerie der „jungen Welt“ wurde mit größter Sachlichkeit und Besonnenheit auf dort vorgetragene Gegenargumente reagiert. Zugleich muß man die Frage stellen: Warum gibt es in der von Jahn geleiteten Inquisitionsbehörde ganze Aktenbestände, zu denen die BRD-Öffentlichkeit keinerlei Zugang erhält? Könnte diese Geheimhaltung damit zusammenhängen, daß sonst deutlich würde, welchen tatsächlichen Staatsfeinden das MfS und dessen Mitarbeiter gegenüberstanden? Vermutlich würde der freie Zugang zu diesem brisanten Material ein völlig andersgeartetes Bild der DDR-Sicherheitsorgane ergeben als das von den professionellen Geschichtsfälschern der imperialistischen Medien und der BStU derzeit präsentierte.

Nach der Landtagswahl in Thüringen genügte Herrn Jahn ein bißchen Linksblinken und Rechtsfahren hier und dort, um die Erklärung abzugeben, die Nominierung eines Ministerpräsidenten aus der PDL wäre in seinen Augen „ein Signal, das die Opfer der SED-Diktatur sehr verletzen würde“. Unzählige ehemalige DDR-Bürger tangiert indes etwas ganz anderes als das Gezeter und Gezerre um den angeblichen Unrechtsstaat, dem sie in Gestalt der BRD ja täglich begegnen: Millionenfach abrupt beendete Lebensplanungen, Biographiebrüche, langjährige Arbeitslosigkeit, entvölkerte und verfallende Landstriche stehen dabei zur Debatte. Der schöne Schein des kapitalistischen Schaufensterparadieses vermag solche Häßlichkeiten nicht zu verdrängen.

Herr Jahn spricht für eine Minderheit der Gesellschaft und verschweigt das an Hunderttausenden begangene historische Unrecht. Denn jene, welche sich als „Opfer der DDR-Diktatur“ betrachten, waren nur ein winziger Teil der DDR-Bevölkerung, auch wenn ihnen zeitweilig eine Massenkulisse zur Verfügung stand.

Was aber die von offizieller BRD-Seite als Verfolgte anerkannten Gegner des sozialistischen deutschen Staates betrifft, so erteilen wir dem Leipziger Veterinärmediziner Walter Schöbe, einst Mitglied der KgU-Agentengruppe „Tagore“ das Wort. Am 12. März 1996 erklärte der „Moralist“: „Wir haben jede Gelegenheit ergriffen, Unruhe und Verwirrung zu stiften oder Sabotage zu treiben, egal wo. Ob wir falsche Schlachtscheine für Bauern ausstellten ... Wir haben Reifentöter an die Autos der Funktionäre, wo wir wußten, es sind welche, gelegt. ... Malik (ein hauptamtlicher Mitarbeiter der KgU – RF) sagte zu mir: Ihr bekommt Kantharidin für den Notfall, wenn militärische Auseinandersetzungen kommen sollten, daß ihr irgendein Gift in der Hand habt, um den Gegner – es handelt sich nur um russische Soldaten und Offiziere – kampfunfähig zu machen ... Ich muß heute sagen, daß diese Methoden hart waren, ich sie aber ... in keiner Weise verurteilen möchte.“

In ihren Beiträgen zum Sammelband „Unbequeme Zeitzeugen“ bestätigten die früheren MfS-Mitarbeiter Harry Mittenzwei, Hans-Peter Wokittel und Fritz Hausmann anhand eigenen Erlebens das Vorgehen reaktionärer Kräfte zur Schädigung der Volkswirtschaft der DDR. Das geschah keineswegs nur vom Boden Westberlins aus. Würde die Jahn-Behörde ehrlich an die Aufarbeitung der Geschichte beider deutscher Staaten herangehen, dann müßte sie gewisse angeblich „demokratiefördernde“ Handlungen auf die DDR angesetzter Terroristen ins Auge fassen.

Zugleich ist zu fragen: Hat das MfS auf Geheiß der Regierung der DDR jemals in der BRD Vieh töten, Bauernhöfe niederbrennen und Industrieanlagen zerstören lassen? Die DDR-Führung verspürte niemals den Drang, der BRD solchen Schaden zuzufügen. Andererseits war es 40 Jahre lang offizielle Regierungspolitik der BRD, der DDR ohne jede Einschränkung auf allen Gebieten das Wasser abzugraben. Bei ihrer Beurteilung sollen keine auf das Konto der DDR zu buchenden Ungerechtigkeiten oder Fehlentscheidungen unter den Tisch fallen. Doch ihre anhaltend einseitige und verzerrende Darstellung können seriös Denkende und objektiv Urteilende nicht akzeptieren.

Wie in allen Gesellschaftsordnungen gab es auch in der DDR Handlungen und Unterlassungen, die nicht gerechtfertigt werden sollen. Gegen deren seriöse und korrekte Untersuchung ist nichts einzuwenden.

Seit fast 25 Jahren herrscht in ganz Deutschland wieder die Diktatur des Kapitals. Die Umverteilung des Volksvermögens von unten nach oben ist oberste Maxime. So wäre es sicher sinnvoll, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, wie dieses permanente Unrecht überwunden werden kann.

Auf dem Höhepunkt ihrer Haß- und Hohnkampagne gegen die DDR mißbrauchten gewisse „Systemgegner“ das Wort Rosa Luxemburgs „Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden“.

Nach dieser Maxime sollte die BRD verfahren, gibt es doch im heutigen Deutschland Millionen Menschen, die anders denken, als es ihnen der verordnete Antikommunismus abverlangt. Zu dieser Thematik liefert das den RF-Lesern empfohlene Buch eine Fülle von Denkanstößen und Argumenten. Sein Anliegen ist es, Erinnerungen und Erfahrungen wirklich authentischer Zeitzeugen, die den heute Herrschenden unbequem sind, Jüngeren und noch später Geborenen zu übermitteln.