RotFuchs 205 – Februar 2015

Dem Kuschelkurs regierungsgeiler „Linker“
muß Einhalt geboten werden

Zeigt Flagge, Genossen!

Ulrich Guhl

Im Jahr 1865 setzte sich Friedrich Engels in seiner Arbeit „Die preußische Militärfrage und die Arbeiterpartei“ auch mit Irrungen der Ideologie und Politik Ferdinand Lassalles auseinander. Dieser strebte nicht die Zerschlagung des preußischen Ausbeuterstaates unter Führung einer revolutionären Partei an, sondern trat für die Reformierung der bestehenden Verhältnisse mit Hilfe des allgemeinen Wahlrechts und durch staatlich finanzierte Arbeiterproduktionsgenossenschaften ein. Um diesem Ziel näherzukommen, strebte Lassalle sogar ein Bündnis mit Bismarck an. Er unterstützte dessen Politik der Reichseinigung mit Blut und Eisen. Engels wies demgegenüber nach, daß die ausgebeuteten Massen nur für ein von ihnen getragenes demokratisches Deutschland eintreten dürften. Dieser Kampf müsse unter Führung einer eigenständigen revolutionären Klassenorganisation erfolgen, die nie der wedelnde „Schwanz der Bourgeoisie“ sein dürfe. Es gehe um eine „durchaus von ihr unterschiedene selbständige Partei“.

Nach dem Europa-Parteitag der PDL, der im Februar 2014 in Hamburg stattfand, mußte ich an diese Auseinandersetzungen mit Lassalle denken. So sehr sich die Umstände auch geändert haben, so deutlich springen gewisse Gemeinsamkeiten ins Auge.

Seit Jahren scheint es unter dem Dach der PDL im Grunde zwei Parteien zu geben: eine zur Sozialdemokratie driftende, die in raschem Tempo immer offener rechte Positionen einnimmt, und eine linkssozialistische, die in führenden Gremien der Partei indes an Einfluß verliert. Es entsteht der Eindruck, daß sich wesentliche Teile des Spitzenpersonals besonders im Osten nur noch danach sehnen, einen gesicherten Platz an den Fleischtrögen der politischen Macht zu ergattern.

Betrachtet man diesen Prozeß mit wachen Augen, dann hat man den Eindruck, daß in der heutigen BRD eine starke linke Partei mit wirklichem Masseneinfluß nicht weniger wichtig wäre als in den Krisenjahren vor dem 30. Januar 1933. Die trotz aller Mythen niemals mit plebiszitären Elementen ausgestattete Ordnung der BRD ist längst zu einer reinen Fassaden-Demokratie geworden. Die einzige Parlamentsformation, die noch nicht zur Neoliberalen Einheitspartei Deutschlands gehört, ist die PDL. Seit Jahr und Tag werden im Bundestag nur Beschlüsse gefaßt, die dem erklärten Willen des Volkes zuwiderlaufen. Eine „Demokratie“ aber, die in so elementaren Fragen wie Krieg und Frieden, soziale Gerechtigkeit und Schutz der natürlichen Umwelt auf die Meinung des überwiegenden Teils der Bevölkerung pfeift, ist ein Hohn auf diese wichtige Errungenschaft des frühen Bürgertums. Seit 1990 hat das Parlament der BRD noch kein einziges Gesetz beschlossen, das ernsthaft in den Geldbeutel der Vermögenden greift und zumindest Teile des von ihnen angehäuften Kapitals von oben nach unten fließen läßt.

Eine Politik im Interesse der Mehrheit des Volkes ist unter kapitalistischen Bedingungen nicht möglich. Nur wenn den Ausbeuterklassen der Staat als machterhaltendes Instrument entrissen wird und wesentliche Teile des Privateigentums an Produktionsmitteln in die Rechtsträgerschaft des Volkes übergehen, kann Politik im Sinne der Werktätigen verwirklicht werden. Die DDR hat das unter Beweis gestellt.

Mir ist klar, daß Begriffe, wie ich sie hier verwende, seit der zur Niederlage des Sozialismus führenden Konterrevolution der Jahre 1989/1990 aus der Mode gekommen sind. Doch wer nach einem solchen Debakel seine Prinzipien über Bord wirft, hat die nächste Niederlage schon vorprogrammiert. Es ist so einfach wie das Einmaleins: Wer über die Wahlurne zum Sozialismus gelangen will, wird ein Fiasko erleiden.

Der Klassenkampf ist wie eh und je eine tagtägliche Realität. Die Eisenbahner der GDL, der ver.di-Streik bei Amazon wie auch Aktionen anderer Gewerkschaften haben das ansatzweise bereits gezeigt.

Die PDL ist die stärkste linke Partei im mächtigsten kapitalistischen Land Europas, das sich erneut in gefährlicher Weise nationalistisch-chauvinistisch aufbläst und eine schrittweise Faschisierung erlebt. Sozialdarwinismus, Militarismus, Antikommunismus und Weltmachtambitionen sind bestimmende Elemente dieses Kurses. Die PDL sollte unter solchen Bedingungen ihre historische Pflicht erkennen, sich ohne Schwanken an die Spitze jener Teile der Bevölkerung zu stellen, die sich dieser gefährlichen Entwicklung widersetzen. Das gilt für den parlamentarischen wie für den außerparlamentarischen Kampf. Wenn aber gewisse Köpfe an der Spitze der PDL in Rot-Rot-Grün ihr einziges Ziel auch auf Bundesebene sehen, dann ist das ein Rausch von Eitelkeit, Postenjägerei und blankem Opportunismus.

Dabei sollte ein Blick auf die angestrebten Koalitionspartner eigentlich zur Ernüchterung genügen. Gabriels SPD ist von der Partei August Bebels Lichtjahre entfernt. Und der Weg der Grünen von einer anfangs linksökologischen Protestpartei zur Kriegsunterstützer-Garde ist nicht minder frappierend.

Es ist höchste Zeit, sich des einzig verläßlichen Kompasses wieder zu bedienen. Wer vor den Namen von Marx, Engels und Lenin sowie den Begriffen Kommunismus und Sozialismus in einer linken Partei zurückscheut, sollte sich eher einem anderen Sektor des politischen Spektrums zuwenden.

Jetzt gilt es, offen zu sagen, daß die politischen und ökonomischen Machtverhältnisse geändert werden müssen. Natürlich werden die Bosse über uns herfallen. Na und! Nichts verbindet uns mit ihnen und ihren Hofschranzen in Politik und Medien. Die bis aufs Blut ausgesaugte Textilarbeiterin in Bangladesch steht uns tausendmal näher als ein deutscher Bourgeois. Eine prinzipienfeste, revolutionäre Ziele verfolgende linke Partei mit Masseneinfluß und ohne sektiererische Einengung ist bitter nötig, bewegen wir uns doch mit Riesenschritten auf eine Zeit sozialer und ökologischer Katastrophen zu, die immer neue Kriege und Orwellsche Gesellschaftsmodelle in Reserve hält.

Ich habe Hochachtung vor den vielen Linken in der PDL, die sich dem Kurs der reformistischen DDR-Schmäher verweigern und alle Kräfte im täglichen Kampf aufbieten. Ich bin mir auch dessen gewiß, daß es in der SPD nicht wenige Menschen geben dürfte, derer sich Bebel und Liebknecht nicht schämen müßten. Doch leider bestimmen weder die einen noch die anderen den Kurs ihrer Partei. Das sollte sich ändern!