RotFuchs 230 – März 2017

Zur Debatte um ein
Spanienkämpfer-Lexikon

Autorenkollektiv

Rechtzeitig zum 80. Jahrestag des Beginns des Spanischen Krieges erschienen unsere beiden Bände „No pasaran! Deutsche an der Seite der Spanischen Republik und der sozialen Revolution“. Über den ersten Band, der ca. 3500 Namen umfaßt, druckte der „RotFuchs“ zwei Artikel, die zuvor schon anderswo erschienen waren. Es ging einmal um einen Artikel der Willi-Bredel-Gesellschaft, zum anderen um eine Kritik des Ehepaars Brändle.

Die Genossen aus Hamburg haben uns wegen des Bredel-Eintrags kritisiert und einen Eintrag in ein Biographisches Lexikon mit einer Biographie verwechselt. Bei Schriftstellern wie Bredel sind wir davon ausgegangen, daß ihre Biographien bekannt sind. Offenbar haben die Genossen uns übelgenommen, daß wir ihnen die von Bredel als Kriegskommissar in Spanien verfaßten Informationen geschenkt hatten, die sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht kannten. Wäre es unsere Absicht gewesen, Bredel nicht ausreichend zu würdigen, dann hätten wir erwähnt, daß er den Auftrag hatte, die Geschichte der XI. Brigade zu schreiben, damit aber derart scheiterte, daß es nie zu einer Drucklegung kam und das Manuskript sogar vom ZK der KP Spaniens kritisiert wurde. Wir hätten auch erwähnen können, daß Willi Bredel z. B. bei jeder Gelegenheit Alfred Kantorowicz bei der KPD-Vertretung in Moskau kritisierte, ihm dann aber empfohlen wurde, sich an dem Buch von Kantorowicz über das Tschapaiew-Bataillon zu orientieren.

Es wäre zu erwarten gewesen, daß der „RotFuchs“ eine Person beauftragt, unser Lexikon zu rezensieren, die sich mit dem Spanien-Krieg und der Geschichte der Internationalen Brigaden auskennt. Mit der Kritik an uns und mit der Ankündigung ihrer Broschüre über die badischen Spanienkämpfer schufen die Brändles einen Erwartungsdruck, der sich nach Vorlage ihrer Broschüre als überzogen erwies. Mit den Internationalen Brigaden scheinen sie sich nie intensiv beschäftigt zu haben. Die für uns gültigen Kriterien wie Zugehörigkeit zu Brigade, Bataillon, Kompanie (kein Interbrigadist war von Anfang bis Ende nur in einer Einheit), Rang, Teilnahme an welchen Schlachten, Verwundungen usw. spielte für die Brändles kaum eine Rolle. Von der Pflicht der Interbrigadisten, die Übernahme in die KP Spaniens zu beantragen, haben die Brändles wohl nie gehört, denn eine Mitgliedschaft in der KP Spaniens ist bei keinem der von ihnen genannten Spanienkämpfer aufgeführt. Dabei wurden über 80 % der deutschen Spanienkämpfer in die KP Spaniens aufgenommen! Mitglied der KP Spaniens geworden zu sein, war überdies eine Auszeichnung. Und es ist den Brändles auch keine Erwähnung wert, daß der badische Interbrigadist Eugen Seidt zu den 22 deutschen Delegierten gehörte, die auf der von der KPD organisierten Einheitsfrontkonferenz am 13. März 1938 in Valencia sprachen.

Wie die Brändles mit Details des Spanien-Kriegs umgehen, soll an der Biographie von August Stöhr dargestellt werden. Zu lesen ist: „Im Bataillon Tschapaiew … steht er in der Verteidigungsfront in Madrid.“ Die Faschisten wurden am Rand von Madrid aufgehalten, die Hauptstadt der Republik konnten sie bis zum Ende des Krieges nicht einnehmen. Eine Verteidigungsfront „in“ Madrid gab es nie. Das Tschapaiew-Bataillon gehörte zur XIII. Internationalen Brigade, die an der Südfront kämpfte und nie auch nur eine Minute in Madrid war. Stöhr führte in der Schlacht um Villanueva de la Cañada im Rang Capitán eine Kompanie und wurde dort am 7. Juli 1937 verwundet. Villanueva de la Cañada liegt 45 km von Madrid entfernt, die Schlacht um Madrid aber fand überdies im November/Dezember 1936 statt. 1938 wurde Stöhr wegen seiner Verwundung und aus Altersgründen nach Frankreich evakuiert. 1940 bescheinigte die Komintern in Moskau, daß sich August Stöhr in Spanien als Kommandeur und vor allem als Kommunist bestens bewährt habe. Alles das wird von den Brändles nicht erwähnt.

Sie kritisieren, daß wir keine Quellen angegeben haben. Abgesehen davon, daß in keinem uns bekannten Lexikon zu einzelnen Biographien Quellen benannt sind, besteht wohl ein Unterschied darin, ob 3500 Personen beschrieben werden oder 118. Offensichtlich haben die Brändles weder das Vorwort des ersten Bandes gelesen noch die Quellen-Aufzählung im zweiten. Warum sie aber fast alle zu Spanien relevanten Angaben von uns übernommen haben, immer mit dem Zusatz „Abel ohne Quelle“, bleibt ihr Geheimnis. Ihre Quellenbasis speist sich aus Sekundärliteratur, aus lokalen Archiven und dem Internet. Genannt wird auch das Bundesarchiv (SAPMO), ohne aber hier, wie es üblich ist, Signaturen anzugeben. Die Krönung aber sind antikommunisti­sche Quellen wie die „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“, auf die wir gerne verzichtet haben. Den Brändles ist offenbar entgangen, daß die „Bundesstiftung …“ nur eine Sekundärquelle ist, die sich auf das von Weber/Herbst herausgegebene biographische Handbuch „Deutsche Kommunisten“ und das Lexikon „Wer war wer in der DDR?“ stützt. Auch diese Lexika führen keine Quellen an.

Im Falle des Interbrigadisten Adolf Baier, der nach seiner Verwundung in der XIII. Brigade dem SIM (Servicio de Investigación Militar) der Internationalen Brigaden angehörte, schreiben die Brändles von „Erschießungen von Interbrigadisten“ durch den Abwehrdienst und setzen damit die antikommunistische Legendenbildung über die Repressionen in den Brigaden fort. Aktenmäßig belegt sind für die deutschen Interbrigadisten nur zwei standrechtliche Erschießungen, wobei die von Heinz Weil leider vermutlich politisch motiviert war.

Mit dem Sieg der Franquisten hätten, so die Brändles, die „nichtspanischen Angehörigen“ der republikanischen Armee Spanien in Richtung Frankreich verlassen. Die 465 000 Republikaner, unter ihnen 270 000 Soldaten der Spanischen Volksarmee, die den gleichen Weg gingen, und deren Flucht die Interbrigadisten mit dem „2. Einsatz“ deckten, existieren für die Brändles nicht.

Uns kritisierten sie in einer israelischen Online-Zeitschrift, wir hätten den „jüdischen Abwehrkampf“ ignoriert, weil wir nicht in den Archiven nach einer jüdischen Abstammung gesucht hatten. Alle uns bekannten jüdischen Spanienkämpfer aber betonten immer, nach Spanien seien sie als Kommunisten, als Antifaschisten gegangen, nicht als Juden.

Nein, unsere Herangehensweise ist und bleibt eine andere. Wir stützen uns primär auf die Vorarbeiten der Spanienkämpfer der DDR, auf das KPD- und SED-Archiv im SAPMO und auf die Unterlagen der Interbrigaden und der Kommunistischen Internationale im Komintern-Archiv in Moskau. Die kompletten Akten der Internationalen Brigaden konnten 1939 noch rechtzeitig nach Moskau evakuiert werden. Diese Unterlagen, so die Brändles in einer Mail, seien unzuverlässig, weil sie im Krieg entstanden wären. Als „zuverlässig“ werden hingegen die Wiedergut­machungsakten eingestuft, die im antikommunistischen Klima der Bundesrepublik in der Adenauer-Ära entstanden sind. Wir hatten im Vorwort des ersten Bandes darum gebeten, uns Ergänzungen und Fehlerberichtigungen zu nennen. Das ist in solidarischer Weise von verschiedener Seite auch geschehen. Wenn man Biographien vom Geburt bis zum Tod schreiben will, ist man vor Fehlern nicht gefeit. Trotz der gegen uns geführten Kampagne haben wir im vergangenen Jahr dem Ehepaar Brändle eine Zusammenarbeit angeboten. Die Antwort war eine höhnische Zurückweisung. Nach der Lektüre ihrer Broschüre gibt es aber auch für uns keinen Grund mehr für eine Kooperation. Der Spanische Krieg wäre ein Anlaß gewesen, daß sich die linken, die antifaschistischen Kräfte gemeinsam mit dessen Geschichte befassen, ohne persönliche Verletzungen, Überheblichkeit und Rechthaberei.

Unser Biographisches Lexikon ist, so schrieb mit Peter Rau, einer der besten Kenner des Spanischen Krieges, in der „jungen Welt“, ein „Ehrenbuch für die deutschen Spanienkämpfer“. Das beschreibt genau unsere Absicht.

Werner Abel, Enrico Hilbert, Harald Wittstock