RotFuchs 206 – März 2015

Zwei Brudervölker: Russen und Belorussen

RotFuchs-Redaktion

Die Moskauer Zeitschrift „Lenin und das Vaterland“ veröffentlichte zum 60. Geburtstag Alexander Lukaschenkos einen aufschlußreichen Beitrag, mit dem wir unsere Leser vertraut machen möchten: Der einstige Agrarfachmann ist seit 20 Jahren Präsident von Belarus. 1994, als er sein Amt antrat, lag die Industrie der Republik fast sterbend am Boden. Die Erzeugnisse der Landwirtschaft fanden keinen Absatz mehr. Lukaschenkos Vorgänger hatte Belarus in kurzer Zeit an den Bettelstab gebracht. Der neue Staatschef stellte sich das Ziel, eine auf wissenschaftlichen Fortschritt gegründete Industrie aufzubauen.

Er erreichte es, während Rußlands seinerzeitige Regierung die räuberische Privatisierung förderte. In Moskau handelte man damals nach dem Motto: Wozu brauchen wir Fabriken, wenn wir das „Rohr“ für Öl und Gas haben? Belarus besitzt keine derartige Rohrleitung. Doch Lukaschenko setzte auf einen festen Zusammenschluß seiner Republik mit der Russischen Föderation. Er war überzeugt, daß es ohne Erneuerung der zerschlagenen Verbindungen für beide Völker keine Zukunft gebe. In dieser Frage standen Millionen Mitbürger hinter ihm.

Beim Referendum 1995 bejahten drei Viertel aller Belorussen die Frage „Unterstützen Sie die Politik des Präsidenten zur ökonomischen Integration mit Rußland? Damit wurde Lukaschenkos Prinzip „Alles Gute fördern und für die Zukunft wirken!“ gebilligt. Auf seine Initiative schlossen Minsk und Moskau 1996 den Vertrag über die Bildung einer Gemeinschaft aus Belarus und Rußland. Doch die Integrationsprozesse gestalteten sich schwierig. Die mit den Oligarchen verbundene Macht in Rußland konnte ein Land schwer ertragen, wo zwar dieselbe Sprache gesprochen wird, die Regierenden sich aber um das eigene Volk kümmern und nicht für die persönliche Tasche arbeiten.

Russische Oligarchen versuchten, auch die Wirtschaft im Nachbarland zu privatisieren. Dabei stießen sie jedoch bei Lukaschenko auf harten Widerstand.

Die einfachen Russen haben weiter gutschmeckende und billige Lebensmittel aus Belarus gekauft. Lukaschenko besaß genügend Klugheit, um das konjunkturelle Interesse einiger Oligarchen von den Bestrebungen der Völker Rußlands und Belorußlands zu unterscheiden. Deshalb verfolgte er kontinuierlich den Kurs der Gemeinsamkeit. Seine unabhängige Position wurde in allen Ländern, die nicht ständig auf Uncle Sam schielen, geschätzt.

Zitieren wir Lukaschenko: „Wir verteidigen nicht nur uns, wir verteidigen auch Euch, Rußland. Es wäre unmoralisch, wenn wir Euch nicht verteidigen würden. Nur wäre es wünschenswert, wenn man auch in der Russischen Föderation erkennen würde, daß Belarus weiterhin ein Vorposten ist. Die Union beider Staaten gibt es ja praktisch – in der Ökonomie, zu Grenzfragen, beim Militär. … Obwohl wir völkerrechtlich Vertreter verschiedener Staaten sind – bei uns betrachten sich die Russen nicht als Ausländer. Und – im großen und ganzen – halten sich die Weißrussen in der Russischen Föderation ebensowenig für Ausländer … Macht Euch um uns keine Sorgen. … Wie schwer es auch sein mag, wir werden die Zähne zusammenbeißen und darauf hoffen, daß unsere Völker wie ein Monolith bleiben. …

Unsere Sprachen … sind wesensverwandt. Wir lebten lange zusammen, vom Zarenreich bis zur Sowjetunion. … So ist es unsinnig, daß wir in getrennten Wohnungen leben. Wenn es wieder zur Zusammenführung kommt, so wird das in Moskau und Minsk, zwischen Rußland und Belorußland beginnen. … Die Russen sind unsere Brüder, wir waren mit ihnen immer im Verbund, um in dieser harten Welt zu überleben. … Heute sind wir uns einig, daß wir einander brauchen. Auch Rußland hat verstanden, daß es ohne Belarus weder vorwärts noch rückwärts geht. Wenn es erforderlich sein sollte, werden wir Smolensk oder Pskow wie unser eigenes Land verteidigen, und auch die Russen werden Belarus wie ihr eigenes Land zu verteidigen wissen.“

Übersetzung: Dr.-Ing. Peter Tichauer