RotFuchs 188 – September 2013

Prestigebauten der BRD symbolisieren deren Erblast

Zwei preußische Triumphbögen

Ulrich Guhl

Im Herzen Roms steht der größte der drei noch erhaltenen Triumphbögen im Gebiet um das Forum Romanum: der Konstantinsbogen. Kaiser Konstantin ließ ihn anläßlich seines Sieges in der Schlacht an der Milvischen Brücke (312 u. Z.) errichten.

An diesen Bogen muß ich denken, wenn ich mir die Bauwerke und Monumente anschaue, mit denen sich heutige „Imperatoren“ der BRD für die Ewigkeit in das Antlitz unserer Städte brennen wollen.

Ich denke dabei vor allem an zwei große Projekte bundesdeutscher „Staatsbaukunst“, die uns in Zukunft beim Spaziergang durch Berlin und Potsdam erfreuen sollen: das 1950 nach schweren Kriegszerstörungen abgetragene Schloß und die Garnisonkirche. Beide Vorhaben sagen viel über die geistige und kulturelle Beschaffenheit dieses Landes aus.

Das Berliner Schloß war das Herz preußischen Großmachtgetues. Schon seine Entstehung ab 1443 kam gegen den Willen der Bürger zustande und führte zum „Berliner Unwillen“. Von hier wurden Kriege ausgelöst, wurde die Märzrevolution 1848 niedergeschlagen und der 1. Weltkrieg durch zwei Reden Wilhelms II. eingeläutet. Allerdings rief von seinem Balkon auch Karl Liebknecht 1918 – verfrüht – die sozialistische Republik aus. Zweifellos war das Schloß von künstlerischer und städtebaulicher Bedeutung, doch die Zerstörungen des 2. Weltkrieges hinterließen nur eine Ruine, und die junge DDR hatte wohl weitaus andere Sorgen als den Wiederaufbau dieses ausgebrannten Kolosses im Herzen Berlins.

Auch die Potsdamer Garnisonkirche ist ein Symbol des preußisch-deutschen Imperialismus. An kaum einem anderen Ort wurde der Tod auf dem Schlachtfeld und der Krieg, den Hindenburg als „Badekur“ empfand, so verherrlicht wie dort. Sie bekam ihm so gut, daß er 1933 einen neuen „Bademeister“ ernannte. In der Garnisonkirche reichte er dem Garanten für millionenfaches Morden die Hand, und Hitler hielt, was er versprach – nur nicht mit dem prophezeiten Ausgang. Der Krieg kehrte zur Garnisonkirche zurück, und alle in ihr ausgestellten Fahnen und Siegestrophäen verbrannten mit ihr. 1968 wurde die Ruine gesprengt. Nun soll hier wieder „Treu und Redlichkeit“ verkündet werden, womit wohl gemeint ist, ohne nachzudenken in neue Schlachten zu ziehen. Peinlicherweise wollen sich aber Siegestrophäen aus Afghanistan und von anderswo nicht einstellen.

Um es deutlich zu sagen: Ich bin gegen das Schleifen von Bauwerken, nur weil sie durch Handlungen von Personen belastet sind. Das Kolosseum nahe dem Konstantinsbogen sah Ströme von Blut – doch wird es wohl kaum jemand missen wollen. Die Sprengung des Berliner Schlosses und der Garnisonkirche war aus meiner persönlichen Sicht kunsthistorisch falsch. Bauwerke sind Zeugnisse der Geschichte, und diese besteht nicht nur aus glanzvollen Augenblicken. Stätten dieser Art zeigen uns Höhen und Tiefen. Sie sind steingewordenes Gedächtnis. Denen allerdings, die heute die DDR wegen des Abrisses des Berliner Schlosses verurteilen, sei gesagt, daß das erst recht für jene gilt, welche Paläste des Volkes abreißen lassen. Doch das nur am Rande.

Wenn die in der BRD Herrschenden gerade die beiden genannten Projekte verwirklichen wollen, dann ist das nicht nur ein umstrittenes Thema bei Denkmalpflegern und Stadtplanern. Es sagt viel über den alten Ungeist dieser neuen Bauherren aus, die wieder den Tod fürs Vaterland glorifizieren. Abermals werden wir von selbstgefälligen Potentaten regiert, die wohl meinen, man könne nur in barocker Kulisse wirklichen Glanz ausstrahlen. Dabei stört es sie nicht, daß man in der Bevölkerung mehrheitlich kein Verständnis für solche kostspieligen Prestigeobjekte aufbringt. 61 Prozent der Berliner sind nach einer Forsa-Umfrage gegen den Schloßbau, doch wie schon 1443 wird deren Wille ignoriert. Leider aber gibt es keinen neuen Berliner Unwillen!

In Potsdam sieht es ähnlich aus. Die wieder an den Futtertrögen der Macht sitzenden kirchlichen Würdenträger, die für den Wiederaufbau optieren, kommen nicht auf die Idee, sich die aus meiner Sicht für einen Christen naheliegendste Frage zu stellen: Würde sich der Jesus Christus der Bergpredigt in einer solchen Kirche wohl fühlen? Megalomanie nimmt fundamentale Tatsachen und Fragen aus luftiger Höhe nur noch als Bodensatz wahr.

Kunsthistoriker meinen mit Blick auf den Konstantinsbogen in der Stadt am Tiber, daß sich hier künstlerisch der Niedergang des alten Römischen Reiches manifestiert habe. Es war einfach nicht mehr dazu imstande, große Monumente der Kunst zu erschaffen. Die Zeit siegreicher Schlachten und Triumphzüge war vorbei. Die Tatsache, daß man diesen Triumphbogen aus Bruchstücken anderer Bauten erschuf, ist symbolhaft: Das alte Gesellschaftssystem mit seiner Religion und Staatsordnung befand sich im Absturz, und etwas Neues, das später als Byzantinisches Reich in die Geschichte eingehen sollte, war noch nicht vollendet.

Auch hierzulande scheint es an eigener schöpferischer Kraft zu fehlen. So flüchtet man sich in Vergangenes. Es wird zur Krücke, um auf ausgetretenen Wegen scheinbaren Ruhmes anderer Epochen humpelnd ans Ziel zu gelangen. Man möchte so gern im alten Glanz erstrahlen, hat aber selbst keine Strahlkraft mehr! Die Parallele zum Konstantinsbogen ist augenfällig.

In allen Epochen waren die Herrschenden Auftraggeber großer Bauten. Die alte Ordnung der BRD aber ist zu eigener, überzeugender Schöpferkraft nicht mehr fähig. Der Schloßwiederaufbau und der Ruf nach der Garnisonkirche verdeutlicht mir: Diese Gesellschaftsordnung ist im Niedergang begriffen! Selbst bei der Fülle eigener Bauten oder neuer Kunstwerke beschleicht einen das Gefühl seltsamer Leere. Das Regierungsviertel strahlt die Vorstellungen eines „großen Oggersheimers“ von Repräsentation aus. Und an Flughäfen und Philharmonien sollten sich unsere „Eliten“ doch lieber gar nicht erst heranwagen! Selbst ein Ort der Mahnung wie das Holocaust-Denkmal wirkt da nicht überzeugend. Es fehlt an der Aufrichtigkeit des Beweggrundes.

Und plötzlich wird mir klar, warum so viele Monumente unserer Republik der Arbeiter und Bauern vernichtet worden sind: Sie zeugten von Wahrhaftigkeit! Der Palast der Republik wäre immer ein Stachel im Fleisch der temporären Sieger geblieben! Kapitalisten bauen keine Paläste für das Volk! Unsere Bücher mußten millionenfach vernichtet werden, denn der Bourgeois hätte deren Inhalt ohnehin nicht begriffen und fürchtete sich vor ihnen wie der Teufel vor dem Weihwasser. Denkmäler, die den Frieden priesen, mußten zerstört werden, war doch die Friedensliebe der DDR ernst gemeint!

Und auch die Monumente der von Nazis mitgegründeten BRD für die Opfer faschistischer Verbrechen zeugen von Heuchelei. Sie können neben den Buchenwalder Figurengruppen Fritz Cremers nicht bestehen, weil die DDR wirklich antifaschistisch war. Was der BRD bleibt, ist die Flucht in betonierte Häßlichkeit und pseudobedeutungsschweren, künstlerisch aber bedeutungslosen Symbolkitsch, wie die Entwürfe für das „Einheitsdenkmal“ beweisen. Oder eben in symbolbelastete Schlösser und Kirchen.