Gegenstand und Methode
der marxistisch-leninistischen
politischen Ökonomie

1.
Die politische Ökonomie – grundlegender
Bestandteil des Marxismus-Leninismus

Die Epoche, in der wir leben, ist, auch nach dem zwischenzeitlichen Untergang des Sozialismus in Europa, die Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus und Kommunismus. Der Imperialismus ist eine gefährliche Macht und versucht mit allen Mitteln unter Mißachtung der völkerrechtlichen Gesetze, seine Herrschaft gegen den gesetzmäßigen Verlauf der Geschichte aufrechtzuerhalten.

Das Ringen zwischen gesellschaftlichem Fortschritt und Reaktion findet unter komplizierten politischen, ökonomischen, militärischen und ideologischen Bedingungen statt, die oftmals schwer durchschaubar sind. Den komplizierten Erscheinungen, Auseinandersetzungen, Kämpfen, Kriegen, Befreiungsbewegungen und Klassenkämpfen liegen objektive Gesetze der gesellschaftlichen Entwicklung zugrunde. Diese objektiven Entwicklungsgesetze und ihre gesellschaftlichen Grundlagen müssen wissenschaftlich erforscht werden. Die einzige Wissenschaft, die das vermag, ist der Marxismus-Leninismus. Aus diesem Grunde sind sein Studium, die Aneignung und auch die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Erkenntnisse, gepaart mit den eigenen Kampferfahrungen, für die Arbeiterklasse, für die Ausgebeuteten und Unterdrückten weltweit der entscheidende Weg, um sich ihrer historischen Aufgabe im Kampf für Frieden, Fortschritt und Sozialismus bewußt zu werden.

Karl Marx und Friedrich Engels waren die ersten Wissenschaftler, die die Rolle der Arbeiterklasse in der kapitalistischen Gesellschaft nicht, wie die bürgerlichen Sozialkritiker und utopischen Sozialisten vor ihnen, moralisch, sondern wissenschaftlich betrachteten. Sie erkannten, daß das Proletariat nicht nur eine unter Ausbeutung und Elend leidende Klasse, sondern aufgrund ihrer Organisiertheit, ihrer engen Verbindung mit den modernsten Produktionsmitteln, ihrer wissenschaftlichen Weltanschauung die einzige konsequent revolutionäre Klasse ist. Ihre historische Mission ist es, die kapitalistische Ausbeutergesellschaft zu beseitigen und die von Ausbeutung freie sozialistische und kommunistische Gesellschaft zu errichten.

Es kann daher nicht verwundern, daß sich die Kapitalisten, ihre Wissenschaftler und Publizisten gegen die Erkenntnis von der revolutionären Rolle der Arbeiterklasse wenden. Bürgerliche, opportunistische und revisionistische Ökonomen, Soziologen und „Politologen“ behaupten heute, daß die Arbeiterklasse keine revolutionäre Rolle spiele, weil sie in das kapitalistische System „integriert“ sei, „verbürgerliche“.

In gleichem Atemzug wird gesagt, daß der Kapitalismus aufhöre, Kapitalismus, das heißt eine Ausbeutergesellschaft, zu sein. Er habe sich in einen „Volkskapitalismus“, das Klassenverhältnis von Kapitalisten und Arbeiterklasse in eine „Sozialpartnerschaft“ und neuerdings die kapitalistische Gesellschaft in eine „moderne Industriegesellschaft“ gewandelt, in der nicht mehr die kapitalistischen Unternehmer, aber auch nicht die Arbeiterklasse, sondern Planer und technische Leiter, die „Technokraten“ oder die „Technostruktur“, bestimmen.

Nun ist die Lehre von den Klassen und den Klassenkämpfen in der Tat das Kernstück des Marxismus. „Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigener, Zunftbürger und Gesell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte standen in stetem Gegensatz zueinander, führten einen ununterbrochenen, bald versteckten, bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgestaltung der ganzen Gesellschaft endete oder mit dem gemeinsamen Untergang der kämpfenden Klassen.“1

Den wissenschaftlichen Nachweis, daß die Klassen an bestimmte gesellschaftliche Produktionsweisen gebunden sind und daß sich im Kapitalismus Bourgeoisie und Proletariat in einem unüberbrückbaren Gegensatz zueinander befinden, liefert die von Karl Marx und Friedrich Engels begründete und von W. I. Lenin weiterentwickelte politische Ökonomie. Sie weist auch nach, daß nach der Beseitigung der kapitalistischen Produktionsweise und ihrer Eigentumsverhältnisse mit der Errichtung der Herrschaft der Arbeiterklasse der Weg zur klassenlosen Gesellschaft gebahnt wird.

Die bürgerlichen, opportunistischen und revisionistischen Theoretiker und Ideologen, die die revolutionäre Rolle der Arbeiterklasse in der heutigen kapitalistischen Gesellschaft bestreiten und leugnen, bekämpfen diese Marxsche Erkenntnis. Sie klammern sich an äußere Erscheinungen wie die Verbesserung der materiellen Lage, die die Arbeiterklasse im ökonomischen und politischen Klassenkampf erringen konnte und ständig verteidigen muß. Sie heben die kolossale Entwicklung der Produktivkräfte hervor, die eine Veränderung des Charakters der Produktion und der Arbeit bewirkt hat. Sie berufen sich auf die Schwierigkeiten, die in den im Verhältnis zum Kapitalismus jungen sozialistischen Staaten beim Aufbau einer modernen Wirtschaft auftraten, um den Arbeitern einzureden, ohne Kapitalisten seien sie nicht imstande, diese Aufgabe zu lösen.

Soviel sie aber auch versuchen, zu verleumden, irrezuführen, neue Theorien zu erfinden - die objektiven Tatsachen der kapitalistischen Klassen- und Ausbeutergesellschaft bleiben bestehen. Es ist unbestritten, daß heute die absolute Mehrheit, vier Fünftel, der Bevölkerung der entwickelten kapitalistischen Länder keine Produktionsmittel besitzen und vom ständigen Verkauf ihrer Arbeitskraft leben müssen, wenn auch ihr Lebensstandard höher ist als der der Arbeiter des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Ebenso unbestreitbar ist, daß die entscheidenden Produktionsmittel, Werke, Gruben, Bodenschätze, hinzu kommen Banken, Versicherungen und Handelseinrichtungen, Eigentum einer kleinen Gruppe von Großkapitalisten sind. Die Vermögens- und Einkommensunterschiede und die Forderung nach einer „gerechten Vermögensverteilung“ bringen dieses Tatsache ununterbrochen an das Licht der Öffentlichkeit. Es ist schließlich unbestreitbar, daß die Arbeiterklasse im organisierten Kampf ständig um die Sicherung ihrer Existenz ringen muß.

Die Gegner des Marxismus behaupten, daß er als Wissenschaft überholt sei, bestenfalls im 19. Jahrhundert einige Gültigkeit gehabt habe. Der Kapitalismus von heute sei nicht der Kapitalismus von gestern, deshalb könnten die Erkenntnisse, die Marx über den gestrigen Kapitalismus gewann, nicht für den heutigen Kapitalismus gelten.

Marx hat zwar den Kapitalismus in England untersucht, der zu seiner Zeit am weitesten entwickelt war, aber er hat ihn nicht als eine ein für allemal fertige, sondern als eine sich entwickelnde Produktionsweise analysiert. „Was ich in diesem Werk zu erforschen habe“, schrieb Marx im Vorwort zur ersten Auflage des „Kapitals“, „ist die kapitalistische Produktionsweise und die ihr entsprechenden Produktions- und Verkehrsverhältnisse. Ihre klassische Stätte ist bis jetzt England. Dies der Grund, warum es zur Hauptillustration meiner theoretischen Entwicklung dient. Sollte jedoch der deutsche Leser pharisäisch die Achseln zucken über die Zustände der englischen Industrie- und Ackerbauarbeiter, oder sich optimistisch dabei beruhigen, daß in Deutschland die Sachen noch lange nicht so schlimm stehn, so muß ich ihm zurufen: De te fabula narratur! (Über dich wird hier berichtet!)

An und für sich handelt es sich nicht um den höheren oder niedrigeren Entwicklungsgrad der gesellschaftlichen Antagonismen, welche aus den Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion entspringen. Es handelt sich um diese Gesetze selbst, um diese mit eherner Notwendigkeit wirkenden und sich durchsetzenden Tendenzen. Das industriell entwickeltere Land zeigt dem minder entwickelten nur das Bild der eignen Zukunft.“2

Karl Marx und Friedrich Engels schufen die politische Ökonomie in der Einheit mit dem dialektischen und historischen Materialismus und dem wissenschaftlichen Kommunismus.

Der dialektische und historische Materialismus ist die Philosophie des Marxismus-Leninismus und bildet seine allgemeine theoretische Grundlage. Durch ihn werden die allgemeinen Fragen, die sich auf das Verständnis der Welt als Ganzes, auf das Verhältnis von Materie und Bewußtsein, auf die Quelle unseres Wissens, auf die Stellung des Menschen in der Welt, in der menschlichen Gesellschaft beziehen, behandelt. Der dialektische und historische Materialismus ist auch die wissenschaftliche Methode des Marxismus-Leninismus, mit deren Hilfe die objektiven Gesetze der Entwicklung der Natur und der Gesellschaft und des Denkens erfaßt werden.

Die politische Ökonomie ist die umfassende wissenschaftliche Begründung der gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft, insbesondere der objektiven Grundlagen der Klassen und der Klassenkämpfe, die aus den jeweiligen Produktionsverhältnissen hervorgehen. Sie ist der Hauptinhalt des Marxismus-Leninismus.

Der wissenschaftliche Kommunismus ist die auf dem dialektischen und historischen Materialismus und der politischen Ökonomie beruhende Theorie und Taktik der kommunistischen Bewegung und die Lehre vom Aufbau des Kommunismus, dessen erste Phase der Sozialismus ist. Der dialektische und historische Materialismus, die politische Ökonomie und der wissenschaftliche Kommunismus sind die einander bedingenden und eine Einheit bildenden Bestandteile des Marxismus-Leninismus. „Erst der philosophische Materialismus von Marx hat dem Proletariat den Ausweg aus der geistigen Sklaverei gewiesen, in der alle unterdrückten Klassen bisher ihr Leben fristeten. Erst die ökonomische Theorie von Marx hat die wirkliche Stellung des Proletariats im Gesamtsystem des Kapitalismus erklärt“3, schrieb Lenin.

Marx und Engels entwickelten ihre Lehren anknüpfend an die deutsche Philosophie, die englische politische Ökonomie und den französischen Sozialismus auf der Grundlage eines eingehenden Studiums der Geschichte der menschlichen Gesellschaft und der Naturwissenschaften, insbesondere mittels einer tiefen Analyse der kapitalistischen Wirtschaft und Gesellschaft und der Erfahrungen des Befreiungskampfes der Arbeiterklasse, an dessen Organisierung sie selbst unmittelbar teilnahmen.

Die zentrale Stellung der politischen Ökonomie im Marxismus-Leninismus ergibt sich daraus, daß sie, unter Anwendung der materialistisch-dialektischen Methode, mit der Aufdeckung der Bewegungsgesetze der kapitalistischen Wirtschaft die Erkenntnis des historischen Materialismus von der gesetzmäßigen Entwicklung der Gesellschaft bestätigt und damit zugleich die wissenschaftlichen Grundlagen der Theorie und Taktik des Kampfes der kommunistischen Bewegung für die Beseitigung des Kapitalismus und für den Aufbau des Sozialismus und Kommunismus liefert. Durch sie wurde, wie Engels schrieb, der Sozialismus aus einer Utopie zur Wissenschaft.