Der Imperialismus –
Grundzüge des monopolistischen
Kapitalismus

3.2
Die neue Rolle der Banken

Die Aufbewahrung von zeitweilig frei werdendem Geld und Geldkapital, die Zahlungsvermittlung und das Kreditgeschäft entwickelten sich zu Grundlagen der Konzentration des Bankkapitals. Wie für die Industriekapitalisten ist auch für die Bankkapitalisten die Triebkraft ihres Handelns das Mehrwertgesetz, die Aneignung von Profit. Durch die Banken wird aber kein Mehrwert produziert. Die Bankkapitalisten eignen sich aufgrund ihrer auf Arbeitsteilung zwischen ihnen und den Industriekapitalisten beruhenden Funktion einen Teil des in der Industrie produzierten Mehrwertes in Form von Zinsen und Gebühren an. Die Zinsen erhalten sie für ihre Tätigkeit als Leihkapitalisten, als Kreditgeber, die Gebühren für die Zahlungsvermittlung, Geld- und Wertpapieraufbewahrung und andere Dienstleistungen. Das Kreditgeschäft umfaßt den Aufkauf – das Diskontieren – und das Beleihen – das Lombardieren – von Wechseln, die Vergabe von kurzfristigen, mittelfristigen und langfristigen Krediten.

Zinsen und Gebühren zusammen mußten mindestens die Höhe des Durchschnittsprofits der Industriekapitalisten erreichen. Das ist die Voraussetzung dafür, daß im Bankwesen überhaupt Kapital angelegt wurde. Das Besondere der Verwertung des Bankkapitals besteht nun darin, daß sich der Durchschnittsprofit auf das Eigenkapital der Banken bezieht, sie aber nicht nur das eigene Kapital verleihen, sondern auch die Einlagen ihrer Kunden, also fremdes Kapital. Aber diese Form des Leihkapitals entsteht wiederum erst durch die Banken. Ohne die Tätigkeit der Banken als Geldaufbewahrer und Zahlungsvermittler müßten die Industriekapitalisten dieses Geld jederzeit selbst als Zirkulations- und Zahlungsmittel in ihren Tresoren zu ihrer ständigen Verfügung haben. Sie könnten es nur in den seltensten Fällen als Leihkapital benutzen.

Obwohl dieses Geld und Geldkapital in den Banken konzentriert ist, steht es den Industriekapitalisten wie auch den Handelskapitalisten und anderen Bankkunden, die Konten bei den Banken haben, weiter ständig zur Verfügung. Da aber alle Industrie- und Handelskapitalisten bei den Banken Konten haben, können diese die Zahlungsforderungen gegenseitig verrechnen, ohne daß wirkliches Geld in Bewegung gesetzt wird. Die große Masse der Zahlungen erfolgt bargeldlos. Die Banken müssen lediglich für die möglichen Bargeldforderungen eine Reserve halten. Das Geld fungiert dann nur als ideelles Rechengeld. Das wirkliche Geld steht den Banken dann als Leihkapital zur Verfügung.

Auch wenn die Bankkunden Geld von ihren Konten, zum Beispiel für Lohnzahlungen, für Ausgaben für den eigenen individuellen Konsum oder andere Zahlungsverpflichtungen, die in Bargeld geleistet werden müssen, abheben, wird durch die Banken Geld und Geldkapital freigesetzt und steht für sie als Leihkapital zur Verfügung. Diese Bargeldabhebungen machen immer nur einen Bruchteil ihrer Zahlungsvermittlungen aus und werden durch ständig fließende Bargeldzugänge wieder ausgeglichen.

Die Konzentration des Zahlungsverkehrs bei den Großbanken beinhaltet eine bedeutende Ökonomisierung des Zahlungsverkehrs. Die Banken nehmen den Industriellen, Handelskapitalisten und sonstigen Bankkunden das Einziehen und Bezahlen von Rechnungen, Wechseln und anderen Geldforderungen oder Zahlungsverpflichtungen ab. Gleichzeitig wird auch der Geldumlauf ökonomischer gestaltet. Die bargeldlosen Verrechnungen vermindern die Menge des zur Zirkulation notwendigen reellen Geldes, da das Geld hierbei nur als ideelles Geld fungiert. Aber beide Formen der Ökonomisierung des Zahlungsverkehrs verwandeln sich in Instrumente zur Beherrschung der Bankkunden. Die Bank verwandelt sich „aus bescheidenen Vermittlern zu allmächtigen Monopolinhabern“.

Die Banken begannen, eine neue Rolle zu spielen. Das Verhältnis von Industriekapitalisten und Bankkapitalisten erfuhr einen grundlegenden Wandel. „Was den engen Zusammenhang zwischen Banken und Industrie betrifft, so tritt gerade hier die neue Rolle der Banken vielleicht am anschaulichsten zutage. Wenn die Bank die Wechsel irgendeines Unternehmers diskontiert, ihm ein Kontokorrent eröffnet usw., so vermindern diese Operationen, einzeln betrachtet, die Selbständigkeit dieses Unternehmers um keinen Deut, und die Bank bleibt in der bescheidenen Rolle eines Vermittlers. Sobald aber diese Operationen sich häufen und zu einer ständigen Einrichtung werden, sobald die Bank Kapitalien von ungeheuren Dimensionen in ihrer Hand ,ansammelt‘, sobald die Führung des Kontokorrents eines Unternehmens die Bank in die Lage versetzt –und das ist ja der Fall –, die wirtschaftliche Lage ihres Kunden immer genauer und vollständiger kennenzulernen, ergibt sich eine immer vollständigere Abhängigkeit des Industriekapitalisten von der Bank.“56

Die Kontrolle der Bank über die Industrieunternehmen vermittels des Kontokorrents, der Bankkonten, hatte für die Banken zunächst nur die Bedeutung einer Sicherung ihres Kreditgeschäfts. Durch den Einblick, den die Bank in den Geschäftsstand der Industrieunternehmen erhielt, konnte sie die Kreditwürdigkeit der Unternehmer einschätzen und über die Gewährung oder Ablehnung eines Kredits entscheiden. Diese Abhängigkeit der Industriekapitalisten von den Banken trug daher ursprünglich auch einen mehr oder minder patriarchalischen Charakter. Die Bankiers fungierten als Ratgeber und als Mahner der Industriellen. Dieses Verhältnis veränderte sich mit der Entwicklung der noch von den Industriekapitalisten persönlich geleiteten Unternehmen in Aktiengesellschaften, der wachsenden Konzentration der Produktion und des Kapitals und der Verschärfung des Konkurrenzkampfes und des Umschlags der freien Konkurrenz in das Monopol. In diesem Entwicklungsprozeß wirkten die Banken, die zu Großbanken heranwuchsen, als Hebel. Wie der Konkurrenzkampf der Industriekapitalisten immer mehr ökonomischen mit außerökonomischem Zwang verband, so auch das Verhältnis zwischen Indus-trie- und Bankkapitalisten. Es ging ja in diesem Kampf um die Gewinnung und die Sicherung von Monopolprofit, und am Monopolprofit waren auch die Banken interessiert, das heißt, auch für sie wurde der Monopolprofit zur Triebkraft ihres Handelns. Die Konzentration der Depositen und der Zahlungsvermittlung in den Händen der Großbanken verschaffte diesen eine Monopolstellung.

Der Kredit ist, wie schon Marx feststellte, eine Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalverfügung. Unter dem Einfluß des wachsenden Umfangs der sachlichen Produktionsfaktoren, der Maschinen, Anlagen, der Anzahl der beschäftigten Arbeiter und Angestellten und damit des Kapitalminimums und des Konkurrenzkampfes wurde die Aufnahme von Kredit zu einem notwendigen Mittel der Erweiterung der Akkumulation über das eigene Kapital des Unternehmens hinaus.

Die Aufnahme von längerfristigen Investitionskrediten zur Erweiterung und Modernisierung der Produktion entwickelte sich zu einer allgemeinen Erscheinung und Existenzbedingung der kapitalistischen Unternehmer. Sie mußten zwar den durch den Kredit gewonnenen Profit mit den Banken teilen, die den Zins erhielten, aber der restliche Profit wurde dem Profit zugeschlagen, den das Eigenkapital einbrachte, und auf diese Weise erhöhte sich die Profitrate.

Der Kredit und seine Verwendung zur Erweiterung und Modernisierung der Produktion, also zur Akkumulation des Kapitals, bedeutete Verfügung über fremdes Kapital wie über eigenes. Hierbei setzte sich der Prozeß fort, den wir schon bei den Banken beobachteten. Die Banken verfügen über die Einlagen ihrer Bankkunden wie über ihr eigenes Kapital und verwandeln sie in Leihkapital, dessen Zinsen sie kassieren. Es erfolgte also eine Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalverfügung in einem Riesenausmaß. Aber die wirkliche Kapitalverwertung erfolgt erst in der Produktion durch die Verwandlung des Leihkapitals in Form der Investitionskredite in produktives Kapital. Das Verfügungsrecht über das brachliegende Kapital wird demzufolge von den Banken auf die industriellen Kapitalisten übertragen.

Von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet, tragen die Banken, indem sie die Geldzirkulation ökonomisieren und freigesetztes, brachliegendes Geld und Geldkapital in Form von Investitionskrediten für die industriellen Kapitalisten mobilisieren, in bedeutendem Maße zur Entwicklung der Produktivkräfte und der kapitalistischen Produktion bei. Zugleich verschärft der Kredit die Widersprüche der kapitalistischen Produktionsweise, insbesondere den Widerspruch zwischen der Tendenz zur schrankenlosen Ausdehnung der Produktion und der Beschränkung der zahlungsfähigen Nachfrage der werktätigen Massen. Die Ausnutzung des Kredits ist auch das Feld für Spekulanten, denn die Verfügung über fremdes Kapital verleitet, wie Marx hervorhebt, zu dessen skrupelloserer Verwendung als die über eigenes Kapital.

Aus der Tatsache, daß die Aufnahme von Krediten zur Konkurrenz-und Existenzbedingung aller industriellen Kapitalisten wurde, ergab sich ihre Abhängigkeit von den Banken. Das galt zunächst für die kritischen Perioden der einzelnen Unternehmen, wenn der Absatz ihrer Waren stockte, vor allem für die Auswirkungen des zyklischen Verlaufs des Reproduktionsprozesses des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in den Phasen der Krise und der Depression. In diesen Situationen hing die Existenz der besonders betroffenen Unternehmen auf Gedeih und Verderb von den Banken ab. Dabei konnte natürlich auch für die Banken eine kritische Situation eintreten, wenn die von ihnen vorgegebenen Kredite verlorenzugehen drohten und sie selbst dadurch zahlungsunfähig werden konnten.

Die Überlegenheit der Banken ergibt sich jedoch aus der schon geschilderten Ausnutzung des Kontokorrents zur Information, Kontrolle und schließlich zur Beherrschung des Schicksals der Unternehmen. Die Großbanken überblicken auf diese Weise die Geschäftslage nicht nur einzelner Gruppen von Unternehmen, sondern des größten Teils der Unternehmen, wenn nicht der gesamten Wirtschaft. Sie sind also in der Lage, einen größeren Überblick zu erhalten als die einzelnen Unternehmen und danach ihr Geschäftsverhalten zu bestimmen.

Aber die Banken sind selbst kapitalistische Unternehmen, die dem Grundgesetz des Kapitalismus, dem Mehrwertgesetz, unterliegen und daher nach höchstmöglichem Profit streben und unter dem Zwangsgesetz der Konkurrenz danach streben müssen. Sie sind daher, wie die industriellen Kapitalisten, daran interessiert, daß aus den Industriearbeitern soviel Mehrwert wie möglich herausgepreßt wird. Daher gewähren sie den Unternehmen bevorzugt und in großem Umfang Kredite, bei denen die Verwertung am höchsten ist. Das sind in erster Linie die industriellen Großunternehmen, die mit modernster Technik und Organisation die höchste Produktivität entwickeln und auf dieser Grundlage nicht nur den normalen Durchschnittsprofit, sondern große Extraprofite einbringen.

Industrielle Großunternehmen benötigen Großkredite. Dieser Umstand treibt den Konzentrationsprozeß der Banken voran, wodurch die Voraussetzung für die Mobilisierung von Unmengen an Geldkapital für solche Kredite geschaffen wird. Aber auch die Konzentration des Bankkapitals und die Großkredite treiben die Konzentration der Produktion und die Zentralisation des Industriekapitals voran. Doch mit den Großkrediten engagieren sich die Banken auch unmittelbar bei den Industrieunternehmen, und ihre Geschäftslage hängt dann unmittelbar von derjenigen dieser Industrieunternehmen ab. Dabei berührt sie auch die Entwicklung des Konkurrenzkampfes der industriellen Großunternehmen und dessen Ausgang. Die Vernichtung des einen oder anderen der großen Konkur-renten könnte die Senkung nicht nur des Profits und der Zinsen, sondern auch den Verlust des gegebenen Großkredits bedeuten.

Hieraus entspringt das Interesse der Banken an einer „Verständigung“ der konkurrierenden Großunternehmen und dem Abschluß eines Abkommens über die Monopolisierung der Produktion und des Marktes. Die Großbanken treiben also das Umschlagen der freien Konkurrenz in das Monopol in der Industrie voran. Dazu nutzen sie ihre Vormachtstellung als Kreditgeber aus, indem sie unter Androhung des Kreditentzuges die Konkurrenten zum Abschluß der entsprechenden monopolistischen Abmachungen zwingen. Wie die Industriemonopole üben die Großbanken ökonomischen und außer-ökonomischen Zwang zur Erreichung ihres Zieles aus.

„Aus Handels- und Industriekreisen“, schreibt Lenin, „werden oft Klagen über den ,Terrorismus‘ der Banken laut. Es ist nicht verwunderlich, daß derartige Klagen laut werden, wenn die Großbanken so ,kommandieren‘, wie folgendes Beispiel zeigt.“57 Und er zitiert den Brief einer der Berliner D-Banken an den Vorstand des Norddeutschen Zementkartells, in dem erklärt wird, daß ein schon eingeräumter Kredit wieder entzogen wird, wenn von der Generalversammlung der Aktiengesellschaft „Beschlüsse gefaßt werden, die geeignet sein können, Veränderungen uns nicht genehmer Art in Ihrem Geschäftsbetrieb herbeizuführen“58. Das war im Jahre 1901.

Genauso ist Anfang der siebziger Jahre ebenfalls eine Berliner D-Bank, möglicherweise dieselbe, nämlich die Deutsche Bank, mit dem Krupp-Konzern verfahren, als dieser sich weigerte, das Familienunternehmen in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.

Von großer Bedeutung für die neue Rolle der Banken war ihre Funktion als Vermittler des Wertpapiergeschäfts und als Gründer von Aktiengesellschaften. Ähnlich wie beim Kreditgeschäft fungierten die Banken beim Handel mit Wertpapieren, also Aktien, Obligationen, Anleihen, Hypotheken, Pfandbriefen, zunächst nur als Vermittler. Zu diesem Zweck entstanden die verschiedensten Spezialbanken zum Beispiel für „Immobilien“. Diese sahen ihre Aufgabe nicht nur darin, brachliegendes Geld und Geldkapital zu sammeln und in Form von Krediten der Verwertung zuzuführen, sondern auch schon investiertes, aber dadurch unbeweglich, immobil gewordenes zum Beispiel in Fabrikanlagen, Häusern, Verkehrseinrichtungen angelegtes Kapital als Grundlage für die Kreditvergabe durch Beleihung zu kapitalisieren und in Form von fiktivem Kapital zu mobilisieren.

So wurden zum Beispiel Wohnhäuser von den Banken beliehen, indem die Hausbesitzer auf diese Häuser eine Hypothek aufnahmen. Diese Hypothekenpapiere, die nicht gehandelt werden konnten, wurden von den Banken übernommen und auf ihrer Grundlage Pfandbriefe herausgegeben, emittiert, die auf der Börse gehandelt werden können. Ähnlich ist es mit den Industrieobligationen, die auf der Grundlage verpfändeter Industrieanlagen emittiert werden.

Die Emission und den Kauf und Verkauf solcher Wertpapiere vermittelten im Auftrag ihrer Bankkunden die Banken gegen Provisionen. Auf diesem Wege benutzten sie im Auftrag ihrer Kunden einen Teil der Einlagen zum Kauf von Wertpapieren, die bei ihnen deponiert und verwaltet wurden. Gleichzeitig machten sie auch Wertpapiergeschäfte auf eigene Rechnung, das heißt, sie legten die in ihrer Verfügung stehenden Einlagen der Bankkunden in Wertpapieren an und kassierten die Zinsen beziehungsweise durch Wiederverkauf die Kursgewinne. Sie mußten aber auch, wenn sie sich „verspekuliert“ hatten, die Kursverluste oder den Verlust des in den Wertpapieren angelegten Kapitals tragen.

Einen qualitativen Umschlag erfuhr das Wertpapiergeschäft dadurch, daß die Banken Aktien nicht nur zu dem Zweck kauften, um Dividende oder Kursgewinne zu kassieren, sondern um, wie schon mit Hilfe der Kreditvergabe, auf die Industrieunternehmen unmittelbar Einfluß zu gewinnen.

Schon bei der Behandlung der Entstehung und Entwicklung der Industriemonopole war ersichtlich, daß bei den Aktiengesellschaften durch die Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalfunktion und die Zersplitterung des Aktienbesitzes die Möglichkeit besteht, mit einem „Aktienpaket“, das 30 bis 40 Prozent der Aktien der Gesellschaft umfaßt, die gesamte Aktiengesellschaft und darüber hinaus den ganzen Komplex von Unternehmen, der durch die „Verschachtelung“ des Aktienbesitzes gebildet wurde, zu beherrschen. Diese Möglichkeit nutzten die Großbanken, um den Monopolisierungsprozeß der Industrie voranzutreiben.

Die Großbanken wurden selbst zu Teilhabern der Unternehmen der Großindustrie. Ihre Tätigkeit beschränkte sich dann nicht mehr nur auf das Geld-, Kredit- und Wertpapiergeschäft. Sie nahmen aufgrund ihres Aktienbesitzes direkt auf den industriellen Verwertungsprozeß des Kapitals Einfluß. Das erforderte von den Banken, daß sie sich nicht nur über die Bankkonten vom Geschäftsstand der Unternehmen informierten, sie kontrollierten und auch nicht nur über die Kreditgewährung oder -ablehnung Entscheidungen trafen, sondern nun auch selbst über die Maßnahmen zur Sicherung und Entwicklung der Verwertung des in der Aktiengesellschaft angelegten Kapitals zu bestimmen hatten.

Die Banken entwickelten sich dabei, wie Lenin, gestützt auf Aussagen bürgerlicher Experten, feststellt, zu für die Industrie tätigen Finanzinstituten von universellem Charakter.59 Er bemerkt dazu: „Die Herausbildung und Weiterbildung der großkapitalistischen Monopole geht also auf ‚natürlichem‘ oder ,übernatürlichem‘ Wege mit Volldampf voraus. Es kommt systematisch eine gewisse Arbeitsteilung unter den paar hundert Finanzkönigen der modernen kapitalistischen Gesellschaft zustande.“60 Damit ist eine Spezialisierung der Leiter der Großbanken gemeint, bei der sich die einzelnen Direktoren sowohl mit der Industrie insgesamt als auch speziell mit einzelnen Zweigen beschäftigen und diese als Aufsichtsratsmitglieder überwachen.

Die Banken errichteten oder finanzierten spezielle Forschungsinstitute, um mit Hilfe des technischen Fortschritts die Profitproduktion der von ihnen beherrschten oder beeinflußten Unternehmen zu fördern. „Selbstverständlich können die Milliardenunternehmungen der Großbanken auch den technischen Fortschritt mit Mitteln fördern, mit denen sich die früheren in keiner Weise vergleichen lassen. Die Banken errichten z.B. besondere Gesellschaften für technische Forschungen, deren Ergebnisse natürlich nur ,befreundeten‘ Industrieunternehmungen zugute kommen.“61

Die Banken beschäftigten sich demnach nicht nur mit Geld- und Kreditgeschäften, sondern drangen in den Bereich des Industriekapitals – und auch des Handelskapitals – ein. Sie entwickelten sich zwar parallel zu den Industriemonopolen, aber beide standen in wechselseitiger Abhängigkeit und verflochten sich miteinander. Bei der Definition des Bankmonopols muß man daher ebenso verfahren wie bei der Definition des Industriemonopols und von seinen durch die Verflechtung mit dem Industriemonopol bedingten Erscheinungsformen abstrahieren, um sein Wesen zu erfassen. Das Bankmonopol ist, wie das Industriemonopol, ein entwickeltes kapitalistisches Produktionsverhältnis, das im Ergebnis des sich verschärfenden Konkurrenzkampfes der Banken untereinander und im Wechselverhältnis mit den Industriemonopolen durch die Monopolisierung des gesamten freien Geldkapitals, der Zahlungsvermittlung und des Kreditgeschäfts entstand. Es verkörpert ein Verhältnis der Herrschaft und der damit verbundenen Gewalt einiger übermächtiger Großbanken, das auf die Aneignung von Monopolprofit gerichtet ist und wesentlich den Prozeß der Herausbildung der Industriemonopole beschleunigte.

Der wichtigste Bestandteil des Monopolprofits der Großbanken ist ein Teil des Monopolprofits der Großindustrie, der in Form von Zinsen, Gebühren und Dividenden angeeignet wird. Die Aneignung von Monopolprofit durch die Großbanken ist möglich, weil sie das gesamte Geldkapital – die Depositen – aller Kapitalisten und Kleinunternehmer monopolisieren und – bei einem Minimum von Eigenkapital – wie eigenes Kapital verwerten. Der Monopolprofit der Großbanken wird durch das Wertpapieremissions- und Spekulationsgeschäft sowie durch Devisen- und Währungsspekulatiönsgeschäfte beträchtlich vergrößert, wobei sich die Großbanken nicht nur Bestandteile des Industrie- und Handelsprofits, sondern auch der Vermögen und Einkommen der Wertpapier- und Geldbesitzer aneignen.

Die Monopolbanken entwickelten sich über das Kontokorrent zu Organen der Kontrolle und Beherrschung der wirtschaftlichen Entwicklung der Industrie- und Handelsunternehmen und Kleinunternehmen, trieben durch den Kredit und durch Kapitalbeteiligung den Monopolisierungsprozeß der Industrie und des Handels voran, verwuchsen und verschmolzen schließlich mit den Industriemonopolen.