Handelskapital und Handelsprofit
Leihkapital und Zins

1.1
Das Handelskapital als historischer Vorläufer
des industriellen Kapitals

Das Handelskapital entstand ebenso wie das Leihkapital schon lange vor der kapitalistischen Produktionsweise. Es ist die historisch älteste selbständige Existenzform des Kapitals und existierte bereits in der Sklaverei und im Feudalismus. Karl Marx schreibt: „Nicht nur der Handel, sondern auch das Handelskapital ist aber älter als die kapitalistische Produktionsweise, ist in der Tat die historisch älteste freie Existenzweise des Kapitals.“4

Die ökonomische Existenzgrundlage des vorkapitalistischen Handelskapitals war die einfache Warenproduktion, die sich mit der gesellschaftlichen Arbeitsteilung und dem Privateigentum an den Produktionsmitteln herausbildete. Mit der Entwicklung der Produktivkräfte und der Entstehung eines Mehrprodukts entwickelte sich die Warenproduktion und die Geldzirkulation immer weiter. Es entstanden immer mehr Produkte, die gegen andere ausgetauscht werden mußten. Die Märkte, auf denen der Austausch erfolgte, dehnten sich aus. Neben dem sich erweiternden Binnenmarkt entwickelten sich der äußere Markt und der Außenhandel. Das Ziel der Kaufleute beziehungsweise des Handelskapitals ist, beim Kauf und Verkauf der Waren einen Überschuß, Profit, den Handelsprofit, zu realisieren (G – W – G’).

Da jedoch die einfache Warenproduktion durch das Wertgesetz reguliert wird, nach dem die Waren zu ihren Werten ausgetauscht werden, kann unter den Bedingungen des äquivalenten Austauschs kein Handelsprofit entstehen. Der Profit des vorkapitalistischen Handelskapitals kann nur dadurch entstehen, daß die Handelskapitalisten die Waren unter ihrem Wert einkaufen und/oder über ihrem Wert verkaufen. Die Quelle des Handelsprofits ist folglich die Arbeit der einfachen Warenproduzenten, die sich im Warenwert verkörpert und von dem sich das Handelskapital einen Teil als Handelsprofit aneignet. In der Tat entsteht der vorkapitalistische Handelsprofit erst in der Zirkulation, und zwar aus der Übervorteilung der Verkäufer und Käufer. Die Geschichte des Handelskapitals ist die einer ungeheuren Betrügerei und Räuberei.

Die Rolle des Handelskapitals der vorkapitalistischen Produktionsweisen wird treffend von Friedrich Engels charakterisiert: „Unter dem Vorwand, den Produzenten die Mühe und das Risiko des Austausches abzunehmen, den Absatz ihrer Produkte nach entfernten Märkten auszudehnen, damit die nützlichste Klasse der Bevölkerung zu werden, bildet sich eine Klasse von Parasiten aus, echten gesellschaftlichen Schmarotzertieren, die als Lohn für sehr geringe wirkliche Leistungen sowohl von der heimischen wie von der fremden Produktion den Rahm abschöpft, rasch enorme Reichtümer und entsprechenden gesellschaftlichen Einfluß erwirbt …“5

Mit der Entstehung und Entwicklung des industriellen Kapitals wurde das Handelskapital dem industriellen Kapital untergeordnet. Karl Marx zeigt, wie sich diese Unterordnung auf drei Wegen vollzog. „Erstens, der Kaufmann wird direkt Industrieller; dies ist der Fall bei den auf den Handel gegründeten Gewerben, namentlich bei Luxusindustrien, welche von den Kaufleuten mitsamt den Rohstoffen und den Arbeitern aus der Fremde eingeführt werden, wie im fünfzehnten Jahrhundert in Italien aus Konstantinopel. Zweitens, der Kaufmann macht die kleinen Meister zu seinen Zwischenschiebern (middle-men) oder kauft auch direkt vom Selbstproduzenten; er läßt ihn nominell selbständig und läßt seine Produktionsweise unverändert. Drittens, der Industrielle wird Kaufmann und produziert direkt im großen für den Handel.“6

Der erste und besonders der dritte Weg sind revolutionierende Wege, während der zweite Weg außerordentlich langwierig und für die unmittelbaren Produzenten äußerst qualvoll war.

Die Unterordnung des Handelskapitals unter das industrielle Kapital ging unter schweren Kämpfen vor sich. Die Handelskapitalisten des Mittelalters waren in Gilden vereinigt, die eine Monopolstellung einnahmen und ihnen hohe Profite sicherten. Das aufkommende industrielle Kapital hatte anfangs gegen diese Kaufmannsgilden einen schweren Stand, was beispielsweise unter anderem dazu führte, daß die kapitalistischen Manufakturen außerhalb der Bannmeile der Städte entstanden. Aber die ökonomische Überlegenheit besaß das industrielle Kapital, und es ordnete sich das Handelskapital unter. Die industrielle Produktion bot die Möglichkeit, die Arbeitsproduktivität zu erhöhen, damit den Wert und Preis der Waren zu senken usw. Dadurch zerstörte das industrielle Kapital das Monopol der Kaufmannschaft.