1.3
Der Ersatz der reinen Zirkulationskosten
Bisher haben wir vom Zusatzkapital, das der Handelskapitalist anwendet, um das Warenkapital des Industriellen zu kaufen und zu verkaufen und damit sein Kapital zu verwerten, ganz allgemein gesprochen. Bei einer genaueren Betrachtung kann das Handelskapital in drei wesentliche Bestandteile gegliedert werden:
- das zum Kauf der Waren vorgeschossene Zirkulationskapital;
- die reinen Zirkulationskosten;20
- die Kosten, die durch eine Fortsetzung der Produktion im Handel bedingt sind (unechte oder heterogene Zirkulationskosten).
Es ergibt sich nun die Frage, wie diese Teile an das Handelskapital zurückfließen und wie sie an dessen Verwertung im einzelnen beteiligt sind.
Die zum Kauf der Waren vorgeschossene Geldsumme fließt an den Handelskapitalisten mit dem Verkauf der Waren zurück. (Wenn er sie auf Kredit gekauft hat, jedoch gegen bar verkauft, könnte er den Industriellen sogar bezahlen, ohne selbst die Geldsumme vorzuschießen.) Da der Handelskapitalist wie jedes Kapital seinen vorgeschossenen Wert verwertet, muß die zum Kauf der Waren vorgeschossene Geldsumme plus Profit an ihn zurückfließen.
Die Kosten, die durch die Fortsetzung der Produktion im Handel entstehen, sind Produktionskosten und unterscheiden sich in ihrem Charakter nicht von denen in der materiellen Produktion. Die Aufwendungen für Transport, Lagerung, Verpackung, Sortieren, Wiegen usw. erhöhen den Wert der Waren und dementsprechend ihren Preis. Der Wert des konstanten Kapitals wird durch die konkrete Arbeit der Lohnarbeiter auf das Produkt übertragen, und zugleich wird durch ihre abstrakte Arbeit Neuwert (v + m) hinzugefügt. Dem früher in der Produktionssphäre geschaffenen Warenwert (c + v + m) wird ein zusätzlicher Wert hinzugefügt, der ebenfalls aus c + v + m besteht. Insofern entsteht auch im Handel Wert und Mehrwert. Wenn der Handelskapitalist unechte, heterogene Zirkulationskosten aufgewendet hat und die Waren zum Wert verkauft werden, so müssen sie plus dem produzierten Mehrwert an ihn zurückfließen. Nur wenn diese Zirkulationskosten aus Stockungen im Absatz, durch Spekulationen usw. hervorgerufen werden und den gesellschaftlichen Durchschnitt übersteigen, verwandeln sie sich ihrem Charakter nach in Unkosten, also Verluste.
Das Hauptproblem liegt folglich in den reinen Zirkulationskosten. Reine Zirkulationskosten sind jene Kosten, die ausschließlich mit den Metamorphosen der Waren, der Verwandlung der Waren in Geld und von Geld in Waren, dem Verkauf und dem Kauf, zusammenhängen.21 Da beim Formwandel der Ware kein Wert und kein Mehrwert entstehen kann, sind sie in diesem Sinne unproduktive Kosten und müssen aus dem produzierten Mehrwert gedeckt werden. Solche Kosten entstehen im kapitalistischen Handel aus der Ein- und Verkaufszeit der Waren, die der Handelskapitalist selbst oder von ihm angewandte Lohnarbeiter aufbringen müssen, aus der Zeit für die Buchführung und aus der Verausgabung von konstantem und variablem Kapital, die mit der Formverwandlung der Waren und des Geldes zusammenhängen.
Die Handelskapitalisten benötigen für ihre Operationen Geschäftshäuser, Büroeinrichtungen, Schreib- und Rechenmaschinen, Bücher, Schreibmaterial, zum Teil auch Lagerhäuser und -einrichtungen, und im kapitalistischen Handel werden Lohnarbeiter angewandt. Hier entsteht nun die Frage, wie oder woraus ersetzen die Handelskapitalisten diese Kapitalauslagen? Auch diesen Kapitalvorschuß muß das Handelskapital mit dem Durchschnittsprofit über die Verkaufspreise der Waren zurückerhalten. Das Problem besteht jedoch darin, daß im Handel beim Verkauf der Waren keine materielle Produktion, demzufolge auch keine Neuwertbildung und Wertübertragung erfolgen.
In der materiellen Produktion wird durch die konkrete Arbeit der Wert des konstanten Kapitals in dem Maße, wie die Produktionsmittel verbraucht werden, auf das neue Produkt übertragen. Der Wert des vorgeschossenen variablen Kapitals wird durch die abstrakte Arbeit der Lohnarbeiter in der notwendigen, Arbeitszeit reproduziert. In der Mehrarbeitszeit wird der Mehrwert erzeugt.
Wodurch wird nun das vom Handelskapital vorgeschossene konstante Kapital ersetzt? Das konstante Kapital besteht aus materiellen Gütern, Gebäuden, Einrichtungen, Maschinen, Geräten usw. Diese können nur in der Produktion produziert und reproduziert werden. Das gilt auch für das im Handel angewandte konstante Kapital. Es ist ein Teil des konstanten Kapitals der Gesellschaft und muß vom industriellen Kapital produziert werden; verbraucht wird es jedoch vom Handelskapital. Der Wert des konstanten Kapitals des Handelskapitals muß deshalb in den Verkaufspreis der von den Handelskapitalisten verkauften Waren eingehen, aber dieser Wert kann nicht vom Handelskapital auf das Produkt übertragen werden, weil im Handel, soweit es sich um die Metamorphose der Ware handelt, keine produktive Arbeit geleistet wird. Der Wert des im Handel angelegten konstanten Kapitals kann demzufolge ebenfalls nur aus dem Profit des industriellen Kapitals ersetzt werden. Karl Marx schreibt: „Dieser Teil des vorgeschoßnen konstanten Kapitals würde ebensowohl wie die ganze Masse desselben, die direkt in der Produktion angelegt ist, auf die Profitrate beschränkend wirken. Soweit der industrielle Kapitalist den kommerziellen Teil seines Geschäfts dem Kaufmann überläßt, braucht er diesen Kapitalteil nicht vorzuschießen. Statt seiner schießt ihn der Kaufmann vor. Dies ist insofern nur nominell; der Kaufmann produziert weder, noch reproduziert er das von ihm vernutzte konstante Kapital (die sachlichen Handlungsunkosten). Die Produktion desselben erscheint also als eignes Geschäft oder wenigstens als Teil des Geschäfts gewisser industrieller Kapitalisten, die so dieselbe Rolle spielen wie die, welche das konstante Kapital denen liefern, die Lebensmittel produzieren. Der Kaufmann erhält also erstens dies ersetzt und zweitens den Profit hierauf. Durch beides findet also Verringerung des Profits für den industriellen Kapitalisten statt. Aber, wegen der mit der Teilung der Arbeit verbundnen Konzentration und Ökonomie, in geringerm Maß, als wenn er selbst dies Kapital vorzuschießen hätte. Die Verminderung der Profitrate ist geringer, weil das so vorgeschoßne Kapital geringer ist.“22
Beim variablen Kapital des Kaufmannskapitals und dem Profit darauf verhält es sich, wie Karl Marx feststellt, anders. „Und hier liegt die wirkliche Schwierigkeit.“23
Der Kaufmann kauft dem Anschein „nach bloß kaufmännische Arbeit, also Arbeit, notwendig, um die Funktionen der Kapitalzirkulation, W – G und G – W zu vermitteln. Aber die kaufmännische Arbeit ist die Arbeit, die überhaupt notwendig ist, damit ein Kapital als Kaufmannskapital fungiere … Und nur sofern ein Kapital diese Funktionen verrichtet – also ein Kapitalist diese Operationen, diese Arbeit mit seinem Kapital verrichtet –,fungiert dies Kapital als kaufmännisches Kapital und nimmt es teil an der Regelung der allgemeinen Profitrate ….“24
Das Problem besteht darin, daß der Handelskapitalist auch dann als Kapitalist fungiert, wenn er keine Lohnarbeiter beschäftigt. Beschäftigt er aber Lohnarbeiter, dann muß er variables Kapital vorschießen – Marx bezeichnet es mit b – und Profit darauf erhalten, also b + p. Daraus ergibt sich eine eigenartige Sachlage. „In (b + Profit auf b) scheint aber erstens die Arbeit bezahlt zu werden (denn ob der industrielle Kapitalist sie dem Kaufmann für seine eigne Arbeit bezahlt oder für die des vom Kaufmann bezahlten Kommis, ist dasselbe) und zweitens der Profit auf Zahlung dieser Arbeit, die der Kaufmann selbst verrichten müßte.“25 Es scheint also sowohl die Arbeit der kaufmännischen Lohnarbeiter als auch der Profit für diese Arbeit bezahlt zu werden.
Dieser Schein verschwindet jedoch, wenn man den Fall unterstellt, daß sich das Warenkapital des Industriellen noch nicht verselbständigt hat und seine Realisierung Aufgabe des industriellen Kapitals ist.
In diesem Fall müßte der Industrielle bei entsprechendem Umfang seines Geschäfts ebenfalls variables Kapital vorschießen beziehungsweise Lohnarbeiter beschäftigen, deren ausschließliche Aufgabe es wäre, die Waren zu verkaufen. Dieser Teil wäre zwar kleiner im Verhältnis zu seinem produktiven Kapital, aber aus den bekannten Gründen größer im Verhältnis zu dem von den Handelskapitalisten angewandten variablen Kapital. Auf alle Fälle würde sich das vom Industriellen angewandte Kapital um diesen Teil vergrößern, ohne daß sich die Masse des Mehrwerts erhöht; denn die zusätzlichen Lohnarbeiter sind nicht an dessen Produktion beteiligt. Deshalb sind die industriellen Kapitalisten auch immer bemüht, die Zahl der Lohnarbeiter, die nicht an der Produktion von Mehrwert beteiligt sind, so gering wie möglich zu halten.
Ob das variable Kapital nun vom Industriellen oder vom Handelskapitalisten verausgabt wird, ändert prinzipiell an der Sache nichts. Es muß ersetzt werden plus dem ihm entsprechenden Durchschnittsprofit.
Unter Verwendung der Marxschen Symbole muß der Handelskapitalist, die unechten oder heterogenen Zirkulationskosten ausgeklammert und seine Funktion nur auf die reine Handelstätigkeit beschränkt, folgende Kapitalteile vorschießen:
B + K + b
B = Kapital zum Kauf der Waren
K = konstantes Kapital des Handelskapitalisten
b = variables Kapital des Handelskapitalisten
Der Verkaufspreis der vom Handelskapital verkauften Waren würde sich aus folgenden Bestandteilen zusammensetzen:
B + K + b + dem Profit auf B + K + dem Profit auf b
B erhält der Handelskapitalist beim Verkauf der Waren im Verkaufspreis zurück. Er fügt keinen neuen Wertbestandteil hinzu. Der Profit auf B erscheint als Zuschlag auf den dem Industriellen bezahlten Preis der Waren. K + p erscheinen ebenfalls als Zuschlag auf den dem Industriellen gezahlten Preis, und dasselbe gilt für b + p. Sie erscheinen als Preisaufschlag auf den Einkaufspreis, werden jedoch aus dem Profit des Industriellen ersetzt. Sie sind Bestandteil des Produktionspreises, weil das Handelskapital am Ausgleich der Profitraten und am Produktionspreis teilnimmt.
Karl Marx veranschaulicht das folgendermaßen: „Wenn in unserm obigen Beispiel außer den 100 Kaufmannskapital noch 50 Zusatzkapital für die fraglichen Kosten vorgeschossen werden, so verteilt sich der Gesamtmehrwert von 180 nun auf ein produktives Kapital von 900 plus einem Kaufmannskapital von 150, zusammen = 1050. Die Durchschnittsprofitrate sinkt also auf 171⁄7 %. Der industrielle Kapitalist verkauft die Waren an den Kaufmann zu 900 + 1542⁄7, und der Kaufmann verkauft sie zu 1130 (1080 + 50 für Kosten, die er wieder ersetzen muß).“26 Weiter schreibt Karl Marx treffend: „Dem industriellen Kapital erscheinen und sind die Zirkulationskosten Unkosten. Dem Kaufmann erscheinen sie als Quelle seines Profits, der – die allgemeine Profitrate vorausgesetzt – im Verhältnis zur Größe derselben steht. Die in diesen Zirkulationskosten zu machende Auslage ist daher für das merkantile Kapital eine produktive Anlage. Also ist auch die kommerzielle Arbeit, die es kauft, für es unmittelbar produktiv.“27
Die reinen Zirkulationskosten machen im gegenwärtigen Kapitalismus einen beachtlichen Teil des Verkaufspreises der Waren aus. Von den gesamten Zirkulationskosten entfallen in den entwickelten kapitalistischen Ländern rund zwei Drittel auf die reinen Zirkulationskosten.
Ein bedeutender Faktor sind die Reklamekosten. Das ist nicht schwer zu begreifen; denn der schwierigste Akt ist der Verkauf der Waren, ihre Verwandlung in Geld. Nur wenn es gelingt, die Waren abzusetzen, kann der produzierte Mehrwert realisiert werden. Deshalb werden besonders im gegenwärtigen Kapitalismus große Summen für Reklame (Inserate, Lichtreklame, Rundfunk- und Fernsehreklame, Prospekte usw.) ausgegeben. Es finden regelrechte Reklameschlachten zwischen den konkurrierenden kapitalistischen Unternehmen statt, die den Betrug und die Täuschung der Käufer einschließen. Stäbe von Reklamespezialisten, Werbefachleuten usw. werden beschäftigt, um die wirksamste Werbung herauszufinden. Es kommt nicht selten vor, daß die Reklamekosten bestimmter Waren deren Produktionskosten übersteigen. Das Monopolkapital wälzt diese reinen Zirkulationskosten über den Preis auf die Werktätigen ab.