Handelskapital und Handelsprofit
Leihkapital und Zins

2.2.2
Die Spaltung des Profits
in Zins und Unternehmergewinn

Den unter Verwendung von Leihkapital realisierten Profit kann sich der fungierende Kapitalist nicht in voller Höhe aneignen, einen Teil davon muß er an den Geldkapitalisten abtreten. Deshalb findet eine Teilung des Profits in Zins für den Geldkapitalisten und einen Profitteil für den fungierenden Kapitalisten statt, den Karl Marx mit Unternehmergewinn bezeichnet.

Der Zins ist insofern ein aus dem Profit abgeleitetes Einkommen. „Es ist in der Tat nur die Trennung der Kapitalisten in Geldkapitalisten und industrielle Kapitalisten, die einen Teil des Profits in Zins verwandelt, die überhaupt die Kategorie des Zinses schafft; und es ist nur die Konkurrenz zwischen diesen beiden Sorten Kapitalisten, die den Zinsfuß schafft.“56

Die Teilung des Profits in Zins und Unternehmergewinn kommt daher, weil das Leihkapital zwar für zwei Kapitalisten oder Kapitalistengruppen (für die Geldkapitalisten und für die fungierenden Kapitalisten) Kapital, sich verwertender Wert, ist aber nur von einer Gruppe (dem fungierenden Kapital) in der Produktion beziehungsweise zur Realisierung des Profits eingesetzt wird. In welchem Verhältnis die Teilung erfolgt, hängt im allgemeinen von der Höhe der Durchschnittsprofitrate und von der Höhe des Zinsfußes ab.

Im konkreten Einzelfall ist das Teilungsverhältnis von vielen Faktoren abhängig, so zum Beispiel von der Profitrate des Unternehmens, dem Zinsfuß zu einem bestimmten Zeitpunkt, von der Dringlichkeit des fungierenden Kapitalisten, Leihkapital in Anspruch zu nehmen, von der „Kreditwürdigkeit“, den Sicherheiten, der Dauer des Kreditverhältnisses usw. Karl Marx faßt dieses Problem wie folgt zusammen: „Sowohl für den industriellen Kapitalisten, soweit er mit geborgtem Kapital arbeitet, wie für den Geldkapitalisten, soweit er sein Kapital nicht selbst anwendet, schlägt hiermit die bloß quantitative Teilung des Bruttoprofits zwischen zwei verschiedne Personen, die beide verschiedne Rechtstitel haben auf dasselbe Kapital und daher auf den von ihm erzeugten Profit, um in eine qualitative Teilung. Der eine Teil des Profits erscheint nun als an und für sich zukommende Frucht des Kapitals in einer Bestimmung, als Zins; der andre Teil erscheint als spezifische Frucht des Kapitals in einer entgegengesetzten Bestimmung und daher als Unternehmergewinn; der eine als bloße Frucht des Kapitaleigentums, der andre als Frucht des bloßen Fungierens mit dem Kapital, als Frucht des Kapitals als prozessierendem oder der Funktionen, die der aktive Kapitalist ausübt.“57

Die Verwandlung der quantitativen Teilung des Profits in Zins und Unternehmergewinn in eine qualitative verfestigt sich für die gesamte Kapitalistenklasse. Sie beschränkt sich nicht nur auf jene fungierenden Kapitalisten, die tatsächlich fremdes Kapital anwenden, sondern schließt auch diejenigen ein, die nur mit eigenem Kapital arbeiten.

Jeder fungierende Kapitalist teilt seinen Profit ein in Zins, der ihm als Eigentümer von Kapital zukommt, und in Unternehmergewinn, der ihm als aktiven, fungierenden Kapitalisten zukommt. „Der Anwender des Kapitals“, schreibt Karl Marx, „auch wenn er mit eignem Kapital arbeitet, zerfällt in zwei Personen, den bloßen Eigentümer des Kapitals und den Anwender des Kapitals; sein Kapital selbst, mit Bezug auf die Kategorien von Profit, die es abwirft, zerfällt in Kapitaleigentum, Kapital außer dem Produktionsprozeß, das an sich Zins abwirft, und Kapital im Produktionsprozeß, das als prozessierend Unternehmergewinn abwirft.“58

Karl Marx nennt hierfür drei wesentliche Gründe:

  1. Die meisten Kapitalisten arbeiten mit eigenem und geliehenem Kapital. Das Verhältnis zwischen beiden wechselt ständig.
  2. Das zinstragende Kapital und der Zins existierten historisch bereits vor der kapitalistischen Produktionsweise und demzufolge auch vor der Kategorie Unternehmergewinn. Folglich existiert die Vorstellung, daß jedes Geldkapital vor allem zinstragendes Kapital ist und als solches den Zins bringen muß, der dem Kapital als solches zu entspringen scheint.
  3. „Ob der industrielle Kapitalist mit eignem oder geborgtem Kapital arbeitet, ändert nichts an dem Umstand, daß ihm die Klasse der Geldkapitalisten als eine besondre Sorte Kapitalisten, das Geldkapital als eine selbständige Sorte des Kapitals und der Zins als die diesem spezifischen Kapital entsprechende selbständige Form des Mehrwerts gegenübersteht.“59

Die Verwandlung der quantitativen Teilung des Profits in eine qualitative verschleiert und mystifiziert die gesellschaftlichen Beziehungen im Kapitalismus noch mehr. Die wichtigsten Verhältnisse scheinen auf den Kopf gestellt.

Da der Zins dem Kapitaleigentum zu entspringen scheint, so scheint nun der Unternehmergewinn nicht aus dem Kapital zu entspringen, sondern dem Produktionsprozeß als solchem, dem Arbeitsprozeß, getrennt von seinem spezifisch gesellschaftlichen Charakter. Der fungierende Kapitalist muß – im Unterschied zum Geldkapitalisten – Arbeit aufwenden, um den Produktions- und Ausbeutungsprozeß zu organisieren. Er erscheint folglich als Arbeiter und der Unternehmergewinn demzufolge als Lohn für Arbeit, als Arbeitslohn. Der Unterschied zwischen dem Profit beziehungsweise einem Teil desselben – dem Unternehmergewinn – und dem Arbeitslohn der Lohnarbeiter scheint aufgehoben zu sein. Damit scheint auch der Gegensatz zwischen Kapitalisten und Lohnarbeitern aufgehoben zu sein.

Wenn es überhaupt einen Gegensatz gibt, dann den zwischen fungierenden Kapitalisten und Geldkapitalisten, zwischen Unternehmerlohn und Zins; denn bei einem gegebenen Durchschnittsprofit ist die Rate des Unternehmergewinns nicht durch den Arbeitslohn bestimmt, sondern durch den Zinsfuß. Rate des Unternehmergewinns und Zinsfuß stehen im umgekehrten Verhältnis zueinander. Würde der fungierende Kapitalist keine Zinsen zu zahlen brauchen, wäre sein Profit größer.

In Wirklichkeit hat der Unternehmergewinn jedoch mit dem Arbeitslohn des Lohnarbeiters überhaupt nichts Gemeinsames. Ebenso wie der Zins ist er Mehrwert, der durch die Ausbeutung der Lohnarbeiter geschaffen und von den Kapitalisten angeeignet wird. Das Leihkapital beinhaltet wie jedes Kapital in erster Linie das Ausbeutungsverhältnis von Lohnarbeit und Kapital. Zugleich beinhaltet es das Verhältnis zweier verschiedener Gruppen von Kapitalisten: von Geldkapitalisten einerseits und fungierenden Kapitalisten andererseits.

Nachdem Karl Marx den prinzipiellen Unterschied zwischen Arbeitslohn und Unternehmergewinn herausgearbeitet hatte, begründete er schließlich, gestützt auf Erkenntnisse von Adam Smith, daß die Leitung des Produktionsprozesses, sofern sie sich aus dessen gesellschaftlichem Charakter ergibt, produktive Tätigkeit ist und einer bestimmten Entlohnung bedarf. Insofern ist ein Teil des Unternehmergewinns Lohn – Aufsichtslohn. Dabei ist jedoch folgendes zu beachten:

Erstens: Die Arbeit der Aufsicht und der Leitung ist immer doppelt bestimmt. Einerseits ist sie eine produktive Arbeit, die in allen auf kombinierter Arbeit beruhenden Gesellschaftsformationen verrichtet werden muß. Andererseits entspringt diese Arbeit allen Produktionsweisen, „die auf dem Gegensatz zwischen dem Arbeiter als dem unmittelbaren Produzenten und dem Eigentümer der Produktionsmittel beruhn“60. Das heißt, es ist Arbeit der Aufsicht und der Leitung des Ausbeutungsprozesses.

Zweitens: Im Kapitalismus werden die Funktionen der Organisation der Produktion und der Realisierung immer mehr von bezahlten Lohnarbeitern und nicht vom Kapitalisten selbst verrichtet, wodurch sich erweist, daß die Kapitalistenklasse immer mehr überflüssig wird. Karl Marx schreibt dazu: „Die kapitalistische Produktion selbst hat es dahin gebracht, daß die Arbeit der Oberleitung, ganz getrennt vom Kapitaleigentum, auf der Straße herumläuft. Es ist daher nutzlos geworden, daß diese Arbeit der Oberleitung vom Kapitalisten ausgeübt werde. Ein Musikdirektor braucht durchaus nicht Eigentümer der Instrumente des Orchesters zu sein, noch gehört es zu seiner Funktion als Dirigent, daß er irgend etwas mit dem ,Lohn’ der übrigen Musikanten zu tun hat.“61

Drittens: Die Apologeten des Kapitals benutzen die Tatsache, daß die Leitung des Produktionsprozesses eine bestimmte Entlohnung erfordert, dazu, den gesamten vom Kapitalisten realisierten, auf der Ausbeutung der Arbeiter beruhenden Profit als diesen Lohn hinzustellen, ihn zu rechtfertigen und auf diese Weise die Ausbeutung der Arbeiter im Kapitalismus zu leugnen.

Der „Lohn“, den der fungierende Kapitalist als Ausbeuter fremder Arbeit beansprucht und bezieht, „ist genau gleich dem angeeigneten Quantum fremder Arbeit und hängt direkt ab, soweit er sich der notwendigen Mühe der Exploitation unterzieht, vom Ausbeutungsgrad dieser Arbeit, nicht aber vom Grad der Anstrengung, die diese Exploitation ihn kostet und die er gegen mäßige Zahlung auf einen Dirigenten abwälzen kann.“62

In den Aktiengesellschaften, in denen die Tätigkeit der Leitung und der Aufsicht von einer ganzen Anzahl mehr oder weniger hochbezahlter Angestellten ausgeübt wird und die Trennung von Kapitaleigentum und Kapitalfunktion deutlich ausgeprägt ist, ist auch der Unterschied zwischen Aufsichtslohn und Unternehmergewinn deutlich sichtbar.

Indem einige bürgerliche Vulgärökonomen an dem genannten falschen Schein anknüpfen, entwickeln sie Vorstellungen, die auf eine völlige Verzerrung der Klassenstruktur der kapitalistischen Gesellschaft hinauslaufen. Sie bezeichnen grundsätzlich alle Sparer als Kapitalisten, und zwar unabhängig von deren Klassenzugehörigkeit. Die fungierenden Kapitalisten betrachten sie nicht mehr als Kapitalisten, sondern als „Unternehmer“, „unabhängige Arbeiter“, „Selbständige“ usw., die sich von den Lohnarbeitern – von den Vulgärökonomen als „abhängige Arbeitnehmer“ bezeichnet – nur hinsichtlich ihrer Unabhängigkeit unterscheiden. Während die so definierten Kapitalisten als Einkommen von den Unternehmern Zinsen beziehen, beziehen die so definierten „Arbeiter“ Lohn: die Unternehmer den Unternehmerlohn, die „Arbeitnehmer“ den Arbeitslohn.

Die Apologeten des Hitlerfaschismus entwickelten aus dem falschen Oberflächenschein, der durch die quantitative Teilung des Profits in Zins und Unternehmergewinn entsteht, eine besonders gefährliche „Theorie“, deren Verwirklichung Millionen unschuldiger Menschen das Leben kostete. Nach dieser „Theorie“ sei das fungierende Kapital das sogenannte schaffende Kapital. Zu ihnen gehörten solche „Arier“ beziehungsweise „Germanen“ wie Krupp, Flick, Thyssen usw. Das schaffende Kapital erhalte für seine „fleißige Arbeit“ den Unternehmerlohn.

Das zinstragende Kapital wurde als das „raffende Kapital“ bezeichnet. Dieses würde Zinsen auf sein Kapital beziehen und sei der Ausbeuter der gesamten Gesellschaft, nicht nur der Arbeiter, sondern auch des „schaffenden Kapitals“. Die Verkörperung des raffenden Kapitals wiederum seien die Juden (von denen einige Bankiers und Leihkapitalisten waren und sind). Um die Ausbeutung zu beseitigen, so wurde behauptet, sei die Brechung der sogenannten Zinsknechtschaft erforderlich, und dies müsse geschehen, indem man die Juden beseitigt, sie umbringt.

Nach der vollständigen Errichtung der faschistischen Diktatur als offen terroristische Diktatur des reaktionärsten Teils des Monopol- und Finanzkapitals wurde als deren ökonomische Grundlage das „arisierte“ Leihkapital der mächtigen Banken, die mit dem Industriekapital zum Finanzkapital verwachsen waren, uneingeschränkt wirksam.

Die Mystifizierung der gesellschaftlichen Verhältnisse hat noch weitere Aspekte, das Kapitalverhältnis wird noch mehr fetischisiert. „Im zinstragenden Kapital“, schreibt Karl Marx, „erreicht das Kapitalverhältnis seine äußerlichste und fetischartigste Form.“63 Wir haben hier G – G′, Geld, aus welchem von sich heraus mehr Geld erzeugt wird, beziehungsweise Wert, der sich selbst verwertet. Aus der Formel des industriellen Kapitals ist die Quelle des Wertzuwachses erkennbar.

G W < A
Pm
… P … W′ – G′

Es wird deutlich, daß der Kapitalzuwachs in der Produktion erfolgt; denn das Warenkapital ist um den Mehrwert größer als das vorgeschossene Geld (G).

In der Formel des Handelskapitals wurde noch erkennbar, daß der Zuwachs aus dem Verkauf von Waren entsteht. Der Profit erscheint als „Veräußerungsprofit“:

G – W – G′

In G – G′, dem zinstragenden Kapital dagegen erscheint der Zuwachs, dem Ding, dem Geld als solchem geschuldet zu sein. Das gesellschaftliche Verhältnis, das Ausbeutungsverhältnis von Lohnarbeitern und Kapitalisten, erscheint als das Verhältnis eines Dinges, nämlich des Geldes zu sich selbst. „Es wird ganz so Eigenschaft des Geldes, Wert zu schaffen, Zins abzuwerfen, wie die eines Birnbaums, Birnen zu tragen“64, schreibt Karl Marx.

Für die Vulgärökonomen ist dieser falsche Schein der Ausgangspunkt ihrer apologetischen Theorien. Denn diese Form des Kapitals läßt die Quelle des Profits nicht erkennen, und das Kapital stellt sich dar als selbständige Quelle des Wertes, losgetrennt vom kapitalistischen Produktionsprozeß.

Heutige Vulgärökonomen, zum Beispiel Fisher (USA), erklären den Zins als „gerechte Entschädigung“ des Kapitalisten dafür, daß er durch die Geldverleihung seine individuelle Konsumtion verschieben oder zeitweilig reduzieren müsse. Diese Auffassung ist eine bestimmte Variante der von Karl Marx längst widerlegten „Abstinenztheorie“.

Die Vertreter der Grenznutzenschule erklären den Zins aus der Wertdifferenz zwischen Gegenwartsgütern und Zukunftsgütern. Entsprechend ihrer subjektivistischen Konzeption behaupten sie, daß der Mensch den Wert eines Gutes zum gegenwärtigen Zeitpunkt höher „schätzt“ als den Wert desselben Gutes in späteren Jahren. Wenn folglich jemand darauf verzichtet, sich durch den gegenwärtigen Gebrauch eines Gutes einen Genuß zu bereiten, und dafür einen niedrigeren Genuß zu einem späteren Zeitpunkt eintauscht, indem er anderen leihweise Geld überläßt so muß er dafür entschädigt werden, und diese Entschädigung sei der Zins. Da die Vertreter der Grenznutzenschule, insbesondere ihr Hauptvertreter Böhm-Bawerk, den Zins als ein Aufgeld darstellen, wird diese Theorie auch als Agiotheorie bezeichnet.

Für Keynes und seine Theorie ist ebenfalls typisch, das Verhältnis von Zins und Profit im Dunkeln zu lassen, ihren inneren Zusammenhang zu leugnen und die Bewegung des Leihkapitals losgelöst von der Bewegung des produktiven Kapitals zu betrachten, obwohl eines seiner Hauptanliegen darin besteht, durch die Regulierung des Zinsfußes und des Leihkapitals die Bewegung des produktiven Kapitals zu beeinflussen. Die Frage nach der Quelle des Zinses und seiner Entstehung beantwortet er jedoch nicht. Die Bewegung des Zinses leitet er aus einem psychologischen Faktor, der sogenannten Vorliebe für Liquidität, und von der Bewegung der zirkulierenden Geldmenge ab.

Völlig unhaltbar ist der Versuch von Keynes, eine Abhängigkeit zwischen den Veränderungen des Zinsfußes und der Geldmenge zu konstruieren. Hier zeigt sich das apologetische Wesen seiner Zinstheorie, nämlich das Wesen des Leihkapitals zu ignorieren und damit zusammenhängend Kredit- und Geldbewegung gleichzusetzen. Indessen haben, wie wir sahen, sowohl die Nachfrage nach als auch das Angebot an Leihkapital, wodurch der Zinsfuß bestimmt wird, ihre spezifischen Gesetzmäßigkeiten, die nur unwesentlich durch die Geldzirkulation bedingt sind.

Eine andere Gruppe bürgerlicher Ökonomen, wie zum Beispiel Bader und Sombart, gibt zu, daß der Zins ein arbeitsloses Einkommen ist. Als Vertreter des fungierenden Kapitals kritisieren sie deshalb zum Teil den Zins beziehungsweise dessen Höhe und bemühen sich, zugleich den Profit für das fungierende Kapital zu rechtfertigen.