2.3.1
Das Geldhandlungskapital und die Banken
Im Kapitalismus sind die Banken die wichtigsten Institutionen des Leihkapitals und des kapitalistischen Kreditsystems. Sie sind die Zentralpunkte, über die das kapitalistische Kreditsystem verwirklicht wird und ohne die es nicht existent sein könnte. Heute sind auch Versicherungsgesellschaften, Investmentgesellschaften und ähnliche Einrichtungen Institutionen beziehungsweise Instrumente des kapitalistischen Kreditsystems.
Die Vorgänger der kapitalistischen Banken waren die Geldwechsler des Mittelalters, die sich vor allem mit dem Umwechseln ausländischer Münzen beschäftigten. Im Kampf gegen das Wucherkapital entstanden die ersten kapitalistischen Banken, die venezianischen und genuesischen „Kreditvereinigungen“. Später gründeten die Kaufmannsgilden in den wichtigsten Handelsstädten Girobanken.
Die erste Aufgabe der kapitalistischen Banken bestand im Geldhandel. Ähnlich wie das Warenkapital, so verselbständigte sich ein Teil des Geldkapitals der fungierenden Kapitalisten, indem es zu einem besonderen Geschäft einer besonderen Gruppe von Kapitalisten (der Bankiers) wurde, für die gesamte Klasse der industriellen und kommerziellen Kapitalisten die technischen Operationen des Geldzahlens und -kassierens, der Aufbewahrung von Geld, des Geldwechselns, des Buchführens und der gegenseitigen Verrechnungen auszuführen. Karl Marx schreibt dazu: „Von dem Gesamtkapital sondert sich nun ab und verselbständigt sich ein bestimmter Teil in Form von Geldkapital, dessen kapitalistische Funktion ausschließlich darin besteht, für die gesamte Klasse der industriellen und kommerziellen Kapitalisten diese Operationen auszuführen. Wie beim Warenhandlungskapital trennt sich ein Teil des im Zirkulationsprozeß in der Gestalt von Geldkapital vorhandnen industriellen Kapitals ab und verrichtet diese Operationen des Reproduktionsprozesses für das gesamte übrige Kapital. Die Bewegungen dieses Geldkapitals sind also wiederum nur Bewegungen eines verselbständigten Teils des in seinem Reproduktionsprozeß begriffnen industriellen Kapitals.“65
Das Geldkapital der fungierenden Kapitalisten verwandelt sich auf diese Weise in Geldhandlungskapital. „Auszahlung des Geldes, Einkassierung, Ausgleichung der Bilanzen, Führung laufender Rechnungen, Aufbewahren des Geldes etc., getrennt von den Akten, wodurch diese technischen Operationen nötig werden, machen das in diesen Funktionen vorgeschoßne Kapital zum Geldhandlungskapital“.66
Würden die fungierenden Kapitalisten diese technischen Operationen selbst vornehmen, so müßten sie dafür zusätzliches Kapital (c + v) anwenden, das nicht an der Produktion von Mehrwert beziehungsweise Profit beteiligt ist; denn diese Operationen schaffen weder Wert noch Mehrwert. Folglich würde die Profitrate durch den vergrößerten Kapitalvorschuß sinken.
Nimmt jedoch anstelle der fungierenden Kapitalisten eine spezielle Gruppe von Kapitalisten diese Operationen vor, so ist der Kapitalaufwand geringer, als wenn jeder fungierende Kapitalist sie selbst durchführen müßte. Mehr noch, durch die gegenseitigen Verrechnungen von Forderungen und Verbindlichkeiten der Geldhändler ist es möglich, die umlaufende Geldmenge und die damit verbundenen Zirkulationskosten zu verringern.
Der Geldhandel ist weder zu verwechseln mit dem Warenhandel, mit dem zusammen er die beiden Formen des Handelskapitals bildet, noch mit dem Leihkapital. Der Geldhandel vermittelt nur die technischen Operationen, die er konzentriert, abkürzt und vereinfacht. Er bildet weder Schatz, noch kauft er die Edelmetalle, sondern er vermittelt nur ihre Verteilung, nachdem der Warenhandel seine Operationen vollzogen hat. „Der Geldhandel in der reinen Form, worin wir ihn hier betrachten, d. h. getrennt vom Kreditwesen, hat es also nur zu tun mit der Technik eines Moments der Warenzirkulation, nämlich der Geldzirkulation und den daraus entspringenden verschiednen Funktionen des Geldes.
Dies unterscheidet den Geldhandel wesentlich vom Warenhandel, der die Metamorphose der Ware und den Warenaustausch vermittelt ... Wenn daher das Warenhandlungskapital eine eigne Form der Zirkulation zeigt, G – W – G …, so kann keine solche besondre Form für das Geldhandlungskapital nachgewiesen werden.“67
Da jedoch die Geldhändler zur Ausübung der technischen Operationen Geld vorschießen und anwenden, um es zu verwerten, so ist die allgemeine Formel des Kapitals, G – G′, selbstverständlich vorhanden. Die Masse des Geldkapitals, womit es die Geldhändler zu tun haben, ist das in der Zirkulation befindliche Geldkapital der Industriellen und Kaufleute. Die Geldhändler vermitteln nur die Operationen, die Industrielle und Händler vollziehen. In dieser reinen Form, das heißt getrennt vom Kreditwesen, hat der Geldhandel nur vorübergehend existiert.
Ist der Geldhandel jedoch ausschließlich die Funktion einer Bank, so kann der Profit, den eine solche Bank realisiert, nur ein Abzug vom Mehrwert sein, und er muß in seiner Größe dem Durchschnittsprofit auf das zum Vollzug dieser Operationen angewandte Kapital entsprechen. Anderenfalls würde das Geldkapital nicht zu einer besonderen Anlagesphäre werden. Karl Marx hat das Geldhandlungskapital in dieser reinen Form im vierten Abschnitt des dritten Bandes des „Kapitals“ behandelt.
Der Geldhandel blieb jedoch nicht die einzige Funktion der Banken. Er wurde vielmehr mit anderen wichtigen Funktionen verbunden. Damit änderte sich auch, wie noch konkreter zu zeigen sein wird, der Mechanismus der Realisierung des Bankprofits. Der Profit für den Geldhandel geht in den Gesamtprofit der Banken ein, der aus allen Funktionen realisiert wird, und ist nur noch ein Teil desselben. Karl Marx schreibt: „Im Anschluß an diesen Geldhandel entwickelt sich die andre Seite des Kreditwesens, die Verwaltung des zinstragenden Kapitals oder des Geldkapitals, als besondre Funktion der Geldhändler.“68 Bevor wir auf diese Funktion der Banken näher eingehen, ist es notwendig, die Entstehung und Entwicklung des kapitalistischen Kredits darzulegen.
Wir hatten schon festgestellt, daß sich der industrielle Kapitalismus im Kampf gegen das Wucherkapital ein eigenes Kreditsystem schuf und dadurch das Leihkapital seinen Bedürfnissen unterordnete. Die Grundlage der Entstehung und Entwicklung des kapitalistischen Kreditsystems war die Entfaltung der kapitalistischen Warenproduktion und des Geldumlaufs. Ein wesentlicher Stimulus war der kommerzielle Kredit.