Handelskapital und Handelsprofit
Leihkapital und Zins

3.1
Das Kreditgeld

Das Geld ist mit objektiver Notwendigkeit aus der Warenproduktion entstanden. „In demselben Maße daher, worin sich die Verwandlung der Arbeitsprodukte in Waren, vollzieht sich die Verwandlung von Ware in Geld“102, schreibt Karl Marx. Da nun die kapitalistische Produktion die voll entfaltete Form der Warenproduktion ist, erreichten auch das Geld und die Geldzirkulation ihre entwickeltste Stufe. Es sind dabei zwei wesentliche Momente zu unterscheiden: die Herausbildung der Kapitalfunktion des Geldes und die Herausbildung der spezifischen kapitalistischen Form der Geldzirkulation.

Was die erstere betrifft, so wurde sie schon im Zusammenhang mit den Themen „Kapital und Mehrwert“, „Arbeitslohn“, „Akkumulation des Kapitals“, „Kreislauf und Umschlag des Kapitals“ und „Profit, Durchschnittsprofit und Produktionspreis“ behandelt. Das Geld als verselbständigter Tauschwert wurde mit seinen fünf Funktionen – Maß der Werte, Zirkulationsmittel, Zahlungsmittel, Schatz- und Weltgeld – schon in den vorkapitalistischen Gesellschaftsformationen vollständig entwickelt. Dazu war, wie Karl Marx feststellt, lediglich eine gewisse Entwicklungsstufe der einfachen Warenproduktion und -zirkulation notwendig.103 Das letzte Produkt der Warenzirkulation ist die erste Erscheinungsform des Kapitals.

Auch im Kapitalismus dient das Geld mit seinen fünf Funktionen dem Kapital, und diese werden, ohne sich zu ändern, dadurch zu Kapitalfunktionen. „Es ist nicht das Geld, mit dessen Natur das Verhältnis gegeben ist; es ist vielmehr das Dasein dieses Verhältnisses, das eine bloße Geldfunktion in eine Kapitalfunktion verwandeln kann.“104 Gemeint ist das Kapitalverhältnis, das gesellschaftliche Verhältnis von Kapitalisten und Lohnarbeitern, wodurch einfache Geldfunktionen zu Kapitalfunktionen werden.

Der entscheidende Faktor für die Verwandlung der Geldfunktionen in Kapitalfunktionen ist das Auftreten der Arbeitskraft als Ware und deren Kauf durch den Kapitalisten, wodurch auch der Kauf der Produktionsmittel und der Verkauf der im kapitalistischen Produktionsprozeß erzeugten Waren zu einer Kapitalfunktion wird.

Worin bestehen nun die spezifischen Formen der kapitalistischen Geldzirkulation?

Die vorkapitalistische einfache Geldzirkulation beruht noch unmittelbar auf der Geldware in Form von Gold und Silber. Das Geld lief als Metallgeld um, und soweit Papiergeld in die Zirkulation gegeben wurde, fungierte es als einlösungspflichtiger Repräsentant des Edelmetallgeldes.

Der gleichzeitige Umlauf von Gold- und Silbergeld kennzeichnete den Bimetallismus. Da Gold und Silber ungleich viel Wert verkörpern – Gold hatte den mehrfachen Wert von Silber, da der Aufwand an gesellschaftlich notwendiger Arbeitszeit um ein Vielfaches größer war, gab es häufig Störungen in der Wertveränderung beider. Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts wurde von Staats wegen ein quantitatives Zwangsverhältnis zwischen beiden hergestellt, in dem vom Gold ausgegangen wurde. Im Ergebnis dieser Entwicklung setzte sich der vom Gold bestimmte Monometallismus in allen kapitalistischen Ländern durch, bei dem das Silbergeld und das übrige Metallgeld als Scheidemünze und wie das Papiergeld als Repräsentant des Goldgeldes fungiert.

Die Entwicklung der einfachen Warenproduktion zur kapitalistischen Warenproduktion bedeutete in bezug auf den Geldumlauf zunächst, daß sich dessen Umfang bedeutend ausdehnte. Mit der Verwandlung der Arbeitskraft in eine Ware und der Unterordnung der Landwirtschaft und des Handwerks unter die Gesetze der kapitalistischen Wirtschaft wurden nahezu alle Erzeugnisse der materiellen Produktion zu Waren und der Bereich der Naturalwirtschaft auf einen unbedeutenden Rest eingeschränkt. Darüber hinaus wurden viele Produkte der nichtmateriellen Produktion zu Waren und setzten Geld in Bewegung.

Da das Geld zu den unproduktiven Zirkulationskosten gehört, bedeutet die gewaltige Ausdehnung der Warenproduktion im Kapitalismus, daß ein beträchtlicher Teil der gesellschaftlichen Arbeit in der Produktion der Geldware Gold und Silber angelegt wurde. Hierin liegt einer der Gründe der Ausdehnung des Papiergeldumlaufs. Gefördert wurde seine Entwicklung dadurch, daß die Geldemission, das heißt die Verwandlung von Gold und Silber in Geld durch Prägen der Münzen und die Herausgabe von Papiergeld, zur staatlichen Angelegenheit wurde und mit der Ausdehnung der kapitalistischen Wirtschaft nationale Märkte und Nationalstaaten entstanden, in denen die Geldemission auf die staatliche Münze und die nationale Staatsbank konzentriert wurde. Die Staatsbanken aber wurden zugleich auch zu Instrumenten der Finanzierung der Staatsausgaben, insbesondere der Rüstungsausgaben der herrschenden Klassen, durch Staatsbankkredite. Eine Methode dieser Finanzierung wurde, wenn Steuern und Abgaben nicht ausreichten, die Aufnahme von Anleihen und die Emission von Papiergeld.

Ökonomisch beruht das Papiergeld auf der Funktion des Geldes als Zirkulationsmittel, mit der die Zirkulation vermittelt wird und das Geld nicht Selbstzweck ist. Selbstzweck wird das Geld, wenn es als reelle Geldware gefordert wird; dann muß das Papiergeld in Goldgeld eingetauscht werden. „Verschwindend objektivierter Reflex der Warenpreise, funktioniert es (das Geld als Zirkulationsmittel) nur noch als Zeichen seiner selbst und kann daher auch durch Zeichen ersetzt werden. Nur bedarf das Zeichen des Geldes seiner eignen objektiv gesellschaftlichen Gültigkeit, und diese erhält das Papiersymbol durch den Zwangskurs. Nur innerhalb der von den Grenzen eines Gemeinwesens umschriebnen oder innern Zirkulationssphäre gilt dieser Staatszwang, aber auch nur hier geht das Geld völlig auf in seine Funktion als Zirkulationsmittel oder Münze und kann daher im Papiergeld eine von seiner Metallsubstanz äußerlich getrennte und bloß funktionelle Existenzweise erhalten.“105

Sobald der Staat gegen dieses objektive ökonomische Gesetz verstieß und der Papiergeldumlauf die Bedürfnisse nach Geld als Zirkulationsmittel oder Münze überstieg, trat eine Entwertung des Papiergeldes ein, die durch die Flucht in die Geldware Gold und in die sogenannten Sachwerte, also in dauerhafte Ware, insbesondere Produktionsanlagen, verstärkt wurde. Hatte der Papiergeldumlauf einen Umfang, der den durch das Geldumlaufgesetz bestimmten Wert überschreitet, und wurde das Papiergeld nicht durch vollwertiges Geld ersetzt, trat eine Geldentwertung ein. Mit der Entwicklung der kapitalistischen Form der Produktion wurde die mit der Verselbständigung des Tauschwertes zum Geld und dessen Vertretung durch Wertzeichen entstandene Möglichkeit einer allgemeinen Geldentwertung, insbesondere beim Übergang des Kapitalismus in das Stadium des Imperialismus, zur Wirklichkeit. Diese Möglichkeit und Wirklichkeit wurde noch durch die Ausbreitung der typisch kapitalistischen Geldform, des Kreditgeldes, verstärkt.

Das Kreditgeld entstand, wie Karl Marx schon bei der Analyse der Entstehung und Entwicklung des Geldes und seiner Funktionen nachweist, aus der Funktion des Geldes als Zahlungsmittel.

Die unterste Stufe des Kreditgeldes ist das Handelsgeld. Dessen Hauptform, den Wechsel, haben wir schon im Zusammenhang mit dem kommerziellen Kredit106 behandelt. Ebenfalls wurde dort die Verwandlung des kommerziellen Kredits in den Bankkredit durch das Beleihen oder den Ankauf der Wechsel, das Lombardieren und Diskontieren durch die Banken betrachtet. Wir betreten damit die zweite Stufe der Entwicklung des Kreditgeldes, den Bereich der Emission und Zirkulation der Banknoten.

Auf der Grundlage des bei den Banken deponierten Geldes der industriellen und Handelskapitalisten sowie der Beleihung und des Ankaufs von Handelswechseln gaben die Banken eigene Wechsel heraus, Bankwechsel, deren Aktionsradius größer war, das heißt an einen größeren Kreis von Kapitalisten in Zahlung gegeben werden konnte als der Handelswechsel. Dieser Bankwechsel fungierte unmittelbar als Geld in der Form der Banknote. „Die Banknote“, schreibt Karl Marx, „ist nichts als ein Wechsel auf den Bankier, zahlbar jederzeit an den Inhaber, und vom Bankier den Privatwechseln substituiert.“107 Die Banknote war also ursprünglich Privatgeld, Kreditgeld der Privatbanken, ein Bankwechsel, der auf einen bestimmten größeren Betrag lautete. Diese Banknoten waren nicht gestückelt, also noch nicht entsprechend dem Maßstab der Preise mengenmäßig untergliedert. Die Banken waren verpflichtet, sie jederzeit gegen reelles Geld, das heißt gegen Goldgeld, einzutauschen, über das sie durch die Deposition ihrer Kunden verfügten. „In der Tat bildet die Banknote nur die Münze des Großhandels, und ist es stets das Depositum, was als Hauptsache bei den Banken ins Gewicht fällt.“108

Eine bedeutsame dritte Stufe der Entwicklung des Kreditgeldes bildete sich heraus, als auch die Emission der Banknoten auf die Staatsbanken überging und diese dadurch in staatliche Banknoten verwandelt, gestückelt und ihnen durch Zwangskurs im gesamtstaatlichen Bereich Geltung verschafft wurde. Ihre Emission erfolgte durch den Ankauf „erstklassiger“ Wechsel von den Privatbanken. Dieser Kauf heißt Rediskontierung. Die Privatbanken, die die Handelswechsel von den industriellen und Handelskapitalisten gekauft, diskontiert, hatten, verkauften sie an die Staatsbank weiter, wenn sie selbst Geld brauchten. Das nennt man rediskontieren.

Der ökonomische Inhalt des Kreditgeldes, insbesondere der Banknoten und ihrer Emission, besteht darin, daß sie kein reelles Geld, kein auf der Geldware Gold beruhendes Geld, sondern fiktives Geld sind, aber wie reelles Geld zirkulieren. „Wie diese wechselseitigen Vorschüsse der Produzenten und Kaufleute untereinander die eigentliche Grundlage des Kredits bilden, so bildet deren Zirkulationsinstrument, der Wechsel, die Basis des eigentlichen Kreditgelds, der Banknoten usw. Diese beruhen nicht auf der Geldzirkulation, sei es von metallischem Geld oder von Staatspapiergeld, sondern auf der Wechselzirkulation.“109

Die Emission der Banknoten der Privatbanken beruht, wie wir von Karl Marx erfahren, auf den Depositen der Banken. Das ist so zu verstehen: Die Depositen sind die reellen Geldeinlagen der Bankkunden, die dadurch entstehen, daß die Banken das Kassierergeschäft der Industrie- und Handelskapitalisten betreiben und das aus dem Kreislauf des Kapitals vorübergehend frei werdende Geld und Geldkapital bewahren. Wenn sie nun den Bankkunden einen Kredit in Banknoten gewähren, dann vollführen sie eine Geldemission auf der Grundlage der Depositen, der Geldeinlagen. Nun dienen aber, wie wir aus den Darlegungen über das zinstragende Kapital wissen, die Depositen, die Geldeinlagen, den Banken zugleich als Leihkapital in Form von kurzfristigen und mittelfristigen Krediten. Das bedeutet, daß immer nur ein Bruchteil der Einlagen wirklich zur Verfügung steht.

In der Tat existieren im entwickelten kapitalistischen Kreditsystem die Depositen und Reserven der Banken nur als Buchungsposten oder in Form von Wechseln, staatlichen Wertpapieren oder anderen zinstragenden Papieren, die die Banken gekauft haben. „,Es ist daher möglich’“, zitiert Karl Marx aus der Schrift eines englischen Bankiers, „,daß neun Zehntel aller Depositen in England gar keine Existenz haben außer in den Buchungsposten in den Büchern der Bankiers, die jeder für seinen Teil dafür einstehn.‘“110

Dieses System funktioniert nur so lange, wie die Masse der Wechsel regelmäßig eingelöst und gegenseitig verrechnet werden kann, so daß kein bares reelles Geld gefordert wird. Ist das nicht der Fall und fordert die Mehrzahl der Bankkunden statt Banknoten der Privatbanken reelles Geld, dann bricht eine Geldkrise aus. Die Banken werden illiquid, sie verfügen über kein flüssiges, das heißt zur Verfügung stehendes reelles Geld. Sie müssen ihre Schalter schließen und machen, wenn sie nicht von irgendeiner Seite Kredit erhalten, bankrott.

Solange die Banknoten das Privatkreditgeld der Privatbanken waren, hing ihre Funktionsfähigkeit ausschließlich von der Geschäftslage dieser Banken ab. Die Verstaatlichung der Banknotenemission bewirkt, daß diese Form des Kreditgeldes zu einem gesetzlichen Zirkulations- und Zahlungsmittel, Staatsbanknoten, wurde und Banken in ihrem Kreditgeschäft einen gewissen Rückhalt erhielten. Dadurch, daß sie ihre Wechsel bei der Staatsbank rediskontieren können, verschaffen sie sich, wenn auch nur in Form der staatlichen Banknoten und nicht in Form von reellem Geld, flüssige Geldmittel, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Die Emission der staatlichen Banknoten war, wie die Emission von Papiergeld, objektiv durch das Geldumlaufgesetz bestimmt. Wurden mehr Banknoten in Umlauf gesetzt, als die Warenzirkulation erfordert, präsentierten die Banknoteninhaber die Banknoten der Staatsbank, und diese mußte sie wie das Papiergeld gegen Goldgeld einlösen.

Durch die Verstaatlichung der Banknotenemission unterscheiden sich das Papiergeld und die Banknoten nur durch die Art ihrer Emission. Das Papiergeld wurde unmittelbar auf der Grundlage der Geldware, des reellen Geldes, als dessen Repräsentant emittiert, die Banknote dagegen auf der Grundlage des Handelsgeldes, der Wechsel, also des Kredits. Bei den privaten Banknoten waren die Depositen der Bankkunden die Grundlage für Emissionen. Den Staatsbanken stand, wie Karl Marx feststellt, der Nationalkredit zur Verfügung, wodurch deren Banknoten zum gesetzlichen Zahlungsmittel werden konnten.111

Mit der Verwandlung der Banknote in ein gesetzliches Zahlungsmittel erreichte die Labilität und Untergrabung des Mechanismus des Kreditgeldes eine vierte Stufe. Diese hing mit dem Übergang des Kapitalismus der freien Konkurrenz in den monopolistischen Kapitalismus als ökonomische Grundlage des Imperialismus zusammen. Der imperialistische Expansionsdrang des Monopol- und Finanzkapitals, das damit verbundene Wettrüsten und der Ausbruch des ersten Weltkrieges ließen die Staatsausgaben rapid anschwellen. In diesen Prozeß wurde die Geldemission zur Finanzierung der Rüstungsausgaben einbezogen. Dadurch wurde der Mechanismus der spontanen Regulierung des Geldumlaufs gestört.

Zur Sicherung der imperialistischen Expansionspolitik der Monopole und der Kriegführung wurden zu Beginn des ersten Weltkrieges zwei grundlegende Veränderungen in der kapitalistischen Geldzirkulation vollzogen. Erstens wurde in den meisten kapitalistischen Ländern die Einlösungspflicht des Papiergeldes und der Staatsbanknoten gegen Goldgeld innerhalb des Landes aufgehoben, und zweitens wurde die Grundlage der Emission von Banknoten dadurch erweitert, daß neben den Handelswechseln auch Staatsschuldscheine von der Staatsbank als Grundlage der Banknotenemission verwendet wurden. Das wurde zu einem der entscheidenden Ausgangspunkte für die allgemeine Geldentwertung, das heißt für die Inflation.

Die Grundlagen der kapitalistischen Geldzirkulation waren demnach ursprünglich die Geldware Gold und der Kredit (kommerzieller Kredit, Bankkredit, Staatskredit). In der Geldzirkulation befanden sich sowohl reelles Geld, Wertzeichen (Papiergeld) und fiktives Geld (Banknoten). Reguliert wurde dieser Geldumlauf durch das Geldumlaufgesetz, das über die Einlösungspflicht des Papiergeldes und der Banknoten gegen Geld wirksam war.