Kapital und Mehrwert

1.3
Die Ware Arbeitskraft als Quelle des Mehrwerts

Unter Arbeitskraft oder Arbeitsvermögen ist die Gesamtheit der körperlichen und der geistigen Fähigkeiten zu verstehen, die der Mensch im Produktionsprozeß anwendet. Der Mensch ist die wichtigste Produktivkraft.

Die Arbeitskraft als Ware ist eine historische Kategorie, die nur im Kapitalismus existiert. Das Erscheinen der menschlichen Arbeitskraft auf dem Markt sowie die Anhäufung von Reichtümern, von Produktionsmitteln und Geld in den Händen einer kleinen Minderheit als materielle Basis der Ausbeutung und der ökonomischen (und damit auch politischen) Macht der Kapitalistenklasse kennzeichnen den historisch gesellschaftlichen Prozeß der Entstehung des Kapitalismus.

Durch seine Trennung vom Eigentum an den Produktionsmitteln verliert der arbeitende Mensch jede Möglichkeit, seine Arbeitskraft zur Produktion eigener Waren einzusetzen, die er als selbständiger kleiner Warenproduzent auf dem Markt verkaufen könnte. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die einzige Ware, über die er noch verfügt, eben seine Arbeitskraft, auf dem Markt anzubieten. Unter diesen Bedingungen wird der für die Aufrechterhaltung des Ausbeutersystems erförderliche außerökonomische Zwang, wie er in der Sklaverei und im Feudalismus typisch war, weitgehend durch diesen ökonomischen Zwang ersetzt.

Der Arbeiter muß, um seine Arbeitskraft dem Kapitalisten verkaufen zu können, frei über sein Arbeitsvermögen verfügen können. Er muß persönlich frei sein, ledig aller feudalen Bindungen. Damit die Arbeitskraft Ware ist und bleibt, darf sie auch nur für eine begrenzte Zeit verkauft werden, sonst wird ihr Eigentümer zum Sklaven. Die Voraussetzungen dafür, daß der Arbeiter als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf dem Markt erscheint, bestehen also darin, daß er doppelt freier Lohnarbeiter ist, „befreit“ vom Eigentum an den Produktionsmitteln und persönlich frei.

Die in allen demagogischen Manövern der Bourgeoisie immer wieder zitierte persönliche Freiheit erweist sich in der kapitalistischen Praxis als unentrinnbarer ökonomischer Zwang für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung. In der Gegenwart geht dieser Zwang bis zur Manipulierung der Volksmassen auch in ihrer privaten Sphäre.

Der Sprung der Menschheit in das wahre Reich der Freiheit beginnt im Sozialismus, wenn die Arbeitskraft ihren Warencharakter verliert und der arbeitende Mensch zum Eigentümer der Produktionsmittel wird. Die Freiheit der Werktätigen erhält ihre ökonomische Grundlage im gesellschaftlichen Eigentum an den Produktionsmitteln. Erst dadurch ist eine echte Freiheit der Persönlichkeit gegeben, wird die Entfaltung aller schöpferischen Fähigkeiten des Menschen möglich.

Wie jede andere Ware besitzt auch die Ware Arbeitskraft einen Gebrauchswert und einen Wert beziehungsweise Tauschwert. Die Bestimmung von Gebrauchswert und Wert der Ware Arbeitskraft erfolgt im Prinzip wie bei jeder anderen Ware. Allerdings gibt es dabei wichtige Besonderheiten. Der Gebrauchswert jeder Ware besteht in ihrer Nützlichkeit. Das trifft auch auf den Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft zu. Ihre besondere Nützlichkeit besteht in der Fähigkeit, Wert und Mehrwert zu schaffen. Keine andere Ware verfügt über diese Fähigkeit.

Die Auffassung, daß derarbeitende Mensch Schöpfer aller Werte ist, bildet den Kern der Marxschen Arbeitswerttheorie. Aus ihr ergibt sich die Mehrwerttheorie. Es ist daher nicht verwunderlich, wenn sich bürgerliche Ökonomen immer wieder gegen die marxistische Arbeitswerttheorie wenden. Sie leugnen, daß allein die arbeitenden Menschen den Wert der Waren schaffen. Dabei waren es doch die klassischen bürgerlichen Ökonomen, die als erste in der Arbeit die Quelle des Wertes entdeckten, den sie allerdings mit dem Tauschwert verwechselten. Die Vertreter des Monetarismus vertraten noch die Auffassung, daß der Wertzuwachs - in Form des Handelsprofits - im Handel, besonders im Außenhandel, und zwar in Geldform und da wieder in Form des Goldes entsteht. Austausch von Waren gegen Goldgeld war das Ziel. Darin drückte sich die Unentwickeltheit der kapitalistischen Produktionsweise aus. Aber der Monetarismus formulierte schon klar das Ziel der kapitalistischen Produktionsweise: den Profit in Geldform, die Verwertung des Wertes.

Der Merkantilismus erwartete zwar auch den Wertzuwachs, den Handelsprofit, im Handel, aber er orientierte schon auf die Produktion. Um viel Waren mit Gewinn verkaufen zu können, müssen viele Waren produziert werden. Die Theorie der Merkantilisten bildete den Übergang zur Arbeitswerttheorie. Diese wurde von den französischen Physiokraten in der Form vertreten, daß sie annahmen, allein die landwirtschaftliche Arbeit sei produktive Arbeit und bringe den Wertzuwachs hervor, den sie nur in der Form der Grundrente kannten. Die klassischen englischen Ökonomen verallgemeinerten die Erkenntnis, daß die Arbeit die Quelle des Wertes ist, dahingehend, indem sie meinten, jede produktive Arbeit der materiellen Produktion schaffe nicht nur den Wertzuwachs, sondern den Wert überhaupt. Auch sie erkannten das Wesen des Mehrwerts im Kapitalismus nicht, sondern nur Erscheinungsformen wie Profit und Grundrente. „Sämtliche Ökonomen teilen den Fehler, daß sie den Mehrwert nicht rein als solchen betrachten, sondern in den besondren Formen von Profit und Rente“16, schrieb Karl Marx.

Erst Marx entdeckte den Mehrwert und seine Quelle. Die klassischen bürgerlichen Ökonomen, besonders David Ricardo, hatten, wie Karl Marx schrieb, die sich aus der Erkenntnis über die Arbeit als Quelle des Mehrwerts ergebende Tatsache des Gegensatzes von Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse naiv ausgesprochen. Die Vulgärökonomen und apologetischen Verteidiger des Kapitalismus suchten diese wichtige Erkenntnis wieder zu vergraben. Sie blieben an der Oberfläche der Erscheinungen des Kapitalismus, indem sie behaupteten, daß nicht die Arbeit, sondern das Kapital den Mehrwert schaffe und der Boden die Grundrente. Die Arbeit würde nach ihrer Theorie nur den Arbeitslohn hervorbringen. Damit wäre die kapitalistische Ausbeutung verschwunden.

Die entscheidende Ursache für die bürgerlichen Angriffe auf die Arbeitswerttheorie liegt auf der Hand: Aus der Anerkennung der Ware Arbeitskraft als einziger Ware, die Quelle von Wert und Mehrwert ist, ergeben sich die Schlußfolgerungen, daß alle existierenden Werte von den werktätigen Menschen, insbesondere von der Arbeiterklasse geschaffen werden und daß sie demnach rechtmäßig auch diesen Produzenten gehören. Damit aber wird der Charakter der kapitalistischen Produktionsweise enthüllt und das kapitalistische Eigentum an den Produktionsmitteln angegriffen.

Wie jede beliebige Ware hat auch die Ware Arbeitskraft einen Gebrauchswert für andere. Ohne über Produktionsmittel zu verfügen, kann der Arbeiter seine Arbeitskraft nicht anwenden. Er ist ökonomisch gezwungen, sie zu verkaufen und durch die Kapitalisten nutzen zu lassen. Diese wiederum sind darauf angewiesen, die Arbeitskraft als Ware auf dem Markt vorzufinden, denn die in ihren Händen konzentrierten Produktionsmittel erfordern wegen ihres zunehmend gesellschaftlichen Charakters den Einsatz einer Vielzahl von Arbeitskräften.

Daraus schlossen die Verteidiger des Kapitalismus schon zu Marx’ Zeiten, daß Arbeiter und Kapitalisten gemeinsame Interessen hätten. „Das Interesse des Kapitalisten und des Arbeiters ist also dasselbe, behaupten die Bourgeois und ihre Ökonomen. Und in der Tat! Der Arbeiter geht zugrunde, wenn ihn das Kapital nicht beschäftigt. Das Kapital geht zugrunde, wenn es die Arbeit (Arbeitskraft) nicht ausbeutet, und um sie auszubeuten, muß es sie kaufen. Je rascher sich das zur Produktion bestimmte Kapital, das produktive Kapital, vermehrt, je blühender daher die Industrie ist, je mehr sich die Bourgeoisie bereichert, je besser das Geschäft geht, um so mehr Arbeiter braucht der Kapitalist, um so teurer verkauft sich der Arbeiter …

Die Interessen des Kapitals und die Interessen der Arbeiter sind dieselben, heißt nur: Kapital und Lohnarbeit sind zwei Seiten eines und desselben Verhältnisses. Die eine bedingt die andere, wie der Wucherer und Verschwender sich wechselseitig bedingen.

Solange der Lohnarbeiter Lohnarbeiter ist, hängt sein Los vom Kapital ab. Das ist die vielgerühmte Gemeinsamkeit des Interesses von Arbeiter und Kapitalist.“17

Diese „Interessengemeinschaft“ predigen die Kapitalisten und ihre Ökonomen, die rechten sozialdemokratischen und Gewerkschaftsführer auch heute. Sie bezeichnen sie als „Sozialpartnerschaft“, „Leistungsgesellschaft“, „Soziale Marktwirtschaft“ und Volkskapitalismus“. Die vielgerühmte „Gemeinsamkeit“ besteht darin, daß die Arbeiter nach wie vor auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen sind, daß sie in eine ernste Notlage geraten, wenn der Kapitalist die Arbeitskraft nicht kauft, wenn sie keinen Arbeitsplatz erhalten. Es gibt keine Interessengemeinschaft zwischen den Ausgebeuteten und Ausbeutern, das heißt den Arbeitern und den Kapitalisten, aber es gibt eine echte Interessengemeinschaft zwischen den Arbeitern und den Bauern und Handwerkern gegen das Kapital.

Für den Arbeiter hat seine Arbeitskraft keinen Gebrauchswert. Ihr Verkauf ermöglicht ihm, andere Waren für seinen Lebensunterhalt zu kaufen. Der Preis für die Ware Arbeitskraft ist der Arbeitslohn. Wie bei jeder anderen Ware liegt auch dem Preis der Arbeitskraft der Wert zugrunde. Die Wertgröße jeder Ware wird bestimmt durch die zu ihrer Produktion beziehungsweise Reproduktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit. Das trifft prinzipiell auch auf die Ware Arbeitskraft zu, wobei es auch hinsichtlich der Wertbestimmung wichtige Besonderheiten gibt.

Die Arbeitskraft muß ständig reproduziert werden. Sie entsteht und erhält sich, indem der Arbeiter ißt und trinkt, sich kleidet, erholt, bildet usw. Zu seinem Lebensunterhalt benötigt er die verschiedensten Konsumtionsmittel und Dienstleistungen. Der Wert, genauer gesagt, die Wertgröße der Ware Arbeitskraft löst sich daher in die Wertgröße der Konsumtionsmittel auf, die zur ständigen Reproduktion der Arbeitskraft notwendig sind. Die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, die zur Produktion dieser Konsumtionsmittel aufgewandt werden muß, bildet die Wertgröße der Ware Arbeitskraft. Menge, Art und Struktur der zur Reproduktion der Arbeitskraft unbedingt erforderlichen Konsumgüter, erforderlich, um den arbeitenden Menschen während einer durchschnittlichen Lebensdauer normal zu erhalten, sind in den einzelnen Ländern zu gegebenen Zeiten unterschiedlich. Sie hängen einmal von den klimatischen und anderen natürlichen Bedingungen eines Landes ab, zum anderen werden sie von den allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnissen bestimmt. Marx verweist auf die erreichte Kulturstufe eines Landes sowie auf die Gewohnheiten und Lebensansprüche der Arbeiter, die mit der Art der Entstehung der Arbeiterklasse und deren Kampfkraft zusammenhängen.

Im Gegensatz zu anderen Waren enthält also die Wertbestimmung der Ware Arbeitskraft nicht nur ein physisches, sondern auch ein gesellschaftliches oder, wie Marx es bezeichnet, ein historisches und moralisches Element.

Es wäre jedoch falsch, den Wert der Ware Arbeitskraft analog in zwei Hauptbestandteile zu zerlegen, in den Aufwand zur einfachen physischen Reproduktion und in den sonstigen, gesellschaftlich bedingten Aufwand auf den Gebieten der Kultur, Bildung usw. Die physischen Bedürfnisse sind vielmehr ein Produkt der historischen Entwicklung und werden zum Beispiel von der Arbeitsintensität beeinflußt. Durch die gegenwärtige wissenschaftlich-technische Revolution in den kapitalistischen Ländern haben sich die Anforderungsarten an die Arbeiter verändert. Die psychisch-nervlichen Belastungen nehmen zu, die Verantwortung für Menschen und Material wird größer. Gleichzeitig ist die Tendenz zur Abnahme der körperlich schweren Arbeit zu beobachten. Alle diese Erscheinungen führen zu einer Veränderung auch der Menge und der Struktur der Lebensmittel sowie der Dienstleistungen. Es wachsen zum Beispiel die Bedürfnisse auf den Gebieten des Gesundheitswesens, der Entspannung und der Erholung, die unbedingt befriedigt werden müssen.

Im Verlaufe der geschichtlichen Entwicklung des Kapitalismus setzt sich die Tendenz durch, daß sich der Kreis der zur normalen Reproduktion der Arbeitskraft erforderlichen Konsumgüter erweitert. Dieser Prozeß ist einerseits eng mit der Entwicklung der Produktivkräfte verbunden: Neue Bedürfnisse werden durch neue Gebrauchswerte geweckt; neue Produktionsmethoden erfordern in der Tendenz eine längere und bessere Berufsausbildung usw. Dabei ist zu beachten, daß neuartige Konsumgüter und Dienstleistungen zunächst immer der herrschenden Klasse vorbehalten bleiben. Sie verlieren erst nach einer mehr oder weniger langen Zeitspanne ihren Charakter als Luxusgüter. Andererseits ist der Kampf der Arbeiter in den Gewerkschaften, insbesondere der Lohnkampf, von ausschlaggebender Bedeutung. Relativ dauerhafte Erfolge führen zu höheren Lebensansprüchen der Arbeiterklasse. Der Kreis der Konsumgüter, die zur normalen Reproduktion der Arbeitskraft unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen erforderlich sind, vergrößert sich.

Ein weiterer Aspekt des Einflusses der Entwicklung der Produktivkräfte, insbesondere der wachsenden Vergesellschaftung der Produktion im gegenwärtigen Kapitalismus, ist folgender: Das Verhältnis zwischen den Reproduktionsbedürfnissen der Arbeiterklasse, die individuell befriedigt werden können, und solchen, die nur im Rahmen der gesamten Gesellschaft befriedigt werden können, verlagert sich zugunsten der gesellschaftlichen Konsumtion. Die Vergesellschaftung der Produktion muß objektiv durch eine neue Stufe des Vergesellschaftungsgrades auch der Konsumtion der Arbeiterklasse ergänzt werden. Der Teil der Konsumtion der Arbeiterklasse, der nicht mehr über die kapitalistische Warenproduktion ermöglicht werden kann, sondern vielmehr gesellschaftliche Einrichtungen und Leistungen verlangt, wächst schnell. Dazu gehören neben dem Bildungs- und Gesundheitswesen auch Einrichtungen des Verkehrs- und Nachrichtenwesens, der allgemeinen Verwaltung, des Umweltschutzes usw.

Die Leistungen auf dem Gebiet der gesellschaftlichen Konsumtion stehen jedoch in krassem Widerspruch zu diesen wachsenden Anforderungen. Es zeigt sich auch im Bereich der Konsumtion die Widersprüchlichkeit und Überlebtheit des kapitalistischen Systems. Lediglich unter dem Druck des Anpassungszwanges, dem der Imperialismus durch den Einfluß des Sozialismus und durch die Arbeiterbewegung in den imperialistischen Ländern ausgesetzt war, kam es zu Teilmaßnahmen in der gesellschaftlichen Konsumtion.18

Alle hier genannten Faktoren, die den Umfang und die Zusammensetzung der zur Reproduktion der Arbeitskraft erforderlichen Konsumgüter beeinflussen, wirken sich nicht nur beim einzelnen Arbeiter aus, der dem Ausbeutungsprozeß unmittelbar unterliegt. Vielmehr betreffen die Reproduktionsbedingungen jeweils die gesamte Arbeiterfamilie. Die Reproduktion der Arbeitskraft schließt den Ersatz der durch Krankheit, Frühinvalidität und Tod ausscheidenden Arbeitskräfte ein. Reproduktion der Arbeitskraft heißt also Reproduktion der gesamten Arbeiterklasse. Die durch den Lohn erworbenen Existenzmittel müssen dementsprechend zur Erhaltung der Arbeiterfamilien ausreichen. Durch die massenhafte Einbeziehung von Frauen und Kindern in den kapitalistischen Ausbeutungsprozeß wurde der Wert der Arbeitskraft des Mannes gesenkt. Mit der Arbeit der Frauen und Kinder wurden zusätzliche Mehrwertquellen erschlossen. Besonders im Gefolge der industriellen Revolution, als die Maschine die Geschicklichkeit der Manufakturarbeiter überflüssig machte, wurde einerseits dadurch eine Entwertung der Arbeitskraft des Mannes und zugleich mit der Frauen- und Kinderarbeit die Senkung des Wertes seiner Arbeitskraft praktiziert, da nunmehr die Kosten für den Unterhalt der Frauen und Kinder von diesen selbst aufgebracht werden mußten. Hinzu kam noch die Diskriminierung der Frauenarbeit. Die Arbeitskraft der Frau wurde und wird ständig unter ihrem Wert bezahlt und die Differenz zwischen dem Wert der Arbeitskraft und dem Lohn in zusätzlichen Mehrwert verwandelt.

Sind die Menge und die Zusammensetzung der zur gesellschaftlich normalen Reproduktion der Arbeitskraft erforderlichen Konsumgüter gegeben, so hängt der Wert dieser besonderen Ware davon ab, wieviel gesellschaftliche Arbeitszeit notwendig ist, um diese Konsumgüter herzustellen. Daher wird die Wertgröße der Ware Arbeitskraft wie die jeder anderen Ware durch die Entwicklung der Arbeitsproduktivität beeinflußt. Je höher die Arbeitsproduktivität, um so kürzer die Zeit, in der die entsprechenden Konsumgüter hergestellt werden können, um so niedriger also auch der Wert der Ware Arbeitskraft.

Es entspricht dem kapitalistischen Grundgesetz, dem Mehrwertgesetz, daß die Arbeitsproduktivität im allgemeinen schneller steigt als die Menge der zur Reproduktion der Arbeitskraft erforderlichen Konsumtionsmittel. Unter diesen Bedingungen ist eine tendenzielle Ausdehnung des Umfangs der notwendigen Lebens- und Existenzmittel - die dann infolge des Lohnkampfes schließlich auch tatsächlich in den Konsum der Arbeiterklasse eingehen - mit einer Senkung der Wertgröße der Ware Arbeitskraft vereinbar.19 In der Geschichte des Kapitalismus hat sich über eine längere Zeit hinweg die Tendenz durchgesetzt, daß das Wachstumstempo der Menge der notwendigen Konsumgüter durch das der Steigerung der Arbeitsproduktivität übertroffen wird. Dies ist einer der Hauptfaktoren zur Verschleierung der wachsenden Ausbeutung. Höhere Löhne (Reallöhne) drücken in den imperialistischen Ländern zugleich eine höhere Ausbeutung aus, wenn die Arbeitsproduktivität schneller steigt als der Arbeitslohn (auch im Vergleich zu anderen kapitalistischen Ländern). Wie bereits erwähnt, ist es jedoch lediglich eine Frage der Höhe der Arbeitsproduktivität, inwieweit die Ware Arbeitskraft in der Lage ist, mehr Werte zu schaffen, als sie zu ihrer eigenen Reproduktion bedarf. Eine wachsende Ausbeutung im Kapitalismus läuft also darauf hinaus, die Diskrepanz zwischen dem erforderlichen Reproduktionsaufwand der Ware Arbeitskraft und ihrer Fähigkeit, Werte zu schaffen, ständig zu vergrößern.

Nur unter diesen Bedingungen kann eine intensivere Wirkung des kapitalistischen Grundgesetzes erreicht werden. Jede Steigerung der Arbeitsproduktivität, jeder technische Fortschritt wird im Kapitalismus zugleich zu einem Mittel wachsender Ausbeutung.

Sollte es jedoch der kämpfenden Arbeiterklasse in den imperialistischen und anderen kapitalistischen Ländern gelingen, den Umfang der in ihre Reproduktion eingehenden Konsumgüter genau so schnell (oder sogar schneller) zu vermehren, wie die Arbeitsproduktivität wächst, so würde das die Ausbeutung zwar stagnieren lassen (oder sogar senken), aber es würde am Wesen der Ausbeutung überhaupt nichts ändern!

Der Schlüssel des Problems der Kapitalverwertung liegt also in der Unterscheidung von Wert und Gebrauchswert der Ware Arbeitskraft. „Aber die vergangne Arbeit, die in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann, ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei ganz verschiedne Größen. Die erstere bestimmt ihren Tauschwert, die andre bildet ihren Gebrauchswert.“20 Diese Marxsche Entdeckung der menschlichen Arbeitskraft als Ware,- ihres Wertes und Gebrauchswertes, machte es möglich, den objektiven Charakter der kapitalistischen Ausbeutung nachzuweisen. Während sich der Wert der Ware Arbeitskraft in der Zirkulation realisiert (in Form des Preises, des Arbeitslohnes, den der Arbeiter erhält), wird ihr Gebrauchswert in der Produktion realisiert.

Um die Entstehung des Mehrwerts und das Wesen der kapitalistischen Ausbeutung aufzudecken, ist daher eine Analyse des kapitalistischen Produktionsprozesses erforderlich.