Kapital und Mehrwert

2.1.1
Der Arbeitsprozeß

Im Arbeitsprozeß, der eine Existenzbedingung jeder menschlichen Gesellschaft ist, werden die persönlichen und die sachlichen Produktionsbedingungen, die drei Elemente des Arbeitsprozesses - Arbeit, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstände -, kombiniert. Die Ergebnisse der zweckmäßigen menschlichen Tätigkeit sind materielle Produkte, bestimmte Gebrauchswerte, die bestimmte menschliche Bedürfnisse befriedigen können. Die zweckmäßige Tätigkeit selbst, die Arbeit, die ein nützliches Produkt hervorbringt, ist produktive Arbeit. „Betrachtet man den ganzen Prozeß vom Standpunkt seines Resultats, des Produkts, so erscheinen beide, Arbeitsmittel und Arbeitsgegenstand, als Produktionsmittel und die Arbeit selbst als produktive Arbeit.“22 Diese allgemeine Bestimmung des Begriffs der produktiven Arbeit erhält allerdings, wie Karl Marx bemerkte, im kapitalistischen Produktionsprozeß eine Modifikation. Es sei hier nur soviel gesagt, daß für den Kapitalisten nur die Arbeit produktiv ist, die Mehrwert erzeugt.

Der Arbeitsprozeß ist Produktionsprozeß von Gebrauchswerten. Er ist ferner Konsumtionsprozeß von Produktionsmitteln und Arbeitskraft. Der Konsumtions­prozeß der Arbeitskraft, die Nutzung ihres Gebrauchswertes, ist der Produktionsprozeß von Waren, von Gebrauchswerten, die Träger von Wert und Mehrwert sind.

Der Arbeitsprozeß wird im Kapitalismus durch zwei Besonderheiten charakterisiert:

Erstens: Der Arbeiter arbeitet unter dem Kommando des Kapitalisten. Der Kapitalist wacht darüber, daß Maschinen und Werkzeuge sorgsam behandelt sowie Roh- und Hilfsstoffe richtig und sparsam verarbeitet werden.

Das bedeutet, daß die Organisierung und die Durchführung des Arbeitsprozesses nicht vom Arbeiter, sondern vom Kapitalisten ausgehen, denn der Arbeiter dient im Arbeitsprozeß fremden Interessen! Als Eigentümer der Produktionsmittel haben die Kapitalisten die Macht, die Arbeiter zur Produktion von Ware und Mehrwert zu zwingen.

Im Arbeitsprozeß treten die Produktionsmittel den Arbeitern von vornherein als Kapital, als eine ihnen fremde, feindliche Macht, gegenüber, der sie sich unterordnen müssen, nachdem sie ihre Arbeitskraft verkauft haben.

Zweitens: Das im Arbeitsprozeß erzeugte Produkt ist Eigentum des Kapitalisten. Der Kapitalist kauft die Arbeitskraft, und damit gehört ihm deren Gebrauchswert für eine bestimmte Zeit. „Der Arbeitsprozeß ist ein Prozeß zwischen Dingen, die der Kapitalist gekauft hat, zwischen ihm gehörigen Dingen. Das Produkt dieses Prozesses gehört ihm daher ganz ebensosehr, als das Produkt des Gärungsprozesses in seinem Weinkeller.“23

Aus den Besonderheiten des kapitalistischen Arbeitsprozesses geht hervor, daß sich die Produktion von der Aneignung der Resultate der Produktion trennt. Die Produktion, schrieb Karl Marx, ist die Aneignung des Natürlichen für menschliche Bedürfnisse. Das gilt für alle Gesellschaftsformationen. Aber unter den Bedingungen des Kapitalismus ist der Aneigner des Natürlichen nicht der Produzent, der das Natürliche, das heißt die aus der Natur hervorgehenden Gegenstände, oder die Natur selbst den Bedürfnissen der Menschen dienstbar macht. Der Produzent ist nur ein Mittel zur Aneignung des Natürlichen für den wirklichen Aneigner, den Kapitalisten. Nicht mehr die eigene Arbeit ist das Mittel zur Aneignung der Produkte der Natur und der Arbeit, sondern die fremde Arbeit.