3.3.1
Die kapitalistische einfache Kooperation
Die einfache Kooperation existierte schon lange vor der kapitalistischen Produktionsweise. Für die Entstehung und die Entwicklung des Kapitalismus bildete sie eine entscheidende Voraussetzung. „Das Wirken einer größern Arbeiteranzahl zur selben Zeit, in demselben Raum (oder, wenn man will, auf demselben Arbeitsfeld), zur Produktion derselben Warensorte, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, bildet historisch und begrifflich den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion.“79
Die einfache kapitalistische Kooperation wächst aus der zersplitterten Kleinproduktion hervor und bildet historisch den Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion.80 In ihr entsteht die widersprüchliche Einheit von Arbeitsprozeß und kapitalistischem Verwertungsprozeß. Mit dieser Phase beginnt daher auch die Herausbildung des Lohnarbeiters. Historisch gesehen, handelt es sich um die Phase der Entstehung des Mehrwerts überhaupt sowie um die Phase der Entstehung des kapitalistischen Grundwiderspruchs.
Im Hinblick auf den gesellschaftlichen Charakter der Produktion ist entscheidend, daß in dieser Phase verhältnismäßig große Werkstätten entstehen, in denen gemeinsam, aber noch handwerklich produziert wird. Diese Entwicklung bedingt eine größere Regelmäßigkeit und Stabilität bei der Erzeugung und beim Absatz der Produkte, eine Senkung der Produktionskosten und eine Ansammlung beziehungsweise Konzentration größerer Kapitalmengen. Die Produktionsinstrumente und Produktionsmethoden bleiben im Prinzip unverändert handwerklich.
Das Kapital unterwirft sich die unmittelbaren Produzenten und macht sie zu Arbeitern. Das geschieht aber auch auf der Basis der Technik, die das Kapital vorfand. Insoweit ist der Unterschied zur zersplitterten Kleinproduktion also „zunächst bloß quantitativ“.81 Aber schon dieser quantitative Unterschied bedingt grundsätzlich die Entstehung des kapitalistischen Produktionsprozesses als widersprüchliche Einheit von Arbeits- und Verwertungsprozeß. Es beginnt die Produktion des Mehrprodukts in typisch kapitalistischer Form - die Produktion des Mehrwerts. Die kapitalistische einfache Kooperation ist eine neue, gesellschaftliche Produktivkraft, die eine wesentliche Steigerung der Arbeitsproduktivität hervorbrachte. Diese Steigerung der Arbeitsproduktivität erscheint als Produktivkraft des Kapitals.
Die Produktion des relativen Mehrwerts wurde vor allem durch folgende Umstände mit der kapitalistischen einfachen Kooperation begründet: a) Die einfache Kooperation führte dadurch zur Steigerung der Arbeitsproduktivität, weil die gemeinsame Arbeit Zeitersparnisse ermöglichte (zum Beispiel beim Transport), b) Die kapitalistische einfache Kooperation brachte den Vorteil mit sich, daß eine größere Arbeiteranzahl zur selben Zeit, in demselben Raum produzieren konnte. Dadurch wurde vergegenständlichte Arbeit eingespart, denn die notwendigen Arbeitsmittel stiegen nicht in gleichem Maße wie die Zahl der Arbeiter, c) Dadurch, daß viele Arbeiter in einem Raum zusammen arbeiteten, stieg die Arbeitsintensität. Mit der einfachen Kooperation wurde also eine größere gesellschaftliche Kraft erzielt als die einfache Summe der Kraft einzelner Produzenten.
Das Ergebnis dieser kapitalistischen einfachen Kooperation bestand also darin, daß sie den Wirkungsgrad der Arbeit erhöhte. Sie war im Kapitalismus ein besonderes Stadium der Produktion des relativen Mehrwerts.
Die einfache kapitalistische Kooperation erhöhte aber nicht nur die Produktivkraft des einzelnen Arbeiters, sondern sie schuf eine neue Produktivkraft, die durch die Zusammenarbeit entstand. Der historisch erste, aber auch entscheidende Unterschied der sich herausbildenden Arbeiterpersönlichkeit gegenüber der Persönlichkeit des Produzenten der vorkapitalistischen Warenproduktion bestand in dem unmittelbar gesellschaftlichen Status des Produzenten im Produktionsprozeß. Insofern war die kapitalistische einfache Kooperation ein qualitativ neuer ökonomischer Typ der Produktion: Durch die planmäßige Zusammenarbeit vieler in einem Arbeitsprozeß wurde der Charakter des Produktionsprozesses verwandelt. Aus der zersplitterten, individuellen Produktion wurde gesellschaftliche Produktion. Die kapitalistische einfache Kooperation verursachte also eine entscheidende Änderung in den Produktionsverhältnissen, denn sie führte dazu, daß dasselbe individuelle Kapital eine größere Anzahl Arbeiter gleichzeitig beschäftigt. Damit aber waren die entscheidenden Voraussetzungen dafür gegeben, daß es unvermeidlich zu schrittweisen Veränderungen auch im Arbeits- und Verwertungsprozeß, zur allmählichen Umgestaltung des Produktionsprozesses in einen kapitalistischen Produktionsprozeß kam.82
Die Analyse der kapitalistischen einfachen Kooperation durch Karl Marx zeigt eindeutig, daß es sich um eine Erhöhung der Produktivkraft der Arbeit handelt, die dadurch erfolgt, daß die individuelle Arbeitskraft der Arbeiter durch ihre Zusammenfassung unter dem Kommando des Kapitalisten in eine
gesellschaftliche Produktivkraft verwandelt wird. Diese ist um ein vielfaches höher als die Summe der Produktivkraft der Arbeit der einzelnen Arbeiter. Da aber die Verwandlung der individuellen Arbeitskraft der Arbeiter in eine gesellschaftliche Produktivkraft durch das Kapital erfolgt, erscheint diese neue Produktivkraft als Produktivkraft des Kapitals. „Weil die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit dem Kapital nichts kostet, weil sie andrerseits nicht von dem Arbeiter entwickelt wird, bevor seine Arbeit selbst dem Kapital gehört, erscheint sie als Produktivkraft, die das Kapital von Natur besitzt, als seine immanente Produktivkraft.“83 In dieser Oberflächenerscheinung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit wurzelt die apologetische Auffassung von der Wert und Mehrwert schaffenden Kraft des Kapitals.
Für das Stadium der kapitalistischen einfachen Kooperation war der Widerspruch zwischen der vorgefundenen zurückgebliebenen oder zurückbleibenden technischen Basis und den kapitalistischen Produktionsverhältnissen charakteristisch.
Die einfache Kooperation brachte als Entwicklungsphase der Steigerung der Produktivität erstmalig voll den Prozeß des Umschlags des Grundwiderspruchs der einfachen Warenproduktion in den Grundwiderspruch der kapitalistischen Produktionsweise zum Ausdruck. Sie war eine spezifische Form des kapitalistischen Produktionsprozesses im Gegensatz zum Produktionsprozeß vereinzelter unabhängiger Arbeiter oder auch Kleinmeister. Die einfache Kooperation bildete deshalb auch den ersten gesellschaftlich wirksamen Ausgangspunkt für den sich mit dem Aufkommen des Kapitalismus vollziehenden Prozeß der Trennung der Produzenten von den Produktionsmitteln, der Trennung von Arbeit und Eigentum.
Gleichzeitig ist dieses historische Stadium der Steigerung der Arbeitsproduktivität durch das Kapital „die Grundform der kapitalistischen Produktionsweise“84 überhaupt: Ihr Grundmerkmal - Konzentration der Arbeiter unter dem Kommando des kapitalistischen Eigentümers an Produktionsmitteln - blieb Inhalt aller weiteren Phasen der Entwicklung der Arbeitsproduktivität durch den Kapitalismus. Die in der privaten einfachen Warenproduktion vorhandene Identität von Arbeit und Eigentum war für die sich entwickelnden Produktivkräfte zu eng geworden. Sie hatte zur Stagnation der Entwicklung der Arbeitsproduktivität geführt. Die kapitalistische einfache Kooperation sprengte die Identität von Arbeit und Eigentum und schuf so die historischen Voraussetzungen für eine weitere Entwicklung der Produktivkräfte. Wie auch in den späteren Stadien erscheint die Weiterentwicklung der Produktivkräfte und der Arbeitsproduktivität als Produktivkraft des Kapitals. Die Produktion erfolgte nunmehr prinzipiell gesellschaftlich, war aber gleichzeitig durch einen rasch wachsenden Antagonismus zwischen der Ausbeuterklasse der Kapitalisten und der Arbeiterklasse als der ausgebeuteten Klasse gekennzeichnet. Die kapitalistische Kooperation begründete so die Existenz der kapitalistischen Produktionsweise und damit des kapitalistischen Grundwiderspruchs. Alle weiteren Stadien - sowohl die kapitalistische Manufaktur als auch die Maschinerie und große Industrie - prägten den kapitalistischen Klassenantagonismus weiter aus und brachten ihn zur vollen Entfaltung.