Kapital und Mehrwert

3.3.3.2
Die Maschine als Mittel der Ausbeutung
des Lohnarbeiters und die Grenzen
ihrer kapitalistischen Anwendung

Zwischen der Rolle der Maschine in der Produktion und ihrer kapitalistischen Anwendung muß wesentlich unterschieden werden. Die Maschine, die die Schranken der manufakturmäßigen Produktion durchbrach, war und ist ein entwickeltes Arbeitsmittel, das entscheidend zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität beiträgt. Die Maschine an sich hat keinen Klassencharakter, sie dient unter verschiedenen historischen Bedingungen verschiedenen Klassen. Sie ist Bestandteil des Arbeitsprozesses, in dessen Ergebnis, wie Marx ausführt, Gebrauchswerte erzeugt werden, die der Befriedigung spezifisch menschlicher Bedürfnisse dienen. Aber jede Produktion und damit jeder Arbeitsprozeß erfolgt unter ganz spezifischen gesellschaftlichen Verhältnissen.

Im Sozialismus besteht das Ziel der Anwendung der Maschine in der Steigerung der Produktion und der Erleichterung der menschlichen Arbeit. Der ökonomische Vorteil der Maschine für die sozialistische Gesellschaft wird an der Einsparung gesellschaftlicher Arbeit gemessen, das heißt an der Differenz zwischen der Quantität gesellschaftlicher Arbeit, die die Maschine volkswirtschaftlich einspart, und der Quantität an Arbeit, die in der Maschine verkörpert ist.

Das ist so zu erklären: Der Wert der Waren setzt sich nicht nur aus dem Ergebnis der lebendigen Arbeit, sondern auch aus dem Wert der angewandten toten, vergegenständlichten Arbeit zusammen. Die Arbeitsproduktivität wird aus diesem Grunde nicht nur an dem Verhältnis des Ergebnisses zur angewandten lebendigen Arbeit, sondern auch zur angewandten vergegenständlichten Arbeit gemessen. Das ergibt sich aus folgendem. Die Arbeitsproduktivität hängt, wie Karl Marx sagt, nicht nur von der Geschicklichkeit der Arbeiter, sondern auch von anderen Faktoren ab, darunter vom Umfang und Wirkungsgrad der Produktionsmittel. Gehen wir davon aus, daß bisher verwendete Produktionsmittel durch verbesserte oder neue ersetzt werden, die den Wirkungsgrad der Produktivkraft der Arbeit erhöhen, dann erzielt die Arbeit des Arbeiters im gleichen Zeitraum mit demselben Arbeitsaufwand eine größere Menge von Gebrauchswerten.

Nehmen wir nun an, daß der Wert der verbesserten oder neuen Produktionsmittel größer ist als der Wert der bisher verwendeten Produktionsmittel, dann ergibt sich, daß zwar mehr Gebrauchswerte erzeugt wurden, daß ihr Wert aber größer ist als der Wert der bisher erzeugten Waren. Obwohl die lebendige Arbeit produktiver geworden ist, sind die Waren teurer geworden, weil die tote Arbeit, der Wert der Produktionsmittel, rascher gewachsen ist als der Wirkungsgrad der lebendigen Arbeit. Damit die Steigerung der Arbeitsproduktivität sich nicht nur in der Vermehrung der Masse der Gebrauchswerte, sondern auch in der Senkung des Wertes der Waren äußert, muß der Wirkungsgrad der lebendigen Arbeit schneller wachsen als der Wert der toten, vergegenständlichten Arbeit der angewandten Produktionsmittel. „Der Wert der Ware ist bestimmt durch die Gesamtarbeitszeit, vergangne und lebendige, die in sie eingeht. Die Steigerung der Produktivität der Arbeit besteht eben darin, daß der Anteil der lebendigen Arbeit vermindert, der der vergangnen Arbeit vermehrt wird, aber so, daß die Gesamtsumme der in der Ware steckenden Arbeit abnimmt; daß also die lebendige Arbeit um mehr abnimmt als die vergangne zunimmt.“113

Wenn dem Kapitalisten so billige Arbeitskräfte zur Verfügung stehen, daß die Anwendung einer Maschine die Arbeit zwar erleichtert, aber die Produktion nicht vergrößert, das heißt die Arbeitsproduktivität nicht steigen würde, kauft der Kapitalist nicht die Maschine, sondern die billigen Arbeitskräfte. „Es ist klar, daß bloßes Deplacement der Arbeit stattfindet, also die Gesamtsumme der zur Produktion einer Ware erheischten Arbeit nicht vermindert oder die Produktivkraft der Arbeit nicht vermehrt wird, wenn die Produktion einer Maschine so viel Arbeit kostet, als ihre Anwendung erspart.“114

Aber auch wenn durch die Anwendung der Maschine die Arbeitsproduktivität erhöht und dadurch Arbeiter „eingespart“, das heißt von ihren Arbeitsplätzen verdrängt werden, würde der Kapitalist die Maschine nicht kaufen und anwenden, wenn dadurch der Wert der Waren im gleichen Maße sinken würde, wie die Ausgaben für den Arbeitslohn sich vermindern. Billigere Ware beziehungsweise eingesparte Arbeitszeit wären dann zwar vorteilhaft für die Gesellschaft, doch durchaus nicht für den Kapitalisten, denn er würde keinen zusätzlichen Mehrwert erzielen. „Ausschließlich als Mittel zur Verwohlfeilerung des Produkts betrachtet, ist die Grenze für den Gebrauch der Maschinerie darin gegeben, daß ihre eigne Produktion weniger Arbeit kostet, als ihre Anwendung Arbeit ersetzt. Für das Kapital jedoch drückt sich diese Grenze enger aus. Da es nicht die angewandte Arbeit zahlt, sondern den Wert der angewandten Arbeitskraft, wird ihm der Maschinengebrauch begrenzt durch die Differenz zwischen dem Maschinenwert und dem Wert der von ihr ersetzten Arbeitskraft“115, das heißt durch den Mehrwert, den ihm die lebendige Arbeitskraft bringen würde und den die tote, in den Maschinen vergegenständlichte Arbeit nicht bringen kann! Nicht die Maschine ist der Feind der Arbeiterklasse, sondern die kapitalistische Produktionsweise, in der die Maschine als Mittel der Ausbeutung und Unterdrückung des doppelt freien Lohnarbeiters dient. Dazu schrieb Karl Marx, daß „die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht“116. Darin liegen zugleich auch die prinzipiellen Grenzen der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie: Je weiter sich die Produktivkräfte entwickeln, je mehr sich der Reichtum der Gesellschaft erhöht, desto dringlicher wird es, daß die Arbeiterklasse als Schöpfer aller dieser Reichtümer auch Eigentümer der Produktionsmittel wird und damit selbst über die Entwicklung des gesellschaftlichen Fortschritts bestimmt.