Kreislauf und
Umschlag des Kapitals

4.
Wirkung der Umschlagszeit auf
die Größe des Kapitalvorschusses

Die Untersuchung des Kreislaufs des Kapitals führte schon zu der Feststellung, daß die Verwertung des Kapitals nicht nur erfordert, daß das industrielle Kapital nacheinander die drei Stadien als Geldkapital, produktives Kapital und Warenkapital durchläuft, sondern daß es sich gleichzeitig in allen drei Stadien befinden muß. Das vorgeschossene Kapital muß demnach ausreichen, daß jeweils so viel Geldkapital, produktives Kapital und Warenkapital vorhanden ist, damit der Produktions- und Verwertungsprozeß kontinuierlich, das heißt ununterbrochen, vonstatten gehen kann.

Es darf auch nicht zuviel Kapital in jedem der drei Stadien verharren, denn das würde die Verwertung ungünstig beeinflussen. Objektiv bestimmend für den Umfang des Gesamtkapitals und seiner einzelnen Bestandteile ist der Umfang des Produktionsprozesses und damit des produktiven Kapitals. Von ihm hängt in erster Linie die Größe des Warenkapitals und des Geldkapitals ab. Ferner sahen wir, daß auch die Länge der Umlaufszeit von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Nehmen wir an, das gesamte Kapital sei in produktivem Kapital angelegt und die Produktionszeit würde neun Wochen dauern, dann käme das Produkt am Ende der neunten Woche in die Zirkulation. Nehmen wir weiter an, die Umlaufszeit würde drei Wochen dauern, dann wäre die gesamte Umschlagszeit zwölf Wochen. Da das gesamte Kapital in produktives Kapital angelegt wurde, erscheint es jetzt als Warenkapital65, das nach drei Wochen in Geldkapital beziehungsweise produktives Kapital verwandelt sein wird. Während dieser Zeit müßte die Produktion stillstehen.

Um aus dieser Schwierigkeit herauszukommen, sind zwei Wege möglich. Entweder muß der Kapitalist den Umfang des produktiven Kapitals vermindern, um dadurch das nötige Geldkapital für die Fortsetzung der Produktion zu gewinnen, oder er muß ein Zuschußkapital anlegen, das die Fortsetzung der Produktion möglich macht. Die Größe dieses Zuschußkapitals hängt von der Dauer der Produktionszeit und der Länge der Umlaufszeit ab.

Im vorliegenden Falle beträgt die Produktionszeit neun Wochen und die Umlaufszeit drei Wochen. Der Kapitalist bedarf demzufolge eines Zuschußkapitals für die ersten drei Wochen der Produktion, denn nach drei Wochen würde ihm sein Kapital wieder zur Verfügung stehen. Dieses Kapital hat jedoch einen Umfang, der für eine Produktionszeit von neun Wochen bestimmt ist. Er braucht aber nur noch ein Kapital für sechs Wochen, denn die ersten drei Wochen der Produktion hat er mit dem Zuschußkapital finanziert. Es bleibt demnach ein Geldkapital in der Größe des Zusatzkapitals übrig, das nach Abschluß der gesamten Produktionszeit wieder von neuem zur Überbrückung der Umlaufszeit für die Produktion eingesetzt werden muß. „Soll die Produktion nicht unterbrochen werden während der Umlaufszeit des in Warenkapital verwandelten produktiven Kapitals, soll sie vielmehr gleichzeitig und kontinuierlich Woche für Woche fortgesetzt werden, und ist hierfür kein besondres zirkulierendes Kapital gegeben, so kann dies nur erreicht werden durch Vermindrung des Produktionsbetriebs, durch Verkürzung des flüssigen Bestandteils des fungierenden produktiven Kapitals … Nehmen wir aber umgekehrt an, die Anlage des Geschäfts schließe eine Verkürzung der Stufenleiter der Produktion und daher auch des wöchentlich vorzuschießenden flüssigen Kapitals aus, so kann die Kontinuität der Produktion nur erreicht werden durch ein zuschüssiges flüssiges Kapital … .“66

Aus der Untersuchung, wie sich die Umlaufszeit auf die Größe des Kapitalvorschusses auswirkt, ergibt sich folgendes:

Erstens: Zur Sicherung der ununterbrochenen Aufeinanderfolge der Arbeitsperioden ist außer dem Vorschuß für das produktive Kapital ein Zuschußkapital zur Überbrückung der Umlaufszeit notwendig.

Zweitens: Das produktive Kapital und das Zusatzkapital lösen sich im Verlauf des Umschlags des Kapitals nacheinander ab.

Drittens: Bei einer Produktionszeit, die größer als die Umlaufszeit ist, ergibt sich, daß periodisch das Zusatzkapital oder ein Teil des Zusatzkapitals in Geldform freigesetzt wird.

Viertens: In der Regel ist die Produktionszeit größer als die Umlaufszeit, deshalb befindet sich ein bedeutender Teil des jährlich mehrmals umschlagenden gesellschaftlichen zirkulierenden Kapitals während des jährlichen Umschlagszyklus periodisch in der Form des freigesetzten Kapitals.

Fünftens: Die Größe des freigesetzten Kapitals wächst mit dem Umfang des Arbeitsprozesses, mit der Erweiterung der Produktion, überhaupt mit der Entwicklung der kapitalistischen Produktion.

Karl Marx untersuchte die Proportionalität zwischen ursprünglichem Kapital und Zusatzkapital sehr eingehend und entdeckte dabei, daß das periodisch freigesetzte Zusatzkapital in der Form des Geldkapitals eine wichtige Grundlage für das kapitalistische Kreditwesen ist.67